"Studieren ist etwas komplett anderes als Schule"

Die 16-jährige Ria

"Dare to be different" steht auf Ria Joshis Shirt. Ein Zufall? Wenn man der jungen Frau auf dem Campus Treskowallee begegnet, dann fällt sie zwischen den vielen Studierenden mit internationaler Familiengeschichte kaum auf. Die Berlinerin mit indischen Eltern freut sich, jetzt Studentin im Fach Wirtschaftsrecht zu sein und erkundet nach und nach den Hochschulalltag. Anders als andere Studierende brauchte sie für die Immatrikulation allerdings die Erlaubnis ihrer Eltern, denn Ria Joshi ist noch keine 18 Jahre alt. Mit ihren 16 Jahren ist sie eine der jüngsten Studierenden Berlins. Das liegt daran, dass sie mit fünf Jahren eingeschult wurde, die 8. Klasse übersprungen hat und so nur 11 statt 12 Jahre bis zum Abitur gebraucht hat. Weitere 33 Erstsemester an der HTW Berlin, sind jetzt, zu Beginn ihres Studiums, noch nicht volljährig.

Ria Joshi war sich anfangs unsicher, ob das ein Problem sein würde und wie ältere Kommilitonen reagieren würden. Aber ihre Sorge war unbegründet. "Ich finde die Leute hier supernett, ich wurde mit offenen Armen aufgenommen, auch von den Älteren, die schon Kinder haben. Einige haben bereits andere Fächer studiert". Der Start ins Studienleben wurde ihr leicht gemacht, findet sie: „Die Einführungswoche mit der Campus-Tour war richtig gut geplant. Ich habe innerhalb kürzester Zeit viele andere Leute kennengelernt und finde mich mittlerweile ganz gut zurecht."

Fernsehhelden und Restaurantgäste halfen bei der Studienentscheidung
Warum will ein Teenager ausgerechnet Wirtschaftsrecht studieren? Für Ria Joshi ist das nur folgerichtig. TV-Serien wie "Barbara Salesch" haben vor Jahren ihr Interesse an Themen rund um Recht und Gerechtigkeit geweckt. Damals wollte sie noch Richterin werden und Jura studieren. Doch nach einem Praktikum in einer Bank erschien ihr die Wirtschaftswelt auch spannend.  Ein BWL-Studium konnte sie sich allerdings nicht vorstellen. Wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre, hätte sie nicht sofort studieren brauchen. Doch es gab starke Vorbilder in der Familie: Ria hat zwei ältere Schwestern, die beide an Berliner Universitäten studieren.

Frische Samosas, köstliche Curries und knackiges Papadam hatten schließlich ihren ganz eigenen Anteil an ihrer Studienwahl. Ihre Eltern kamen vor 40 Jahren zum Studium nach Berlin – und wurden Gastronomen. In ihrem Schöneberger Restaurant hilft Ria gelegentlich mit und trifft so Menschen mit den verschiedensten Berufen: Juristen, Bankerinnen, Entwicklungshelferinnen, Unternehmer. Was sie beim Essen über ihren Arbeitsalltag erzählten und die Perspektiven, die sie aufzeigen konnten, waren für Ria Joshi sehr hilfreich. Wirtschaftsrecht kristallisierte sich heraus, ein Bachelor-Studium, das in Berlin nur Fachhochschulen anbieten.

Von dem Gerücht, das Fachhochschulstudium sei weniger angesehen, ließ sie sich nicht abschrecken. Sie besuchte die Studienberatung, recherchierte gründlich in alle Richtungen und befragte Freunde und Bekannte, was sie über die HTW Berlin wüssten. Langsam konnte sich Ria ein Bild machen von einem Leben als Studentin. Dann kam die Zusage.

Heute schon die Zukunft planen
Vor wenigen Tagen hat Ria Joshi ihren ersten Test über "Grundlagen des Rechts" geschrieben. "Den hatte ich mir schwerer vorgestellt", sagt sie angesichts der Zeit, die sie in die Vorbereitung investiert hat. Sie möchte sich von Anfang an reinknien, so viel wie möglich lernen. "Studium ist etwas komplett anderes als Schule, hier geht alles viel schneller. Wir müssen viel zu Hause nacharbeiten. Das finde ich gut, denn wenn man nicht dran bleibt, versteht man spätere Inhalte nicht."

Ria Joshi ist ein Organisationstalent, plant jeden Studientag gründlich. Die Studentin erledigt die Hausaufgaben möglichst sofort, arbeitet sich durch Web-Tutorials und juristische Datenbanken. "Ich mag es strukturiert, das war schon in der Schule so." Vielleicht ist das der Grund, warum sie anders als viele andere Studienanfänger_innen bereits jetzt eine konkrete Vorstellung davon hat, welchen Berufsweg sie einmal einschlagen möchte. Im Auswärtigen Amt möchte sie als Beraterin zum Gelingen der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Indien beitragen.

Das Heimatland ihrer Eltern fasziniert sie, auch wenn sie selbst erst drei Mal dort war. Damit sie sich in dem riesigen Land bei ihrem nächsten Besuch besser verständigen kann, lernt sie gerade dessen komplizierte Schriftsprache. Überhaupt scheint Lernen eines ihrer größten Vergnügen zu sein. Im Moment bringt sie sich mit Hilfe von Youtube das Klavierspielen bei. Wenn sie nicht lernt oder im Restaurant ihrer Eltern aushilft, dann hört sie am liebsten Musik von ihrer indischen Lieblingsband "SANAM" oder schaut sich indische TV-Serien an. Ganz normal für ihr Alter.