Feuchtigkeit dringt in die Fassade ein
Gelbe Klinker sind das Erkennungsmerkmal der ehemaligen Industriegebäude auf dem Campus Wilhelminenhof der HTW Berlin. Gelbe Klinker in verschiedenen Schattierungen, eingebettet in ein gleichmäßiges Fugenraster. Gebäude C ist ein besonders schönes Beispiel für die einheitliche, aber nie langweilige historische Industriearchitektur. Was man auf den ersten Blick nicht sieht: Sowohl die Ziegel als auch die Fugen haben ein Problem, genauer gesagt: Sie sind zu einem Problem geworden. Denn durch sie dringt zu viel Feuchtigkeit ein, vor allem an der zum Innenhof und zur Straße hin gelegenen Seite. Deshalb wird die Fassade von Gebäude C seit Oktober 2025 saniert, in enger Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirks Treptow-Köpenick. Regie führt die Abteilung Technische Dienste der Hochschule; die Fäden laufen bei Marcus Jünemann zusammen, dem Leiter des Teams Bau.
Plötzlich lagen Klinker auf dem Boden
Plötzlich auf dem Boden liegende Klinker haben alles in Gang gebracht, erzählt Marcus Jünemann. Damit niemand zu Schaden kommt, wurde das Areal gesichert, anschließend nach den Ursachen gesucht. Der Teamleiter Bau ließ eine Drohne fliegen, einen Steiger an der Fassade hochklettern und die Schäden sorgfältig kartieren. Wie sich herausstellte, waren die Ziegel von korrodierenden Stahlträgern „quasi herausgepresst“ worden. Das Gutachten eines externen Ingenieurbüros brachte Klarheit: In die Fassade von Gebäude C dringt zu viel Wasser ein. Das liegt vor allem am desolaten Fugennetz, aber auch an porös gewordenen Klinkern. Sowohl Fugen als auch Steine sind offenbar bei der robusten Fassadenreinigung in den 90-er Jahren in Mitleidenschaft gezogen worden; damals wurde das nach dem Fall der Mauer brach gefallene Industrieareal von der Berliner Landesentwicklungsgesellschaft für eine spätere Nutzung ertüchtigt. Für welche, war lange Zeit unklar.
Höhere Innentemperaturen, mehr Kondensation
2009 zog schließlich die HTW Berlin ein. Auch das trug zum Problem bei. „Mit der geänderten Nutzung und höheren Innentemperaturen hat sich das Feuchteverhalten des Gebäudes verändert. Dadurch kommt es vermehrt zu Kondensation in Bauteilen“, erläutert Marcus Jünemann, selbst gelernter Hoch- und Tiefbauer, der an der HTW seinen Abschluss im Studiengang Facility Management gemacht hat. Genügten der Industrieproduktion niedrige Temperaturen zwischen 14 und 18 Grad, wird heute auf über 20 Grad geheizt. Dadurch ist mehr Luftfeuchtigkeit in den Räumen, und die schlägt sich an kalten Flächen wie Fenstern oder Wänden nieder. Die Fassade steht quasi von innen und außen unter Druck.
Fehlende Fugen, Risse in Klinkern, rostige Stahlträger
Welche Konsequenzen das für die Bausubstanz von Gebäude C hat, kann Marcus Jünemann anhand von Detailaufnahmen zeigen, die im Zuge der Begutachtung entstanden sind. Wenn er am Rechner von Foto zu Foto klickt und das eine oder andere vergrößert, damit mehr zu erkennen ist, wirkt er wie ein Zahnarzt, der den Gebisszustand seines Patienten auf einer Röntgenaufnahme erläutert: „Hier fehlt das Fugenmaterial vollständig, da sehen Sie Haarrisse an Steinen, dort einen angerosteten Stahlträger“. Besonders stark bemerkbar mache sich die eindringende Feuchtigkeit an den Fensterstürzen und Deckenträgern.
Die Sanierung duldet keinen Aufschub
Für den Teamleiter Bau stand nach Lektüre des 122 Seiten starken Bausubstanzgutachtens fest: Die Sanierung der Fassade von Gebäude C duldet keinen Aufschub, trotz knapper Finanzen. In Zeiten einer weniger klammen Landeskasse hätte die HTW Berlin Sondermittel bei der Senatskanzlei beantragt, die in den meisten Fällen bewilligt wurde. Jetzt muss sie die Maßnahmen aus ihrem Budget für Bauunterhaltung bestreiten. Und: „Obwohl Lärm gemacht wird, konnte ich mit den Arbeiten nicht bis zu den nächsten Semesterferien warten“. Das ist an der HTW Berlin eigentlich üblich, denn der Lehrbetrieb soll möglichst wenig gestört werden. Was Marcus Jünemann allerdings versprechen kann: „In Prüfungszeiträumen wird Ruhe herrschen“.
Viele Auflagen in puncto Denkmalschutz
Ende August 2025 erteilte die Untere Denkmalschutzbehörde ihre Genehmigung. Grünes Licht von ihrer Seite ist zwingend, denn (nicht nur) Gebäude C steht unter Denkmalschutz, als „nahezu vollständig erhaltenes, bedeutendes Beispiel deutscher Industriegeschichte“. Dieser Denkmal-Status ist Segen und Fluch zugleich. Fluch insofern, als dass Marcus Jünemann bei Baumaßnahmen an einer sehr kurzen Leine geführt wird. Das fing bei der öffentlichen Ausschreibung an, bei der nicht der Preis, sondern die Qualität ganz oben stand. Beworben haben sich Bauunternehmen, die über hinreichend Erfahrung im Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden verfügen. Und es reicht bis zu einer Fülle von Auflagen, die penibel einzuhalten sind. Die Verwendung der gelben Klinker ist ebenso festgelegt wie die Farbigkeit und Zusammensetzung der Fugenmasse. Überhaupt ist jeder einzelne Schritt vor, während und nach der Realisierung mit dem Denkmalschutz abzustimmen und sorgfältig zu dokumentieren.
Start an der Wetterseite zum Innenhof
Seit Oktober 2025 darf nun gearbeitet werden. Begonnen wurde an der Seite zum Innenhof. Dort sind die Schäden am größten, weil diese Fassadenpartie der Witterung besonders stark ausgesetzt ist. Tag für Tag sind Bauarbeiter auf einem mächtigen, mit Netzen versehenen Gerüst zugange. Sie kratzen Fugen aus, legen Stahlträger frei, lassen einen Statiker prüfen, behandeln die Träger gegen Korrosion und verschließen die Fugen wieder. Dafür nehmen sie „Trass Kalk-Fugenmörtel im Sichtmauerwerk sowie einen Trass-Werksteinmörtel an den Rollschichten, beide im Farbton sandhell eingefärbt“. So schreibt es die Denkmalschutzbehörde vor.
Fugen und Klinker bleiben ein Dauerbrenner
Wie lange der erste Bauabschnitt dauert und wie umfassend er sich gestaltet, vermag Marcus Jünemann trotz Gutachten nicht genau abzuschätzen. Das hänge davon ab, was bei den Arbeiten zum Vorschein kommt. Derzeit ändere sich der Fahrplan von Woche zu Woche. So oder so: Die jetzige Maßnahme ist erst der Anfang. Die Sanierung von Fugen und Klinker der ehemaligen Industriegebäude bleibt wohl ein Dauerbrenner. 2026 wird Marcus Jünemann den zweiten Bauabschnitt ausschreiben. Ein kleiner Trost: Auf der Südseite von Gebäude C schaut es besser aus. Das weiß er aus dem Gutachten.