"Online-Lehre ist lebhafter, als ich gedacht habe."

Dorothee Haffner ist Professorin im Studiengang Museumskunde. Gemeinsam mit ihren Kolleg_innen sieht sie sich mit der Herausforderung konfrontiert, in diesem Semester ganz ohne persönlichen Kontakt zu ihren Studierenden zu unterrichten. Erfahren Sie im Interview, wie sie die bisherige Online-Lehre empfunden und welche guten Erfahrungen sie mit den ersten Open-Book-Klausuren gemacht hat.

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Kurzinterview

Wie sind Ihre Erfahrungen bei der Umstellung von Präsenz- auf Online-Lehrangebote?
Zu Beginn habe ich meine Vorlesungsinhalte mit Hilfe vertonter PowerPoint-Folien bereitgestellt. Ich habe aber schnell gemerkt, dass diese Form von Vermittlung nicht so gut funktioniert, und die Studierenden haben auch schnell gesagt, dass sie lieber Live-Vorlesungen haben möchten. Daher bin ich nach zwei Wochen auf ein Format umgestiegen, bei dem regelmäßige Online-Veranstaltungen im Mittelpunkt stehen. Ich schneide diese Veranstaltungen mit und stelle die Aufzeichnungen für alle Studierenden über unsere Lernplattform zur Verfügung. Das funktioniert aus meiner Sicht ziemlich gut. Ein großes Problem ist es für mich, Übungen, also praktische Lehre am Objekt zu kompensieren. Das fällt im Moment leider weitgehend weg.

Haben Sie Ideen, wie Sie dieses Problem angehen könnten?
Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, wie wir Übungen oder Arbeiten im Labor durch Online-Angebote ersetzen oder wenigstens halbwegs ausgleichen sollen. Übungen mit Museumssoftware sind dank webbasierter Systeme gut möglich, und das setze ich auch ein. Aber die Einzelbetreuung beim Erlernen von Programmen ist schwierig. Und Dinge zu begreifen, in 3D zu erfahren, das ist ein ganz anderes Level an Erfahrung. Als praktisch orientierte Hochschule ist das ja gerade eine unserer Kernkompetenzen. Ich habe gerade erst mit einem Studenten gesprochen, der sich genau aus diesem Grund für ein Studium an der HTW Berlin entschieden hat.

Viele Ihrer Kolleg_innen beschreiben, dass sie sich aktuell von Woche zu Woche vorbereiten, da sie mit der Produktion von Materialien und deren Bereitstellung viel zu tun haben. Wie ist die Situation bei Ihnen?
Das ist bei mir auch so. Ich habe gut damit zu tun, meine Inhalte auf die Online-Lehre umzustellen und in Moodle einzuarbeiten, und ich entdecke gerade, welche Möglichkeiten dieses System für die Lehre bietet. Das wusste ich vorher natürlich auch, aber jetzt finde ich endlich die Zeit, alles vorzubereiten, da durch fehlende Anfahrtswege zur Hochschule und weniger Drumherum endlich mehr Zeit für die Lehre bleibt. Und auch meine Online-Vorlesungen werden hoffentlich immer besser. Ich arbeite nun mit Breakout-Sessions für Gruppenarbeiten und verwende manchmal interaktive Umfragen, um das Wissen der Studierenden in meine Lehre einfließen zu lassen. Im Grunde arbeite ich mich wirklich von Woche zu Woche vor und sehe: Da ist noch viel mehr möglich.

Wie ist in Ihren Veranstaltungen die Beteiligung der Studierenden?
Ich sehe da nur wenige Unterschiede im Vergleich zu meinen bisherigen Präsenzveranstaltungen. Dort waren bei 40 Anwesenden meist nur etwa fünf wirklich an Gesprächen beteiligt. Jetzt ist es so, dass sich auch nur etwa diese Zahl beteiligt. Das ist für mich in Ordnung. Ich verzichte außerdem auf die Kontrolle von Anwesenheiten, weil ich der Meinung bin, dass viele Studierenden genug damit beschäftigt sind, ihren Alltag zu organisieren. Da muss ich denen nicht auch noch Druck machen und setze lieber auf Möglichkeiten, die Lehre asynchron zu gestalten. Alles in allem empfinde ich die Online-Lehre als lebhafter, als ich vorher gedacht hatte.

Sind Sie für das Online-Semester auf neue Prüfungsformen umgestiegen?
Bisher habe ich in den Veranstaltungen, in denen es um Grundlagen geht, klassische Klausuren schreiben lassen. In Seminaren lag der Fokus auf Haus- und Gruppenarbeiten. Gerade Hausarbeiten oder Präsentationen funktionieren in Online-Umgebungen im Grunde genauso. Was die Klausuren angeht, habe ich Ende des Wintersemesters auf Open-Book-Prüfungen umgestellt. Seitdem können die Studierenden alle Notizen und Literatur verwenden. Mich hat das gezwungen, meine Prüfungen mehr auf Fallbeispiele und Transferaufgaben umzustellen. Das hatte ich schon länger vor. Durch Corona konnte ich das nun auch umsetzen. Das Interessante dabei war, dass die Umstellung auf dieses Format nicht dazu geführt hat, dass alle eine 1 bekommen. Die Notenverteilung ist überraschenderweise ähnlich geblieben.

Begleiten Sie Ihre Studierenden aktiv bei Gruppenarbeiten in Online-Umgebungen?
Gemeinsam mit meinem Kollegen, Tobias Nettke, begleite ich in einem Projektseminar Studierende bei ihren Gruppenarbeiten. Dabei setzen wir auf eine Kombination aus regelmäßigen Treffen mit allen Beteiligten und wöchentlichen Konsultationsterminen mit einzelnen Gruppen. So können wir trotz der Entfernung hoffentlich eine gute Betreuung, zum Beispiel bei der Konzeptentwicklung oder Umsetzung von Ideen, bieten. Besonders gut hat funktioniert, dass mein Kollege für jede Gruppe einen eigenen BigBlueButton-Raum eingerichtet hat. Unsere Studierenden können sich darin eigenständig abstimmen, ohne dass wir uns als Lehrende dazwischenschalten müssen.

Wenn Sie an das Wintersemester denken: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Ihre Lehre?
Mir fehlt ganz eindeutig der persönliche Kontakt zu meinen Studierenden. Die Geste, das Nicken, wenn ich eine Vorlesung halte, die Gespräche am Rande. Das alles ist in Online-Umgebungen schon eine Art schwarzes Loch. Und natürlich müssen wir einen Weg finden, unsere Übungen und damit die praktische Arbeit wieder aufzunehmen. Wenn es dafür keine Lösung gibt, werden wir wohl einzelne Module schieben müssen.