PCR-Test für Weichtiere, nicht für Corona-Viren
Wenn von einem PCR-Test die Rede ist, denkt man an Corona. Doch Majed Dandal wollte nicht Covid-19-Viren auf die Spur kommen. Das Interesse des Studenten im Studiengang Life Science Engineering galt vielmehr Schnecken, Muscheln und Tintenfischen. Weil deren Vorkommen in Lebensmitteln für Allergiker_innen schwerwiegende Folgen haben kann, hat der 25-jährige in seiner Bachelorarbeit einen PCR-Test entwickelt, mit dem auch winzige Partikel der Weichtiere nachgewiesen werden können. Im Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), wo der HTW-Student seine Abschlussarbeit schrieb, sind die Ergebnisse hoch willkommen. „Die Lebensmittelkontrolle braucht transparente Methoden, um allergene Spezies nachweisen zu können“, sagt die Molekularbiologin Dr. Jutta Zagon, die im BfR das Nationale Referenzlabor für tierische Proteine in Futtermitteln leitet. Majed Dandals Bachelorarbeit ist ein besonders schönes Beispiel für die produktive Zusammenarbeit zwischen der HTW Berlin und dem BfR.
Praktika und Abschlussarbeiten beim BfR sind beliebt
„Unsere Studierenden bewerben sich gerne um Praktika und Abschlussarbeiten beim BfR“, sagt Prof. Dr. Jacqueline Franke, die im Studiengang Life Science Engineering lehrt und Majed Dandals Bachelorarbeit betreut. Denn ordentlich bewerben muss man sich bei der großen und renommierten Bundesbehörde, die für den gesundheitlichen Verbraucherschutz in Deutschland zuständig ist und auch eigene Forschung betreibt. An drei Berliner Standorten beschäftigt sie mehr als 1.000 Menschen.
Erst die Methoden, dann eigene Versuche
Am Standort Jungfernheide des BfR hat Majed Dandal sowohl sein dreimonatiges Pflichtpraktikum absolviert als auch die Versuche für die Bachelorarbeit durchgeführt. „Im Praktikum habe ich erst einmal die Methoden kennengelernt, für die Bachelorarbeit dann eigene Versuche im Labor gemacht und den PCR-Test auch überprüft“, erzählt er. Dabei habe er richtig viel gelernt und sei rundherum hervorragend betreut worden. Auch die technischen Assistentinnen und Assistenten, die im BfR für die Einweisung in die Labore sorgen, hätten ihm tatkräftig zur Seite gestanden.
Auf die DNA kommt es an
Doch wie entwickelt man eigentlich einen PCR-Test? Benötigt wird dafür die DNA, in der die unverwechselbaren Erbinformationen jedes Lebewesen stecken. Im konkreten Fall waren es die schon erwähnten Weichtiere oder Mollusken, wie sie in der Fachsprache genannt werden, die im Kühlschrank des BfR für Majed Dandal bereitlagen. Er extrahierte die DNA und glich sie mit der Datenbank des National Center for Biotechnology Information (NCBI) ab, die weltweit von Molekularbiolog/innen genutzt wird. Sobald klar war, dass es sich um den richtigen Abschnitt der DNA handelt, ließ sich der sogenannte Primer, sprich: eine kleine DNA-Sequenz, für den Test mit Hilfe eines Enzyms vervielfältigen.
Einkauf für die Wissenschaft im Supermarkt
Um herauszufinden, wie valide sein Test ist, also wie genau er über das Vorhandensein von Weichtieren Auskunft gibt, kaufte der angehende Bachelor of Engineering diverse Produkte im Supermarkt ein, ganz so wie es auch Lebensmittelkontrolleure tun, die stichprobenartig überprüfen, ob Hersteller ihren gesetzlichen Nachweispflichten auf den Verpackungen nachkommen. Oder auch Unternehmen, die herausfinden wollen, ob es bei der Herstellung ihrer Produkte ungewollt zu „Kontamination“ kommt, wie es in der Fachsprache heißt. Das ist bei Produktionsprozessen grundsätzlich nicht auszuschließen und genauso gefährlich, denn für Allergiker spielt es keine Rolle, ob Absicht im Spiel ist. “Ich konnte Spuren bis zu einer Grenze von einem Milligramm pro Kilogramm nachweisen“, freut sich Majed Dandal. Und er könne sogar genau sagen, um welche Muschel oder welche Schnecke es sich handelt. Die Tests hat er abgeschlossen, derzeit schreibt er die Bachelorarbeit, auf deren Deckblatt der Titel „Entwicklung und Validierung von PCR-Methoden zum Nachweis von Mollusken-DNA in Lebensmitteln“ stehen wird.
Studierende erweitern das Themenfeld
Dr. Jutta Zagon ist gespannt auf die Ergebnisse. Sie arbeitet gerne mit jungen Leuten zusammen. „Das hält jung“, findet die Molekularbiologin. Durch die studentische Unterstützung könne sie mit ihrem Team außerdem mehr Aufgaben bewältigen als im Tagesgeschäft möglich sei. Gemeinsam denke man sich praxisorientierte Fragestellungen aus, die einen wissenschaftlichen Neuigkeitswert haben und relevant sind. Ein Mangel daran herrscht nicht, denn das Spektrum der Themen, welche die Bundesbehörde abdecken muss, ist groß. Mit gleich mehreren Nationalen Referenzlaboratorien in den Bereichen Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit sowie Lebensmittelhygiene ist das BfR in ein EU-weites Netzwerk zur Verbesserung der Lebensmittelüberwachung eingebunden. Da gibt es genügend Methoden zu entwickeln und zu validieren.
Eine individuelle Betreuung ist wichtig
Immer prüft Dr. Jutta Zagon erst einmal den aktuellen Erkenntnisstand, ehe sie mit Blick auf die studentischen Abschlussarbeiten die Zielstellung, die präzise Aufgabe, ihre Relevanz, einzelne Arbeitsschritte und Literaturhinweise zusammenträgt. Mehr als fünf Studierende kann sie mit ihrem Team deshalb nicht betreuen, nicht zuletzt, weil immer ein/e erfahrene/r Wissenschaftler/in den Hut aufhaben muss.
Themen gibt es via Facebook
Diese inhaltliche Sorgfalt wissen nicht nur die LSE-Studierenden, sondern auch Prof. Dr. Jacqueline Franke zu schätzen. Themen für Abschlussarbeiten kommuniziert die Hochschullehrerin via Facebook. Während der Pandemie war das BfR besonders gefragt, weil seine Labore anders als die vieler Unternehmen nicht verschlossen waren.
Nach dem Bachelor kommt der Master
Majed Dandal will gleich im Anschluss an den Bachelorabschluss den Master an der HTW Berlin in Angriff nehmen. Die Hochschule wurde ihm übrigens von einem Freund empfohlen, der an der HTW Berlin Maschinenbau studiert. Die Entscheidung für den Studiengang Life Science Engineering, bei dem er seine Vorlieben für Biologie und Technik kombinieren kann, hat der 25-jährige noch nie bereut, seit er 2016 aus dem Libanon nach Deutschland kam, ein Jahr Deutsch in Greifswald paukte, dann die Sprachprüfung auf C1-Niveau bestand und dann in Berlin durchstartete. Eine wahrlich beeindruckende Biographie.