Auf dem Prüfstand: das Herzstück von PV-Anlagen

102 Exemplare sind es im Solarpark Brandenburg-Briest, beinahe 1900 in der Anlage im brandenburgischen Jännersdorf; wie die wertvollen Stücke auf Lastwagen antransportiert und von einem Kran vorsichtig heruntergehoben werden, kann man im Video über den Aufbau des im November 2020 ans Netz gegangenen Solarparks Weesow-Willmersdorf im Landkreis Barnim verfolgen. Die Rede ist von Wechselrichtern, ohne die keine Photovoltaikanlage ihre Leistung ins Stromnetz einspeisen könnte. Denn: Dafür muss der von Solarmodulen aus Sonnenlicht erzeugte Gleichstrom erst einmal in Wechselstrom umgewandelt werden: die Aufgabe der Wechselrichter. „Wechselrichter sind das Herzstück jeder PV-Anlage“, sagt Prof. Dr. Horst Schulte. Von ihrer Qualität und Performance hänge ab, wie zuverlässig der Solarstrom fließt. Genau da sieht der Ingenieurwissenschaftler noch großen Forschungsbedarf.

Unzureichendes Wissen über Alterung und Lebensdauer der Geräte

Kann noch Forschungsbedarf bestehen, wenn bereits jetzt allein in Deutschland zwei Millionen Photovoltaikanlagen Dienst tun und letztes Jahr (2022) insgesamt 52,65 Terawattstunden elektrische Energie ins Netz eingespeist wurden, mit Hilfe von unzähligen Wechselrichtern? Deren technischer Stand sei tatsächlich auf einem hohen Niveau, konstatiert Prof. Dr. Schulte. Auch gebe es eine große Anzahl von Herstellern und Leistungsklassen. Allein: Man wisse noch zu wenig über die Ausfallursachen der Geräte; auch Alterungsprozesse, Verschleiß und Lebensdauer der Wechselrichter seien bislang nicht hinreichend untersucht worden, ganz zu schweigen von einer digitalen Überwachung, um technische Probleme frühzeitig zu erkennen und durch eine vorausschauende Instandhaltung nach Möglichkeit zu vermeiden. „Es geht um nichts Geringeres als die Resilienz der PV-Anlagen“, sagt der Experte für Regelungstechnik und Systemdynamik. Diese Resilienz werde wichtiger, weil der Stellenwert der Photovoltaik für die weltweite Energieversorgung steigt. Ihr Anteil im deutschen Energiemix liegt derzeit immerhin bei 10,7 Prozent. Zum Vergleich: die Windenergie steuert bereits 25,1 Prozent bei (Stand 2022).

Die Windenergiebranche ist schon weiter

Bei Windenergieanlagen, deren Leistung und der Energieertrag stark gewachsen sind, wurden die Herausforderungen in punkto Schadensanalyse zu einem guten Teil bereits bewältigt. „Immer öfter sind Condition-Monitoring-Systeme im Einsatz, die mithilfe von Sensoren beispielsweise Schwingungen, Vibrationen, Temperatur und Feuchtigkeit erfassen und frühzeitig Auffälligkeiten melden, die man durch rasches Handeln in den Griff bekommt“, sagt Prof. Dr. Schulte. Er hat hierzu bereits zwischen 2011 und 2014 ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Forschungsprojekt durchgeführt (FTOL CNTRL). Wie alle Ingenieur*innen in seinem Bereich unterscheidet er dabei zwischen dem „fault“, bei dem eine technische Anlage gestört ist, aber nicht lahmlegt wird, wenn das Schadensbild rechtzeitig erkannt, analysiert und behoben wird, und dem „failure“, dem Ausfall der Anlage, den es zu verhindern gilt.

Im Fokus: Qualität, Performance und Betriebszeit

Die bei der Nutzung der Windenergie gewonnenen Erkenntnisse möchte Prof. Dr. Schulte in die PV-Branche übertragen. Ansetzen will er bei den Wechselrichtern, bei denen er das größte Optimierungspotenzial sieht. Das Ziel: Qualität, Performance und Betriebszeit der Geräte systematisch auszuwerten. Dem Ingenieurwissenschaftler schwebt ein Index mit verschiedenen Kategorien vor, der die ganzheitliche Betrachtung der Wechselrichter erlaubt. Ein solcher Index wäre hilfreich einerseits für Betreiber und Investoren von Solarparks, die derzeit primär auf Kosten achten und Wechselrichter anhand von Einzelwerten vergleichen (müssen).

Kriterien unabhängig von den Herstellern

Die umfassende Zuverlässigkeitsanalyse könnte andererseits den Herstellern Impulse für die Weiterentwicklung der Geräte geben. „Wir wollen Abhängigkeiten herausfinden, die wir bis dato nur erahnen, und sie bei der Betriebsführung in unterschiedlichen Umgebungen nachweisen“, sagt Prof. Dr. Schulte. Vielleicht müsse das eine oder andere elektronische Bauteil größer dimensioniert oder aus besseren Materialien gefertigt werden, um der Belastung länger standzuhalten, denkt er laut nach. Dies gelte es zu untersuchen und dabei reguläre Betriebsdaten aus PV-Kraftwerken einzubeziehen, um möglichst allgemeine und herstellerunspezifische Kriterien definieren zu können.

Die Energiewende könnte schneller vorankommen

Wenn auch für PV-Wechselrichter wie schon für Windenergieanlagen wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse vorliegen, welche Komponente wann, unter welchen Umständen, warum und wie schnell versagt bzw. zum Ausfall der Solaranlage führt, könnte im Verbund mit der Erweiterung der Software, die bereits heute in Wechselrichtern verbaut ist, ein umfassendes Monitoring inklusive Fehlerfrüherkennung, in der Fachsprache „predictive maintenance“ genannt, basierend auf Methoden des maschinellen Lernens entstehen. „Betreiber könnten Wartungsarbeiten besser timen, Einspeiseunterbrechungen minimieren, Folgefehler vermeiden und Reparaturkosten senken“, zählt Prof. Dr. Schulte die positiven Effekte auf. Sie würden dazu beitragen, dass die überfällige Energiewende schneller vorankommt.