Beratung in Sachen Diversity, Equity und Inclusion
Man könnte es eine Tournee in Sachen Diversity, Equity und Inclusion nennen, die Prof. Dr. Martin Klaffke in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 in Lateinamerika absolvierte. Auch der Auftritt auf einer Bühne gehörte dazu, allerdings befand sich die an der Universität Javeriana im kolumbianischen Cali, und das Publikum setzte sich aus Hochschulangehörigen zusammen, für die der HTW-Wissenschaftler einen Vortrag rund um Diversität und Generationengerechtigkeit hielt. Bereits zum zweiten Mal war der Experte für Personal und Organisation aus dem Fachbereich 3 während seines Forschungssemesters im Auftrag des Internationalen Instituts des Deutschen Volkshochschulverbands (DVV International) unterwegs. Ging es 2023 in Laos um den Aktionsplan für das Lebenslange Lernen und die Lehrerausbildung, lag der Schwerpunkt nun auf den Themen Diversity, Equity und Inclusion. Im Interview erzählt Prof. Dr. Klaffke mehr über seine Aktivitäten in Südamerika. Wir führen das Gespräch an einem Nachmittag kurz vor seiner Rückreise nach Deutschland; in Bogota ist es noch früh am Morgen.
Die letzten drei Monate im Zeitraffer bitte!
Prof. Dr. Martin Klaffke: Ziel des Forschungssemesters war es, meine berufspraktischen Kenntnisse zu aktualisieren. Dafür habe ich zuallererst mein Spanisch aufgefrischt. Denn ich wollte nicht immer auf einen Dolmetscher angewiesen sein, sondern mit den Menschen auch direkt kommunizieren. Das schafft größere Nähe und kulturelles Verständnis. Erst dann stieg ich in die Projektarbeit ein.
An der Universität für Erziehungswissenschaften in Cuenca (Ecuador) ging es darum, Gender- und Diversity-Aspekte stärker in die Studiengänge und in die Hochschule zu integrieren. In Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens, arbeitete ich als Berater im Projekt „Nuevas Masculinidades“ bzw. „Neue Männlichkeit“. Dessen Ziel ist es, durch einen Wandel tradierter Geschlechterrollen genderbezogene Gewalt zu bekämpfen, Teilhabe von Frauen zu fördern und - nicht zuletzt – Fürsorge-Kompetenzen von Männern zu stärken. Im Südwesten Kolumbiens stand die nachhaltige Friedenssicherung im Fokus. Dort werden mit Begleitung der Universität Javeriana ehemalige Kombattant*innen der Guerilla-Organisation FARC als Kleinbauern in ländliche Gemeinschaften reintegriert. In Quito, der Hauptstadt Ecuadors, habe ich mich schließlich einige Tage aufgehalten, um das Regionalbüro Südamerika von DVV International bei der Erarbeitung einer Strategie zur Förderung von Gender Diversity zu unterstützen.
Worin genau bestand Ihr Beitrag?
Fangen wir mit dem Projekt zum Friedensaufbau nach dem kolumbianischen Bürgerkrieg an: Als Berater von DVV habe ich mit Projektverantwortlichen und Ex-Kämpfern diskutiert, wie der Friedensprozess weiteres Momentum erhalten kann. Wir sprachen beispielsweise über Agrarreformen zur gerechteren Verteilung des Landes, über die Kommerzialisierung der landwirtschaftlichen Produkte oder über Perspektiven für die Jugend. Letztere sind besonders wichtig, um zu verhindern, dass junge Menschen ins illegale Drogengeschäft abgleiten.
An der Universität in Cuenca habe ich meine Expertise im Bereich Studiengangentwicklung eingebracht. Welche Qualifikationen sollten angesichts von absehbaren Veränderungen in der Arbeitswelt vermittelt werden? Wie lassen sich die Aspekte Diversity, Equity und Inclusion in die einzelnen Module integrieren, und wie gewichtet man sie?
Im Projekt „Nuevas Masculinidades“ ging es in einer Vielzahl an Gesprächen, Workshops und Diskussionen um Strategie-Entwicklung. Ich konnte die Akteur*innen unter anderem dafür sensibilisieren, den „Macho“-Mann nicht (nur) als Problem wahrzunehmen, sondern sein Herz für den gewünschten Rollen- bzw. Verhaltenswandel zu gewinnen; auch das hilft dabei, die Situation von Frauen zu verbessern. Und ich plädierte dafür, stärker nach Altersgruppen zu differenzieren. Denn junge Kolumbianer*innen setzen sich in der Schule intensiv mit Gender-Themen auseinander, wie ein Interview deutlich zeigte, um das mich die Macher*innen eines Schulradio gebeten hatten. Die jungen Leute verabschieden sich zunehmend von Geschlechterstereotypen.
Das war ein sehr breites Themenspektrum!
Inhaltlich fallen die Fragestellungen in mein wissenschaftliches Fachgebiet Organisation & Personalmanagement. Ich agiere als Seniorberater, wie früher als Projektmanager bei der Top Management-Beratung Roland Berger, wo ich Methoden und Werkzeuge erlernt habe. Was ist die Zielsetzung, welche Kriterien müssen beachtet werden, welche Maßnahmen sind möglich, wer kann sie mit welchen Ressourcen umsetzen, welche Effekte werden voraussichtlich entstehen? Bei den Themen Diversity, Equity und Inclusion tickt die community bisweilen anders als bei der Restrukturierung eines Unternehmens in der Krise. Es gibt mehr Zeit und Raum, um Fragen zu stellen, alle Stimmen zu hören und Perspektiven abzugleichen. Aber das grundlegende Handwerkszeug ist dasselbe, und die Atmosphäre für den Berater angenehmer.
Sind Sie zufrieden mit den Resultaten?
Zwischendurch kam mir die Frage, ob ich in der kurzen Zeit noch mehr hätte erreichen können. Doch die vielfältigen Rückmeldungen zeigten eine hohe Wertschätzung vor allem für mein systematisches Vorgehen und meine Anregungen, beispielsweise bei der Sensibilisierung auf Influencer zu setzen oder neue Medien für die Vermittlung von Fürsorgekompetenzen zu nutzen. Gut Ding will eben oftmals Weile haben.
Was motiviert Sie bei solchen Aktivitäten?
Die Erfahrungen sind wertvoll für meine Lehrveranstaltungen, und das in zweifacher Hinsicht. Erstens wird die Lehre durch eingängige Beispiele lebendiger. Zweitens merken die Studierenden, dass ich kein Wissenschaftler im Elfenbeinturm bin, sondern ein Hochschullehrer, der regelmäßig in der Welt unterwegs ist und dessen Problemlösungs-Kompetenz von der Praxis nachgefragt wird. Das schafft Glaubwürdigkeit.
Persönlich bin ich einfach bestrebt, dazuzulernen, die Welt besser zu verstehen und einen kleinen Beitrag zu leisten, dass sie gerechter und lebenswert für alle wird. Last but not least: Betrachtet man die aktuelle geopolitische Lage, kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass sich die Welt in großen Turbulenzen befindet. Gerade die Themen Diversity, Equity und Inclusion sind zuletzt massiv unter Druck geraten. Wer hätte denn jemals gedacht, dass ausgerechnet die USA mit ihrer Civil Rights-Tradition hier eine Kehrtwende vollziehen? Wichtiger denn je ist es daher, argumentativ aufzuzeigen, wie ein strategisch ausgerichtetes Diversity Management sowohl zum Erfolg einer innovationsstarken Organisation beiträgt als auch die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt.
Was hat sie in Kolumbien und Ecuador besonders beeindruckt?
Die viel gerühmte Latinofröhlichkeit. Ungeachtet des Reichtums Kolumbiens an natürlichen Ressourcen und Biodiversität leben die meisten Menschen unter herausfordernden Bedingungen: Weite Teile der Bevölkerung sind von Armut betroffen sowie auf dem Land weiterhin Gewalt und Vertreibung ausgesetzt. Trotzdem zeigt sich eine ganz andere Lebensfreude als in Deutschland – vielleicht, weil die Menschen hier das Wenige wertschätzen, das sie haben, anstatt sich auf das zu fokussieren, was ihnen fehlt.