Wie lässt sich Nachhaltigkeit messen?
Geschrieben hat Prof. Dr. Florian Koch schon oft über die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, besser bekannt unter der englischen Bezeichnung „Sustainable Development Goals“ (SDG). Dass sich die ganze Welt, sprich: die Vereinten Nationen (UNO), im Jahr 2015 auf die Verwirklichung dieser Grundsätze einigen konnte, findet der Professor im Studiengang Immobilienwirtschaft der HTW Berlin noch immer bemerkenswert. Keine Armut (SDG 1), kein Hunger (SDG 2), Nachhaltige Städte und Gemeinden (SDG 11), Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13) – die Visionen sind mächtig und sie beeindrucken. Doch welche Maßnahmen sind geeignet, um diese Ziele zu erreichen? Und, nicht minder interessant, wie misst man, ob beispielsweise ein Berliner Stadtbezirk den großen Zielen mit seinen kleinen Maßnahmen näherkommt?
Bezirk bittet um wissenschaftliche Unterstützung
Das ist die Frage, auf die der Bezirk Treptow-Köpenick gerne eine handfeste Antwort hätte. Denn dort empfahl die Bezirksverordnetenversammlung, eine kommunale Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten, die sich an den SDG der UNO und an der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ausrichtet. Weshalb das Bezirksamt in Gestalt von Dennis Lumme, seines Zeichens Koordinator kommunale Entwicklungspolitik, auf Florian Koch zukam und um wissenschaftliche Unterstützung bat. Der war nur zu gerne dazu bereit, ein Monitoringsystem zu entwickeln, das es dem Bezirk und der Öffentlichkeit ermöglicht, den Fortschritt auf dem Weg zur Erreichung der Ziele messbar zu machen. Die Herausforderung, die SDG zu operationalisieren, nahm der studierte Soziologe und Stadtforscher, der seit 2018 an der HTW Berlin lehrt und forscht, mit Freude an.
Welche Indikatoren taugen?
Mit einem Mini-Budget aus dem Forschungsfonds der Hochschule, das für eine studentische Hilfskraft und ihre Recherche reichte, ging es im September 2019 los. Erste Aufgabe: Welche Indikatoren ziehen deutsche Städte heran, um die abstrakten SDG auf kommunaler Ebene zu konkretisieren? Dies herauszufinden war der Job von Sarah Beyer und aufwändiger als gedacht. Die studentische Hilfskraft kam auf 170 Indikatoren, deren Spektrum vom Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern über die Fließwasserqualität bis zur Höhe der Treibhausgasemissionen reichte.
Das Monitoring muss zu den Maßnahmen passen
Das finale Set von Indikatoren wird seit Mai 2020 im Folgeprojekt „Indikatorenset für die Kommunale Nachhaltigkeitsstrategie Treptow-Köpenick“ (INDIKON) entwickelt, für das Florian Koch weitere Fördermittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit akquirierte. Sarah Beyer ist inzwischen als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit von der Partie. Das Projekt INDIKON passt perfekt zu dem Masterstudiengang Integrated Natural Resource Management, welchen sie an der Humboldt Universität abgeschlossen hat. Ebenfalls auf der Agenda des Projekts INDIKON: die Entwicklung eines zu den Maßnahmen passenden Monitoringsystem, das es dem Bezirk und der Öffentlichkeit ermöglicht, den Fortschritt bei der Erreichung der Ziele zu begutachten.
Ein öffentlicher Workshop steht noch aus
Über die konkreten Maßnahmen, die man in Treptow-Köpenick in Angriff nehmen kann, um einen Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung zu leisten, wird noch in Workshops diskutiert. Diese Workshops zu organisieren ist die Aufgabe von Dennis Lumme, seit 2017 Koordinator kommunale Entwicklungspolitik im Bezirk. Die Corona-Krise hat natürlich auch hier Spuren hinterlassen. Ihr fiel der siebte und letzte Workshop zum Opfer, bei dem es um die SDG 7, 8 und 9 gehen sollte. Im März 2020 hatte man beim sechsten Workshop immerhin noch eifrig über die SDG 5 und 10 diskutiert, also darüber, was in Treptow-Köpenick getan werden kann, um Gleichberechtigung sicherzustellen, Ungleichheiten zu beseitigen und weltweit die Nachhaltigkeitsziele voranzubringen.
Bis Ende 2020 soll das Monitoringsystem stehen
Dennis Lumme hofft nun, den letzten Workshop im Sommer über die Bühne zu bringen. Schließlich darf er sich die Maßnahmen nicht im stillen Kämmerlein ausdenken, sondern muss sie gemeinsam mit Bürger_innen und lokalen Akteur_innen entwickeln und diskutieren. Partizipation ist gewollt und Teil der Agenda. Pro SDG soll es drei bis fünf Maßnahmen geben, und diese Maßnahmen sollen nicht ausschließlich von der Verwaltung umgesetzt werden, sondern in Kooperation mit Akteur_innen in der Zivilgesellschaft. Das Monitoring wird dadurch nicht einfacher, doch Florian Koch und Sarah Beyer sind zuversichtlich, dass das System bis Ende 2020 steht und irgendwann zusammen mit der Strategie von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen werden kann.