Offene Gespräche, neue Ideen und ein konstruktiver Austausch
Es war eine bunte Truppe von HTW-Wissenschaftler*innen, die sich im brandenburgischen Dörfchen Boltenhof eingefunden hatte, um zwei Tage zu denken und zu debattieren, zu entdecken und zu entwickeln, aber auch zu lachen und zu laufen. Mathematik gesellte sich zu Recht, Maschinenbau zu Informatik, noch einmal Informatik zu Facility Management, Interaction Design zu Service Design und noch einmal Facility Management zu Modedesign. Die hochschulweite Einladung, sich als „Researcher in Residence“ zu begeben, hatte Prof. Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring, Vizepräsidentin für Forschung und Transfer, ausgesprochen, gleichzeitig Ideengeberin des noch jungen Formats, das die Zusammenarbeit über Fachbereichsgrenzen hinweg stärken und Entfaltungsmöglichkeiten für Interdisziplinarität schaffen will.
Zehn Wissenschaftler*innen in fünf Teams
Gut gelaunt und mit großer Neugier auf und Offenheit für die Kolleg*innen und deren Disziplinen waren die HTW-Professor*innen auf Gut Boltenhof gekommen, dessen Anlage zu den wenigen in Brandenburg gehört, die noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten sind. Anders als bei der Premiere des Formats im Jahr 2021 waren es 2022 zehn Wissenschaftler*innen, die sich in Teams mit konkreten Themen und Projektideen beworben hatten, die sie während des Aufenthalts voranzubringen gedachten. Was tagsüber entstand, wurde abends reihum präsentiert. So bleiben die Kleingruppen nicht unter sich, sondern alle erfuhren von den Überlegungen, die zur Rechten und Linken angestellt wurden.
Konzept für einen neuen Masterstudiengang
Prof. Alexander Müller-Rakow und Prof. Daniela Hensel aus dem Studiengang Kommunikationsdesign holten Feedback ein zu ihrem Konzept für einen neuen, konsekutiven Masterstudiengang mit dem Arbeitstitel „Public Design“. Welche Kompetenzen sollen vermittelt werden, welche Formate eignen sich, welche Themenfelder dürfen nicht fehlen, und last but not least: Wer sieht welche Kooperationspotenziale? Antworten auf die Fragen kamen postwendend, auch Erfahrungsberichte aus anderen Studiengängen, die beiden Professor*innen notierten aufmerksam.
Künstliche Intelligenz für die Kardiologiepraxis
Prof. Dr. Lucy Weggler und Prof. Dr. Kristoff Ritlewski berichteten von ihrer Vision, Künstliche Intelligenz in der Medizin einzusetzen. Die Mathematikerin beanspruchte mit komplexen Gleichungen die volle Konzentration der Runde, gleiches galt für den Juristen, der die Verarbeitung der mathematischen Modelle durch eine künstliche Intelligenz in einem Medizinprodukt aus rechtlicher Sicht bewertet. Die Überlegungen, Patientendaten von Elektrokardiogrammen (EKG) mithilfe von IT auszuwerten und Diagnosen zu größerer Präzision zu verhelfen, werden sie gemeinsam mit dem Gesundheitsinformatiker Prof. Dr. Piotr Dabrowski fortsetzen.
Konfliktmanagement in studentischen Teams
Prof. Dr. Juliane Siegeris und Prof. Dr. Anja Pfennig nutzten die Zeit, um Aufgabenstellung, Leitfragen und Templates für ein gemeinsames Pilotprojekt voranzubringen, das sich dem Thema „Konfliktmanagement in studentischen Teams“ widmet. Dass beide für „Didaktik brennen“, wie sie sagen, hatten die Professorin aus dem Studiengang Informatik und Wirtschaft sowie ihre Kollegin aus dem Studiengang Maschinenbau eher durch Zufall herausgefunden. Die Runde hörte interessiert zu und fragte neugierig nach, schließlich steht jede_r Professor*in in der Hochschullehre vor der Herausforderung, studentisches Teambuilding zu managen.
Wie weiter mit dem Cluster "Sustainable Smart City"?
Prof. Dr. Katja Ninnemann und Prof. Dr. Thomas Schwotzer zogen eine Zwischenbilanz für das 2021 gegründete Forschungscluster „Sustainable Smart City“. Die Euphorie sei inzwischen verflogen, doch das enorme Potenzial des einzigen HTW-Clusters, in dem Professor*innen aus allen Fachbereichen vertreten sind, dürfe nicht ungenutzt bleiben, lautete ihr leidenschaftliches Plädoyer. Wie kann aus vielen Einzelkämpfer*innen ein Team werden, wie gelingt es tatsächlich interdisziplinär zu forschen, trotz des an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sehr knappen Zeitbudgets für Forschung überhaupt? Auch darüber wurde intensiv diskutiert.
Von Kooperationen und Interdisziplinarität
Prof. Horst Fetzer und Prof. Dr. Regina Zeitner stellten zu guter Letzt die Ergebnisse der beiden Befragungen vor, die sie vor Ort unter den Researchern gemacht hatten. Wer mit welcher Motivation und mit welchem Erfolg interdisziplinäre Projekte in der Lehre anbietet, wie Kooperationen auf den Weg bringt und welche Hürden dabei genommen hat – die Antworten auf insgesamt zehn Fragen boten genügend Stoff für eine höchst angeregte Debatte, die nur deshalb ein Ende fand, weil das gemeinsame Abendessen pünktlich einzunehmen war. Überhaupt zeichneten sich sämtliche Diskussionen auf Gut Boltenhof durch großes Engagement aus, Offenheit sowie die Bereitschaft, einander zuzuhören und konstruktive Beiträge zu leisten.
Impulse und Anregungen für die ganze Hochschule
Davon profitierten nicht zuletzt auch Prof. Dr. Molthagen-Schnöring, ihre Referentin Maria Schmidt und Dr. Lena Simon als Leiterin des Kooperationszentrums Wissenschaft-Praxis (KONTAKT), die sich mit ihrem Team im Tagesgeschäft um Forschung und Transfer kümmert. Auch sie waren auf Gut Boltenhof dabei. Beim abschließenden Frühstück am Samstagmorgen waren sich alle Teilnehmer*innen einig, als Researcher in Residence nicht nur die eigenen Themen vorangebracht zu haben, sondern auch Impulse und Anregungen für die ganze Hochschule mitnehmen zu können.