Yvonne Schoper
Yvonne Schoper
Prof. Dr. Yvonne Schoper (1965 - 2023) lehrte und forschte von 2014 bis 2023 an der HTW Berlin. Sie war im Fachbereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (FB 3) zuhause. Als Expertin für internationales Projektmanagement beschäftigte sich die Wissenschaftlerin mit internationalen Projekten. Bevor sie an die Hochschule kam, verantwortete Yvonne Schoper diverse internationale Automobilentwicklungsprojekte bei einem bayerischen Automobilhersteller. Sie leitete mehrere internationale Projektmanagement-Studien und eine richtete Reihe von internationalen Forschungskonferenzen aus.
Worauf kommt es bei internationalen Projekten an?
Im Gegensatz zu nationalen Projekten müssen bei internationalen Projekten deutlich mehr Faktoren berücksichtigt werden: ökonomische Rahmenbedingungen wie Unterschiede bei Löhnen und Gehältern sowie Wechselkurs- und Kaufkraftunterschiede oder die im jeweiligen Land vorherrschende Wirtschaftsform, rechtliche Faktoren wie Gesetze, Normen und Vorschriften und Datenschutz, aber auch politische Rahmenbedingungen wie die Regierungsform, das Bildungssystem, aber auch der freie Zugang zu Social Media Plattformen, technologische Rahmenbedingungen wie die Verfügbarkeit von lokalen Servern oder HighSpeed Internet und natürlich die sozio-kulturellen Faktoren wie Kultur, Arbeitsmoral, Mentalität, Umgang mit Macht und Hierarchie, Motivation und Sprache der Teammitglieder, aber auch Zeitverschiebungen. Das macht internationale Projekte so spannend und vielfältig.
Warum dauern große Projekte immer länger?
Projekte sind per definitionem einmalige Vorhaben, also das Gegenteil von Routinetätigkeit. Gerade Großprojekte wie der Bau der neuen Stromtrasse durch Deutschland, einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke, oder große IT-Projekte wie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung oder der Schulen haben mit einer Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften, völlig unterschiedlichen Stakeholdern, mannigfaltigen Technologien und mit dementsprechend vielen Risiken zu tun. Dadurch nimmt die Komplexität überproportional zu. Um diese Komplexität zu beherrschen, muss ein Projekt sorgfältig geplant, alle Risiken im Vorfeld analysiert und mit allen Betroffenen abgestimmt werden, und das kostet Zeit.
Beobachten Sie einen Trend im Projektmanagement?
Allgemein stellen wir überall den Trend der sogenannten „Projektifizierung“ nicht nur der Wirtschaft, sondern zunehmend auch der ganzen Gesellschaft fest. „Projektifizierung“ ist ein Amalgan aus “Projekt” und “Organisationale Transformation” und beschreibt die Diffusion von Projekten als zunehmend normale Form der Unternehmensorganisation. Dieses Phänomen war in den vergangenen 20 Jahren zunächst nur in Unternehmen zu beobachten. Doch inzwischen ist es zunehmend auch in den anderen Bereichen der Gesellschaft zu finden; an Schulen und Universitäten, in der Politik und der Öffentlichen Verwaltung, in der Forschung, im Gesundheitswesen, in Kunst und Kultur, im Ehrenamt, im Sport und Privatleben. Überall werden immer mehr Vorhaben in Projektform durchgeführt.
Kann man Projektmanagement lernen?
Aber ja doch! Projektmanagement ist eine überaus vielseitige Disziplin, die zum einen die klassischen methodisch-technischen Kompetenzen wie Ziel-, Termin- und Budgetplanung und Steuerung beinhaltet, aber auch strategische und Kontext-Kompetenzen wie Umfeld- und Stakeholderanalysen, und schließlich persönliche, soziale Kompetenzen wie Teamführung, Konfliktmanagement, Selbstmanagement oder Verhandlungstechniken. All diese Kompetenzen kann man zunächst durch theoretisches Wissen lernen; um sie am Ende wirklich zu beherrschen, ist allerdings viel praktische Erfahrung erforderlich.
Mit wem würden Sie gern einen Kaffee oder Tee trinken?
Mit Peter Tabichi aus Kenia, der 2019 den Preis als weltbester Lehrer gewonnen hat. Sein Ziel ist es, mit projektbasiertem Lernen insbesondere Mädchen für Naturwissenschaften zu begeistern. Dabei sind seine Rahmenbedingungen im Hinblick auf die technische Ausstattung, schwache Internetverbindung und nur ein Computer für 58 Schüler_innen oder Drogenmissbrauch alles andere als perfekt. Tabichi zeichnet sich durch sein vorbildliches Engagement aus und seinen Glauben an das Talent in jedem/jeder seiner Schüler_innen. Als Lehrer habe er lediglich ihre Neugier, ihr Talent, ihre Intelligenz und ihren Glauben erkannt und gefördert. Ich denke, wir alle können viel von seiner Einstellung lernen.
Was war die größte Herausforderung, die Sie an der HTW Berlin bewältigen mussten?
Ich denke, das war meine Probevorlesung im Jahr 2013 an der HTW Berlin. Ich war neu in Berlin und hatte die Entfernungen komplett unterschätzt. Ich kam wirklich in der allerletzten Minute auf dem Campus an, war entsprechend nervös und musste zeigen, dass ich nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität gut performen kann. Es hat zum Glück gut funktioniert. Aber seitdem plane ich grundsätzlich eine halbe Stunde Puffer nicht nur bei wichtigen Terminen, sondern auch vor meinen Vorlesungen ein.
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Die Fragen stellte Gisela Hüttinger, Transfer- und Projektkommunikation
Fotos: HTW Berlin/Alexander Rentsch
22. April 2021