Labor statt Lehrbuch

Kein Protokoll, keine Anwesenheitspflicht – dafür Laborluft, Eigenverantwortung und echte Begeisterung. Für seine Lehrveranstaltung zum Thema Elektromagnetische Verträglichkeit im Studiengang Elektrotechnik wurde Prof. Dr.-Ing. Thomas Hücker mit dem Preis für gute Lehre 2025 ausgezeichnet. Im Interview spricht er über seine Philosophie, seine Studierenden und den Mut zur Lücke.
Wie sind Sie zur Lehre gekommen?
Hücker: Ich war Standortleiter bei General Electric – verantwortlich für 750 Mitarbeiter. Aber kurz vor meinem 50. Geburtstag habe ich gemerkt: Das erfüllt mich nicht mehr. Die Arbeit mit jungen Leuten hat mir immer Spaß gemacht, also bin ich in die Lehre gegangen. Das war ein echter Neustart.
Warum ist Praxis beim Thema „Elektromagnetische Verträglichkeit“ so wichtig?
Hücker: Das Thema ist sehr abstrakt und es ist schwer vorstellbar, dass reale Geräte sich nicht immer so verhalten, wie es die Theorie vorhersagt. Das ist der Punkt, an dem meine Lehre ansetzt. Zunächst gibt es eine kurze Vorlesung, um in die Thematik eines Lernabschnitts einzuführen. Danach geht es für mehrere Wochen ins Labor, damit die Studierenden die Problematik selbst erleben und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten können. Aber ich halte nichts von Pflichtprotokollen, Eingangstests und Anwesenheitspflicht. Das erzeugt Druck statt Neugier.
Wie stellen Sie sicher, dass trotz großer Freiheit ein ernsthaftes und kontinuierliches Lernen stattfindet?
Hücker: Die Verantwortung liegt ganz klar bei den Studierenden. Mit Mastergruppen klappt das wunderbar. Ich bin immer im Labor dabei, ansprechbar und unterstütze, wo es nötig ist. Außerdem helfen sich die Studierenden oft gegenseitig. In Moodle gibt es mehrere Termine zur Auswahl, zu denen man sich anmelden kann. So kommt jeder dann, wenn es passt. Am Ende des Semesters gibt es ganz klassisch eine Klausur. Und die guten Ergebnisse zeigen, dass das Konzept aufgeht.
Was raten Sie Lehrenden, die praxisnäher und entspannter unterrichten wollen?
Hücker: Einfach mal den Mut haben, Protokolle und Tests wegzulassen. Vor allem in höheren Semestern, bei motivierten Gruppen. Wenn der Druck raus ist, freuen sich die Studierenden wirklich aufs Labor. Und dann beginnt das echte Lernen.
Was wünschen Sie sich für die Lehre an der HTW Berlin?
Hücker: Aktuell kämpfen wir alle mit Mittelkürzungen. Vorlesungen werden zusammengelegt, Stellen nicht nachbesetzt. Langfristig werden dadurch Kompetenzen verloren gehen und das wird noch viel zu wenig thematisiert. Ich wünsche mir, dass wir diese Entwicklungen bewusster angehen. Denn gute Lehre braucht Raum, Zeit – und Menschen.
Beratung für Lehrende
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