Karsten Blech
Karsten Blech
Man kann ihn durchaus als Urgestein der Hochschule bezeichnen. Denn Karsten Blech leitete nicht nur seit ziemlich genau 30 Jahren die Zentraleinrichtung Fremdsprachen der HTW Berlin. Er lehrte sogar schon als Dozent im Fremdspracheninstitut der Hochschule für Ökonomie in der ehemaligen DDR, auf deren Campus Treskowallee die HTW Berlin heute zuhause ist. Doch diese Tätigkeit endete abrupt, als der studierte Übersetzer und Dolmetscher für Englisch und Russisch 1986 einen Ausreiseantrag stellte und daraufhin die Kündigung erhielt. Nach dem Mauerfall führte der Weg zurück an die HTW Berlin über eine Referentenposition beim Rektor der „FHTW in Gründung“, wie die Hochschule in den ersten Jahren hieß. Wir haben Karsten Blech anlässlich des Europäischen Tags der Sprachen am 26. September um ein Interview gebeten.
Sprachen sind wichtiger denn je. Sie bereuen Ihre Berufswahl sicher nicht?
Karsten Blech: Nein, keine Sekunde. Und eine Sprache zu lehren macht mir heute noch so viel Spaß wie am ersten Tag. Ich freue mich, dass mir in meinem Spezialgebiet „Business English“ mit dem Schwerpunkt Europäische Union die aktuellen Themen wahrlich nicht ausgehen. Die Finanzkrise, der lange Brexit-Prozess, das Dublin-Abkommen etc. Da tut sich ja ständig etwas Neues und dafür gibt es naturgemäß auch kein Lehrbuch. Meist arbeite ich mit „The Economist“, dem meines Erachtens weltweit führenden Wirtschaftsmagazin.
Sie stehen auch an der Spitze der Zentraleinrichtung Fremdsprachen. Was bedeutet das?
Unter dem Dach der ZE Fremdsprachen sind 20 Dozent*innen tätig sowie zwischen 55 und 60 Lehrbeauftragte. Wir bieten pro Semester beinahe 200 Kurse in acht Spachen an, an denen zuletzt 4400 Studierende teilgenommen haben. Die meisten von ihnen, nämlich knapp 75 Prozent, lernen Englisch. Wichtig ist auch Deutsch als Fremdsprache (elf Prozent), gefolgt von Spanisch (sieben Prozent) und Französisch (vier Prozent). Auf den weiteren Plätzen rangieren Russisch, Italienisch, Japanisch und Arabisch.
Auf welchem Niveau finden die Sprachkurse statt?
Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Deutsch kann man auf vier Stufen bis zur Oberstufe (GER C1/C2) auf Fachsprachenniveau lernen, und zwar in den Fachrichtungen Wirtschaft, Technik, Informatik und Design. In den ersten vier Sprachen verfügen wir über das begehrte UNIcert-Zertifikat, also über das Qualitätssiegel für die Fremdsprachenausbildung an Hochschulen schlechthin. Daneben stehen weitere Akkreditierungen für international anerkannte Sprachzertifikate für die an der ZE Fremdsprachen gehaltenen Qualitätsstandards: DSH (Deutsch als Fremdsprache), TOEIC (Englisch), TORFL (Russisch) und DFP (Französisch). Dass unsere Studierenden das Sprachenangebot sehr zu schätzen wissen, davon künden die seit Jahren außerordentlich guten Ergebnisse in der studentischen Lehrevaluation.
Machen Ihnen webbasierte Sprachlernprogramme wie Babble Konkurrenz?
Überhaupt nicht. Erstens lehren wir die besagten Fremdsprachen als Fachsprachen, wie sie die Studierenden später im Beruf benötigen, also nicht für die Kommunikation im Alltag oder im Restaurant. Zweitens braucht man für den Erwerb einer Sprache eiserne Selbstdisziplin. Und ich habe große Zweifel, ob das mit dem Computer gelingt. Im Corona-Lockdown, wo es keine Alternative zum digitalen Lernen gab, konnten auch wir in der Zentraleinrichtung Fremdsprachen einen Schwund an Kursteilnehmer*innen beobachten. Meine Erfahrung aus vielen Jahrzehnten: Eine Sprache lernt man am Besten in der Gruppe, also face to face. Denn man profitiert auch von den Fehlern und Lernprozessen der anderen, vom größeren Spaß und der freundschaftlichen Atmosphäre ganz zu schweigen. Übrigens halte ich Sprachlernprogramme auch in punkto Phonetik für unzureichend. Sie sprechen zwar und bekommen eine Rückmeldung, zu wie viel Prozent das mit der richtigen Aussprache übereinstimmt. Aber Sie erfahren nicht, was genau Sie falsch gemacht haben bzw. wie sie es besser machen können.
Am 1. Oktober 2022 beginnt Ihr Ruhestand. Was kommt dann?
Vielleicht wundern Sie sich jetzt, aber ich werde tatsächlich eine neue Sprache lernen, nämlich Neu-Griechisch. Aber nur für den Privatgebrauch, denn in Griechenland bin ich gerne und regelmäßig. Mein Anspruch ist es, zu verstehen, was am Nebentisch gequatscht wird. Das kriege ich in vielen europäischen Sprachen sehr gut hin, aber im Griechischen ist noch Luft nach oben.
Die Fragen stellte Gisela Hüttinger, Transfer- und Projektkommunikation
Fotos HTW Berlin/Alexander Rentsch
Berlin, 26. September 2022