Lernen mit dem Körper, nicht nur mit dem Kopf
Wirtschaft und Kunst haben nicht viel miteinander zu schaffen, meinen Sie? Weit gefehlt, sagt Prof. Dr. Berit Sandberg. Beide Seiten können viel voneinander lernen, sagt die Professorin für Betriebswirtschaftslehre im Studiengang Public und Nonprofit Management der HTW Berlin, die sich in Forschung und Lehre seit Jahren mit den Schnittstellen zwischen den beiden Disziplinen beschäftigt. In ihrem neuesten Forschungsprojekt widmet sie sich dem Thema „Agile Führung“, zusammen mit wissenschaftlichen und künstlerischen Partner_innen.
Weiterbildungsangebote gibt es viele
Seminare und Bildungsangebote, die einschlägige Kompetenzen vermitteln, gibt es unüberschaubar viele. Wer die Stichworte „Weiterbildung Agile Führung“ bei Google eingibt, bekommt 428.000 Ergebnisse in 0,52 Sekunden. Kein Wunder, denn die Fähigkeit, agil führen zu können, wird von Führungskräften erwartet in einer Zeit, in der sowohl die Wirtschaft als auch der Dritte Sektor von wachsender Komplexität und Dynamik geprägt sind und Kooperationen oft die ganze Welt umspannen. Wer da Projekte stemmen und Innovationen voranbringen will, muss flexibel sein und kreativ, kommunikationsfähig und interkulturell kompetent, außerdem Unsicherheiten aushalten können.
Emotionale und physische Facetten werden unterschätzt
All diese Kompetenzen lassen sich leichter erwerben, wenn Seminare und Workshops nicht nur den Kopf der Teilnehmer_innen ansprechen, sondern den ganzen Körper. Das ist zumindest die Ausgangshypothese im Projekt AL-Pro. Das Akronym steht für Arts-based Learning von Soft Skills im Projektmanagement von Veranstaltungen, sprich: kunstbasiertes Lernen von überfachlichen Kompetenzen. Es geht nicht um die kognitiven Facetten von Leadership, sondern um die emotionalen und physischen: die eigene Präsenz im Raum und in der Organisation, den Aufbau einer nonverbalen Verbindung zum Team und eine persönliche Ausstrahlung, die Authentizität und Souveränität signalisiert. Diese Aspekte werden in der kilometerlange Regale füllenden Managementliteratur fast völlig ausgeblendet und zu Unrecht unterschätzt, kritisiert Prof. Dr. Sandberg.
Eine Regisseurin und ein Choreograph arbeiten mit
Die HTW-Wissenschaftlerin hat für das Projekt AL-Pro kompetente Partner_innen aus Wissenschaft und Praxis ins Boot geholt: die wichtigsten Bildungsträger im Bereich Projektmanagement und Veranstaltungswirtschaft, ihren Kollegen Prof. Dr. Jochen Prümper, Prof. Thomas Sakschewski von der Beuth-Hochschule für Technik sowie zwei künstlerische Partner_innen, nämlich die Regisseurin Dr. Claudia Borowy und den Choreographen Martin Stiefermann.
Erfahrungslernen mit allen Sinnen
Für das Projekt entwickeln die Künstler_innen spezielle Module. Sie werden anders als herkömmliche Weiterbildungsangebote zum Thema Agile Führung nicht allein auf rationale Vermittlung setzen, sondern auf Erfahrungslernen mit allen Sinnen. Dazu gehören Theaterspiele, Improvisation, die physische Recherche im Raum und andere kunstbasierte Methoden. „Die Idee ist“, sagt Prof. Dr. Sandberg, „Menschen nicht nur Fachwissen und Handlungsanweisungen für Agile Führung an die Hand zu geben, sondern sie Leadership mit allen Sinnen verkörpern zu lassen.“
Schauspiel und Tanz inspirieren die Workshops
Die von Schauspiel und Tanz inspirierten Workshops werden evaluiert, um am Ende des auf zwei Jahre angelegten Projekts die Frage zu beantworten, ob kunstbasiertes Training wirkt und inwieweit es anderen Ansätzen sogar überlegen ist. Dazu wird das Team nicht nur die eigenen Workshops untersuchen, sondern auch ausgewählte Seminare der Praxispartner begleiten, Teilnehmer_innen befragen und den Lernerfolg messen. Dass es Corona bedingt nicht nur Präsenzveranstaltungen gibt, sondern auch solche im digitalen Raum, fließt in das Evaluationskonzept gleich mit ein.
Die Evaluation gibt es frei Haus
Der erfreuliche Synergieeffekt für Partner wie die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, die EURAKA, die im Bereich Veranstaltungswirtschaft aus- und weiterbildet, und die Deutsche Event-Akademie: Sie bekommen quasi frei Haus eine Evaluation ihrer Angebote. Das Projekt AL-Pro wird nämlich vom Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin) gefördert.