24 Enden und ein Unheil

Team von "Ernas Unheil"

Wer hat sie als Kind nicht gern gelesen und gehört, die Abenteuergeschichten von den „Fünf Freunden“, den „Drei ???“ oder „TKKG“? Mitgefiebert hat auf jeden Fall Lisa, die den Studiengang Game Design an der HTW Berlin studiert. Als im vierten Studiensemester Ideen für ein großes Praxisprojekt gesucht wurden, war ihr schnell klar, dass sie ein Abenteuerspiel entwickeln wollte. In Zusammenarbeit mit ihren Kommilitoninnen Talea, Jessica und Olga entstand so „Ernas Unheil“ — Ein Augmented-Reality-Buch mit einer Gruselgeschichte für Kinder, in der sich der Hund des Ich-Erzählers in einem verlassenen Haus verirrt und gerettet werden muss. Jetzt hat “Ernas Unheil” den Deutschen Computerspielpreis gewonnen.

Ein Buch ist nicht genug

Ihre Geschichte erzählen Lisa, Talea, Jessica und Olga nicht nur in einem Kinderbuch. Zu „Ernas Unheil“ gehört auch eine App, mit der man die Buchseiten scannen kann. Über das Smartphone erhält man so Zugriff auf weitere Bereiche der Illustrationen, kann darin mit Gegenständen interagieren und weitere Informationen finden. Diese Symbiose von Buch und App nennt man „Augmented Reality“ (erweiterte Realität).

Mehrere Wege führen zum Ziel

„Wir wollten ein interaktives Abenteuerbuch entwickeln, bei dem die Kinder selbst am Ausgang der Geschichte mitwirken können“, erklärt Talea. Die Leser_innen werden so immer wieder vor Entscheidungsaufgaben und Rätsel gestellt und müssen Hinweise zu deren Lösung finden. Je nachdem, wie gut sich das Kind anstellt, gelangt es dann zu einem der insgesamt 24 verschiedenen Enden. Wer nur das Buch liest, versteht die Geschichte nicht. Denn manchmal weist einen die App an, auf einer ganz anderen Seite weiterzulesen. „Mit dieser Symbiose aus Buch und App möchten wir das Interesse von Kindern an Büchern neu wecken“, erklärt Lisa.

Learning by doing

Im gesamten Studium absolvieren die Game-Design-Studierenden mehrere Projekte. Dabei entwickeln und realisieren sie im Team komplette Spielkonzepte. Eng begleitet werden sie dabei von Susanne Brandhorst, Professorin im Studiengang Game Design. Viel Wissens erarbeiten sie sich aber auch selbst. „Wir mussten für unser Projekt zum Beispiel eine Möglichkeit finden, die illustrierten Buchseiten durch eine App erkennen zu lassen“, erzählt Talea. Nach viel Recherche und einer Menge Tests entschieden sie sich letztlich für ein Plugin. „Die Wahl der technischen Umsetzung machte dann auch klarer, wie wir das Buch visuell gestalten müssen“, meint Lisa. Denn damit das Plugin einwandfrei funktioniert, müssen die Illustrationen genügend Kontraste aufweisen. Trotzdem war es zunächst gar nicht so einfach, einen gemeinsamen Gestaltungsstil zu finden. Immerhin gibt es mit Jessica, Olga und Lisa drei Art-Designerinnen im Team. „Wir haben uns dann für einen gestuften Prozess entschieden. Olga hat zunächst Vorlagen erstellt, die Jessica dann koloriert hat. Ich habe daneben kleinere Illustrationen gemacht, die einige Buchseiten zieren“, erzählt Lisa.

Es soll ja nicht langweilig werden

Talea hat sich dagegen mit dem Schreiben der Geschichte beschäftigt. Auch das Formulieren der Rätsel und Texte für Kinder zwischen 10 und 12 Jahren dauerte seine Zeit. „Wir wollten die Rätsel nicht zu einfach machen, die Kinder können meist sehr gut mit der Technik umgehen und finden versteckte Hinweise sehr schnell“, meint Lisa. Auch wenn die Story nun steht und das Spielprinzip funktioniert, müssen noch viele Elemente und Seiten erstellt werden. Unterstützt wird das Team seit einigen Monaten von Aileen, die Talea bei der Programmierung der App hilft.

Ausgezeichnete Aussichten

Einen ersten Erfolg konnten die Fünf mit ihrem Buch schon verbuchen: Sie sind beim „Eyes & Ears Award 2017“ als „New Talents“ ausgezeichnet worden.  Beim Deutschen Computerspielpreis 2018 belegten sie den 1. Platz in der Kategorie “Nachwuchspreis (mit Konzept)“- als einziges Frauenteam im Wettbewerb. Auch die Verlage sind schon jetzt an „Ernas Unheil“ interessiert. „Wir führen einige Gespräche. Wenn wir zu einem guten Ergebnis kommen, möchten wir das Buch gerne publizieren lassen“, meint Lisa. Wenn nicht, will das Team das Buch über Crowdsourcing veröffentlichen.