Nathalie Rzepka
Nathalie Rzepka
Schreibt man ein bestimmtes Wort groß oder klein, jenes Verb zusammen oder auseinander? Nicht immer weiß man eine Antwort. Doch Rechtschreibung kann man üben. Besonders gut geht das digital. Eine Million registrierte Nutzer*innen nutzen dafür das Portal „Orthografietrainer“. Wenn sie das bald mit noch größerem Erfolg tun, dann liegt das auch an einer Absolventin der HTW Berlin. Nathalie Rzepka hat in ihrer Dissertation bei Prof. Dr. Katharina Simbeck und Prof. Dr. Niels Pinkwart von der Humboldt Universität die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Plattform empirisch untersucht. Und dabei eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht. Im Gespräch verrät die Informatikerin mehr darüber.
Wie gut sind Sie selbst in Rechtschreibung?
Nathalie Rzepka: Ganz gut, würde ich sagen. Aber bei meiner Themenwahl für die Promotion spielte das keine Rolle. Es gibt Tausende von Möglichkeiten, Künstliche Intelligenz in eine digitale Lernumgebung zu integrieren. Ich entschied mich für die Plattform „Orthografietrainer“, weil sie von sehr vielen Lehrer*innen und Schüler*innen genutzt wird. Angesichts von einer Million registrierter Nutzer*innen hat man unglaublich viele Möglichkeiten, etwas Neues auszuprobieren. Die Plattform ist außerdem kostenlos, der Betreiber war selbst einmal Lehrkraft, lehrt und forscht heute an der Uni Potsdam, und war sehr offen für die Kooperation. Er brachte die pädagogische und germanistische Perspektive ein, ich die IT-Perspektive. Das passte gut zusammen.
Was haben Sie genau gemacht?
Ich habe verschiedene KI-Modelle entwickelt, natürlich außerhalb des Live-Systems, und dann zu Testzwecken in die Plattform eingebaut; in der Fachsprache nennt man das „Intervention“. Fünf Interventionen haben wir Juni bis Oktober 2022 in großem Stil getestet. Wir wollten herausfinden, wie sinnvoll die besagten Interventionen waren, sprich: wie sich der Lernerfolg der User entwickelt. Dafür konnte ich auf ca. 950.000 beantwortete Aufgaben zugreifen. Alles wurde sorgfältig gespeichert und dokumentiert. Von Januar bis März 2023 haben wir uns dieselben User und die von ihnen nunmehr gelösten Aufgaben noch einmal angeschaut, anschließend ihren Kompetenzerwerb mit einer Kontrollgruppe verglichen.
Und zu welchem Ergebnis kamen Sie?
Dass eine der fünf Interventionen richtig gut funktioniert hat. Nämlich die, bei der sich die Reihenfolge der Aufgaben danach richtet, wie erfolgreich der User/die Userin die vorherige Aufgabe gelöst hat. Das heißt: Wenn sich der Schwierigkeitsgrad individuell anpasst, lernen die User offenbar besser. Es war für sie weder zu einfach – das erzeugt Langeweile, noch zu schwierig - dabei entsteht bekanntlich Frust. Davon war ich selbst genauso begeistert wie der Betreiber der Lernplattform.
Was bedeutet das für den Orthografietrainer?
Ich implementiere die Intervention gerade innerhalb der Plattform. Das ist toll, weil die Forschungsergebnisse praktisch genutzt werden und nicht in einer Schublade verstauben. Vielmehr werden alle User davon profitieren. Die Zeit dafür ist da, weil ich erst im September meinen Job in der Wirtschaft antrete bzw. die Dissertation verteidigen werde.
Worin sollte man gut sein als Wirtschaftsinformatikerin?
Wirtschaftsinformatikerinnen arbeiten meistens an einer Schnittstelle. Sie müssen also gut zwischen IT-Nerds auf der einen Seite und Produktexpert*innen auf der anderen Seite vermitteln können. Da ist es hilfreich, wenn man Zusammenhänge anschaulich darstellen und überzeugend kommunizieren kann, wer was von wem und wofür benötigt.
Mit wem würden Sie gerne einen Kaffee trinken?
Mit Angela Merkel, unter der Voraussetzung, dass sie offen mit mir spricht. Sie hat einen unglaublich spannenden Werdegang, und ich glaube, dass man von ihr viel lernen kann.
Welches war der schönste Moment an der Hochschule?
Das war die Rückkehr ins Büro nach der Pandemie. Ich habe die Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Simbeck im Oktober 2020 angetreten. Es war mein erster Job nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik. Da fühlt man sich im Homeoffice natürlich ziemlich verloren und es war großartig, später wirklich auf dem Campus arbeiten zu können.
Die Lernplattform "Orthografietrainer"
Der Orthografietrainer ist eine kostenlose E-Learning-Plattform mit über einer Million registrierten Nutzer*innen. Betreiber ist Dr. Hans-Georg Müller, Wissenschaftler am Institut für Germanistik an der Universität Potsdam. Mit seinem Entwicklungsteam möchte er insbesondere Deutschlehrer*innen ermöglichen, die orthografische Entwicklung ihrer Schüler*innen effizient und komfortabel zu fördern und zu verwalten. Gleichzeitig dient www.orthografietrainer.net der Forschung. Gesammelt und ausgewertet werden Daten zu Fehlerhäufigkeiten typischer orthografischer Probleme. Die Plattform ist auch für Gäste zugänglich und kostenlos nutzbar.
Das Gespräch führte Gisela Hüttinger, HTW Berlin, Transfer- und Projektkommunikation
Fotos: HTW Berlin/Alexander Rentsch
Berlin, 15. August 2023