Ines Kawgan-Kagan
Ines Kawgan-Kagan
„Die Mobilität der Zukunft muss nicht nur umweltfreundlich sein, sondern auch gerecht“, sagt die Mobilitätsexpertin Dr.-Ing. Ines Kawgan-Kagan. Mit „gerecht“ zielt sie nicht nur auf die Kategorien „Geschlecht“ und „Diversität“, sondern auch auf Barrierefreiheit. Diese Themen will die studierte Verkehrsplanerin und Soziologin mit ihrem noch jungen AEM Institute voranbringen, und zwar mit Unterstützung des InnoTechHub der HTW Berlin. AEM ist ein Akronym und steht für Accessible and Equitable Mobility. Einst wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HTW Berlin, ist Dr.-Ing. Ines Kawgan-Kagan jetzt als Lehrbeauftragte an die Hochschule zurückgekehrt.
Was genau meinen Sie mit „gerechter Mobilität“?
Gerechte Mobilität bedeutet für mich, dass sie inklusiv ist und nicht von vornherein bestimmte Personengruppen ausschließt. Denn seit jeher ist Verkehrsplanung und Gestaltung von Mobilitätsangeboten, seien es Elektroautos oder auch Dienstleistungen wie Car- und Scootersharing, ein eher männlich dominiertes Feld und sie wird sehr technisch betrachtet. Und dann wundern sich Unternehmen, wenn nur Männer die Angebote nutzen. Gerechte Mobilität stellt den Menschen in den Mittelpunkt von (innovativen) Technologien und nicht andersherum. Schließlich sind es die Menschen, die Produkte und Angebote nutzen.
Wie bewerten Sie die Mobilität in Berlin?
Berlin hat einen hervorragenden Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), vor allem im Vergleich zu anderen Ländern oder auch zum ländlichen Raum in Deutschland. Besonders stolz bin ich, dass Berlin als erstes Bundesland ein Mobilitätsgesetz verabschiedet hat, das den ÖPNV sowie den Rad- und Fußverkehr in der Priorität vor dem motorisierten Individualverkehr sieht. Damit ist eine Kehrtwende von der autogerechten Stadt zu einer menschengerechten Stadt in vollem Gange. Es gibt allerdings noch viel zu tun, um die Lebensqualität in Berlin zu verbessern. Genau für die Entwicklung solcher Konzepte sind wir jetzt auch da.
Wie kann Ihr Startup die Entwicklung voranbringen?
Wir unterstützen Unternehmen und Kommunen dabei, nachhaltige Mobilität gerecht und zugänglich zu gestalten. Wir haben so viel Erfahrung und noch mehr Wissen in dem Bereich gesammelt, dass wir diesen wertvollen Input bei der Entscheidungsfindung und bei der Bewertung von Angeboten nutzbar machen. Konkret kann das zum Beispiel die Beratung von Carsharinganbieter_innen zu gender-inklusiven Designs und Features sein, da die Angebote zum größten Teil seit Jahren männliche Kunden anziehen. Daneben unterstützen wir Kommunen zum Beispiel bei der Konzeption von Radverkehrsverbindungen. Und, ganz wichtig: Wir bauen eine E-Learning-Plattform auf, um anderen das Handwerkszeug dafür auch beizubringen.
Welche Unterstützung erhalten Sie von der HTW Berlin?
An der HTW Berlin sind wir im InnoTechTrack zuhause und werden dort als Start-Up ganz hervorragend in der Anfangsphase unterstützt. Wir haben in Workshops und Coachings jede Menge gelernt und ein tolles Mentoring-Tandem mit zwei wundervollen und erfolgreichen Frauen aus unserem Feld organisiert bekommen. Gerade zu Beginn gibt es so viele organisatorische Dinge zu beachten, die mit der eigentlichen Arbeit nur wenig zu tun haben, und gefühlt jedes Mal einen anderen Studienabschluss nötig machen.
Mit wem würden Sie gern einen Kaffee oder Tee trinken?
Darüber habe ich lange nachdenken müssen und immer noch keine Antwort gefunden, die ich nennen wollen würde. Das hängt wohl damit zusammen, dass es für mich nicht DIE EINE Person gibt, die mich sehr so sehr interessiert, dass ich alle anderen vergessen würde. Daher sage ich ganz pragmatisch, dass ich gern einmal in Ruhe (und der Sonne!) mit mir allein einen entspannten Kaffee trinken würde.
Wie schauen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Wir werden nicht nur unseren Laden zum Laufen bringen, sondern auch die Menschen! Ein eher mittelmäßiges Wortspiel, aber dennoch passend. Wir möchten die Verkehrswende aktiv voranbringen in Form von Projekten zu nachhaltigem Verkehr und unser breites Wissen in Form von Online-Trainings weitergeben. Auch das Feld Gender, Diversity und Mobilität hat noch viel zu bieten, was erforscht werden kann. Darauf freuen wir uns sehr!
Die Fragen stellte Gisela Hüttinger, Transfer- und Projektkommunikation
Fotos: Alexander Rentsch
Berlin, 13. Juli 2021