Teamarbeit ist auch in der Lehre möglich
„Planen Sie den nachhaltigkeitsorientierten Markteintritt eines multinationalen Unternehmens in einem Land des globalen Südens.“ So lautet verkürzt die Aufgabenstellung in einem Wahlpflichtfach des Bachelor-Studiengangs International Business (BIB). Das klingt nach normalem Studienalltag. Normal ist er aber nicht. Denn die Studierenden im 4. bzw. 5. Semester werden von gleich drei Professorinnen betreut. Warum sie im Team lehren und wie sie das in der Praxis bewerkstelligen, erzählen Prof. Dr. Julia Schwarzkopf, Prof. Dr. Tine Lehmann und Prof. Dr. Barbara Praetorius im Gespräch.
Wie kamen Sie auf die Idee?
Prof. Dr. Schwarzkopf: Anlass war die Neustrukturierung unserer Wahlpflichtfächer. Meine Kolleginnen und ich haben beim Essen in der Mensa überlegt, welche zukunftsfähigen Themen derzeit in unserem Curriculum fehlen und welche gut zum internationalen Hintergrund unserer BIB-Studierenden passen. Diese kommen aus vielen Ländern – neben Europa etwa auch aus bspw. Mexiko, Taiwan, Pakistan und Vietnam. Der Herausforderung, den Markteintritt in einem Land des globalen Südens unter expliziter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit zu planen, werden sie in ihrem späteren Job mit großer Wahrscheinlichkeit begegnen. Weil aber das Thema Nachhaltigkeitsmanagement ein sehr komplexes und multidimensionales Fachgebiet ist und jede mit ihrer Expertise nur einen Teil abdeckt, haben wir beschlossen, die Lehrveranstaltung als Team gemeinsam anzubieten.
Wie läuft dieses Team-Teaching ab?
Prof. Dr. Lehmann: Zum Auftakt sind wir alle drei gleichzeitig im Hörsaal dabei, die weiteren Lehrveranstaltungen betreuen wir einzeln und im Wechsel. Denn hier ist unsere Expertise in den Teildisziplinen gefragt. Zum Abschluss, wenn die Studierenden bei einem Pitch ihr Konzept vorstellen, treten wir als dreiköpfiger Unternehmensvorstand auf, der vom geplanten Markteintritt überzeugt werden muss, und stellen kritische Nachfragen. Wurde das Umweltrecht des jeweiligen Landes berücksichtigt? Wie passt der Markteintritt zur Unternehmensstrategie? Wie verhält es sich mit den Emissionsvorgaben? Gibt es genügend Wasser, Strom und Arbeitskräfte bzw. wenn nicht, haben die Studierenden ein Konzept für deren Qualifikation? Bestehen eventuell politische Risiken für die Investition? Da wir als Lehrende nie vorher wissen, für welches Land sich die Studierenden entscheiden und was genau sie dort produzieren wollen, ist das auch für uns mitunter eine Herausforderung und wir müssen bisweilen nachlesen. Das macht allen viel Spaß.
Welche Erfahrungen haben sie gesammelt?
Prof. Dr. Praetorius: Am Anfang hat es ein wenig geruckelt. Wir mussten erst einmal absprechen, wer welche Inhalte thematisiert, damit die andere darauf aufbauen kann. Es war auch nötig, sich auf Standards zu verständigen, etwa bei der Bewertung von Präsentationen. Der Kommunikationsaufwand ist in einer Dreier-Konstellation natürlich deutlich höher als wenn man eine Lehrveranstaltung alleine stemmt. Wir wollen die Studierenden durchgängig betreuen, müssen einander also darüber informieren, in welcher Gruppe es gut läuft gut, wer Schwierigkeiten hat und wo man zwischendurch mal nachhaken sollte. Doch inzwischen klappt das sehr gut; wir bieten das Wahlpflichtfach schon zum vierten Mal an.
Prof. Dr. Schwarzkopf: Fachlich ist das Team-Teaching eine Bereicherung. Wir haben zwar alle viele Berührungspunkte zum Thema Nachhaltigkeit, vertreten aber doch ganz unterschiedliche Fachgebiete. Tine Lehmann viel Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit, Barbara Praetorius bereichert das Team um die Themen aus der Umweltökonomie und Umweltpolitik und ich bringe Erfahrungen aus dem betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagement in die Veranstaltung ein.
Wie kommt das Team-Teaching bei Studierenden an?
Prof. Dr. Lehmann: Sehr gut. Auch die Studierenden arbeiten in Dreierteams, jedes Teammitglied verantwortet einen anderen Schwerpunkt, am Ende führen sie alle Komponenten zu einer einzigen Strategie zusammen. Dabei diskutieren sie viel, wägen ab, lernen den Umgang mit Zielkonflikten. Genau darum geht es in der Lehrveranstaltung, denn das sind elementare Kompetenzen für das spätere Berufsleben. Wir lassen den Studierenden viel Freiheit bei der Bearbeitung, wissen aber, dass unser Fach mit einem hohen Workload einhergeht. Wer dabei bleibt, sagt uns, dass man richtig viel lernt.
Was sagen Ihre Kolleg*innen zum Team-Teaching?
Prof. Dr. Praetorius: Erstaunlich wenig. Wenn, wird meist gefragt, wie wir das mit der Lehrverpflichtungsverordnung hinkriegen. Die Frage ist berechtigt. Wir teilen die Stunden aktuell 2-1-1 auf, die Lehrveranstaltung hat 4 SWS. Diejenige mit den 2 Stunden übernimmt entsprechend auch einen höheren Lehranteil. Sicherlich wenden wir hier in dem Modul mehr Zeit auf als wir hier technisch abrechnen, da der Abstimmungsaufwand einfach höher ist und wir an bestimmten Terminen alle da sind.
Prof. Dr. Lehmann: Im Grunde sprechen wir unter Kolleg*innen eigentlich viel zu selten über Lehrmethoden oder machen gegenseitige Hospitanzen, was auch der hohen Lehrverpflichtung von 18 Semesterwochenstunden geschuldet ist.
Prof. Dr. Schwarzkopf: Das ist eigentlich schade, denn Team-Teaching ermöglicht auch den Austausch über die eigene Lehre. Man kommt ins Gespräch über Inhalte und Methoden, gibt sich gegenseitig Ratschläge und kann interdisziplinär unterrichten.