Mevre Tunca

Mevre Tunca

Mevre Tunca kennt sich aus mit Kommunikation, Produktmanagement, Softwareentwicklung und IT-Sicherheit. Nach ihrer Ausbildung zur Dialogkauffrau sammelte sie mehrjährige Berufserfahrung und erweiterte ihre Qualifikationen um einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Digitale Wirtschaft an der Berliner Hochschule für Technik. An der HTW Berlin absolvierte sie dann den Master of Science in Wirtschaftsinformatik. Für ihr Bachelor- und Masterstudium erhielt sie ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung. Seit November 2023 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HTW Berlin im Bereich IT-Sicherheit und Datenschutz im Studiengang Wirtschaftsinformatik. Sie promoviert an der HTW Berlin in Kooperation mit der Freien Universität Berlin und ist gleichzeitig wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS.

Was ist das Thema deiner Promotion?

Meine Promotion beschäftigt sich mit „Privacy by Design“ in komplexen IT-Systemen. Mein Ziel ist es, eine Lösung zu entwickeln, die es allen Akteuren innerhalb einer Cyber-Lieferkette ermöglicht, ein vergleichbares Sicherheitsniveau zum Schutz persönlicher Daten zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Mein Ansatz besteht darin, zunächst reale Bedrohungen, die zur Kompromittierung personenbezogener Daten führen können, zu identifizieren und zu kategorisieren. Aus diesen Ergebnissen möchte ich dann normübergreifende Maßnahmen ermitteln, die präzise umgesetzt werden können, um nicht nur die Privatsphäre der Nutzer*innen zu schützen, sondern auch potenzielle Risiken des massiven Speicherns und Analysierens von Daten zu adressieren, die in bestimmten Kontexten problematische Auswirkungen haben können. Es ist meiner Überzeugung nach entscheidend, dass verantwortungsvoller Datenschutz die demokratischen Prozesse und Grundrechte schützt.

Wie erklärst du einer fachfremden Person, woran du forschst?

IT-Sicherheit wurde lange mit der Metapher einer Burg umschrieben. Also eine starke Festung, die durch einen Burgraben vor Angriffen geschützt wird, Zugbrücken nutzt, um unbemerktes Eindringen zu verhindern, und alle wichtigen Ressourcen an einem zentralen Ort bündelt. Mittlerweile funktionieren Computersysteme aber anders. Die Ressourcen, insbesondere die wertvollsten Informationen, sind heute weltweit verteilt und überschreiten dabei zahlreiche geografische und organisatorische Grenzen. Daher müssen Sicherheitsstrategien anders gedacht und umgesetzt wurden. Meine Forschung beschäftigt sich also damit, wie die wertvollsten Informationen über die Bewohner*innen jeder dieser Burgen von Anfang an so geschützt werden, dass diese nicht unbemerkt gesammelt, miteinander verknüpft oder gegen die Betroffenen genutzt werden können. Der Schutz soll dabei „by design“ erfolgen, also so, dass Sicherheits- und Datenschutzmechanismen bereits in die Strukturen, Prozesse und Technologien eingebettet sind, bevor überhaupt ein Zugriff erfolgt. So wird verhindert, dass sensible Informationen in falsche Hände gelangen oder überhaupt unnötig offengelegt werden

Cyber Security betrifft uns alle. Welche Praxis-Tipps kannst du Nichtinformatiker*innen im Alltag geben?

Der Großteil der Angriffe auf Privatpersonen erfolgt zufällig, ohne gezielte Auswahl bestimmter Personen. Für diese weit verbreiteten und oft oberflächlichen Angriffe gibt es einfache und sehr effektive Schutzmaßnahmen. Viele Studien zeigen, dass Nutzer*innen die Standardeinstellungen nicht ändern. Rund 95 Prozent belassen die Sicherheitseinstellungen in Softwareprogrammen unverändert, und etwa 80 Prozent behalten die mitgelieferten Passwörter bei Hardware. Deshalb lautet der erste und wichtigste Tipp: Starke Passwörter zu verwenden, am besten mithilfe eines sicheren Passwortmanagers. Eine weitere sehr wirksame Maßnahme ist die Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA). Mobiles Banking ist mittlerweile immer durch MFA geschützt. Viele andere Anwendungen, insbesondere E-Mail-Konten, bieten diese Schutzfunktion ebenfalls an und sollten entsprechend abgesichert werden. Ein weiterer zentraler Punkt, der immer wieder betont wird, ist Software und Apps regelmäßig zu aktualisieren, Antivirenprogramme eingeschlossen. Und nicht zuletzt: Wenn Mails oder Webseiten „merkwürdig“ wirken, sind sie das in der Regel auch. Wichtig ist zudem das Bewusstsein, dass persönliche Informationen, die online geteilt werden, von anderen eingesehen und von Systemen genutzt werden können, um so etwas wie Profile zu erstellen. Solche Profile können wiederum die Wahrnehmung ganzer Gruppen beeinflussen. Deshalb sollte das Teilen persönlicher Daten immer gut überlegt erfolgen.

Bist du auch in der Lehre aktiv?

Ja, zum Glück. Ich habe schon bei anderen Modulen unterstützt, fühle mich aber in der Cyber Security am wohlsten. Es ist super spannend und schön zu sehen, wie Studierende vom ersten bis zum letzten Tag des Semesters mit Energie, Motivation und Neugier dabei sind, dazulernen und sogar eigene kreative Ansätze finden. Ich sage das ohne jede Übertreibung: Manchmal bekomme ich Gänsehaut, wenn ich sehe, mit welcher Intensität sich die Studierenden in ein Thema vertiefen und dabei eine echte Begeisterung für IT-Sicherheit entwickeln, besonders dann, wenn sie zuvor kaum Berührungspunkte damit hatten.

An der HTW Berlin gibt es den neuen Bachelor Studiengang Cyber Security and Business. Bist du daran beteiligt?

Derzeit nicht, aber ich finde die Idee absolut richtig. Es gibt sehr wenig Angebote, insbesondere an staatlichen Hochschulen für Studiengänge, die sich mit IT-Sicherheit beschäftigten. Gerade in Berlin sollte ein größeres Angebot vorhanden sein. Ich hoffe, dass dieser Bachelor einen wichtigen Schritt für die Zukunft ebnet. Cybersicherheit ist kein Thema, das weniger wichtig wird. Ganz im Gegenteil.

Warum hast du dich für eine Promotion an der HTW Berlin entschieden?

Das ist eine sehr lange Geschichte. Aber um es kurz zu halten: Als ich mich dazu entschieden habe zu promovieren, habe ich mir alle Optionen angesehen. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, ich bin zu sehr vielen Veranstaltungen gegangen und hab mir viele Möglichkeiten offengehalten. Am Ende habe ich mich für die HTW Berlin entschieden, weil ich mich hier als Studentin schon sehr wohl gefühlt habe. Ich lerne, arbeite und lehre am besten mit Spaß, wenn es praxisnah ist und mit viel Freiheit. All das habe ich an der HTW gefunden. 

Was bedeutet für dich Diversität?

Diese Frage hätte ich vor noch kurzer Zeit ganz anders beantwortet. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass sich die Werte in unserer Gesellschaft verrücken. Ich hoffe, dass Sozialforschung und Politik hierfür wirksame Lösungen finden. Für mich bedeutet Diversität derzeit vor allem, Unterschiede anzuerkennen und wertzuschätzen, ohne aus dem Blick zu verlieren, was uns verbindet. Anschaulich wird das etwa durch Carl Sagans Erkenntnis, dass wir alle aus Sternenstaub bestehen, und David Bohms Konzept des Holomovement, nach dem alles in Bewegung ist und miteinander verbunden bleibt. Solche Perspektiven machen deutlich, dass es möglich ist, wieder zu einem konstruktiveren und progressiven Umgang miteinander zu finden. Gerade in Zeiten, in denen Unterschiede zur Spaltung genutzt werden. Vielleicht hilft es, sich daran zu erinnern, dass wir auf einer ganz grundlegenden Ebene nicht verschieden und gleich wertvoll sind.

Mit wem würdest du gerne einen Kaffee trinken?

Ich muss bei dieser Frage ein wenig schummeln und verstehe das auch als Möglichkeit eine kleine Gruppe an einen Tisch setzen zu können. Ich tausche mich gern mit Menschen aus, die sich in einem Bereich gut auskennen, mit dem ich bisher wenig zu tun hatte. Dabei entstehen oft unerwartete Einblicke. Deshalb würde ich gern mit Frauke Ludowig, Angela Merkel und der lebenden Legende Margaret Hamilton bei einem Getränk ins Gespräch kommen. Ich glaube, Frauke Ludowig und Angela Merkel haben so rare und einzigartige Geschichten auf Lager, dass man davon ewig hören kann. Margaret Hamilton beeindruckt auf einem anderen Level. Sie hat Geschichte geschrieben und damit gezeigt, was möglich ist, wenn man neugierig bleibt, Verantwortung übernimmt und einfach macht, auch wenn die Aufgabe viel zu riesig scheint.

WissenschaftsExpresso mit Mevre Tunca: Vergleichbarkeit von IT-Sicherheit in Cyber Lieferketten

Mevre Tunca im Flur Mevre Tunca im Labor
Mevre Tunca schaut auf ihren Laptop © HTW Berlin/Alexander Rentsch
Mevre Tunca vor der Mena am Campus Wilhelminenhof © HTW Berlin/Alexander Rentsch

Weitere Informationen

Die Fragen stellte Anja Schuster, Team Kommunikation
Fotos: HTW Berlin/Alexander Rentsch

Berlin, 18. November 2025