Laura Tihon
Laura Tihon
Laura Tihon hat Bekleidungstechnik/Konfektion an der HTW Berlin studiert und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin derzeit an ihrer Promotion. Schon während des Studiums entwickelte sie ein besonderes Interesse für intelligente Bekleidung, sogenannte Smart Textiles. Wir stellen sie im Rahmen der Reihe „Transfer im Fokus“ vor.
Verraten Sie uns ein gelungenes Beispiel für intelligente Kleidung!
Ich nenne gleich zwei: Airbag-Systeme für Radfahrende - ich nutze einen solchen Airbag, statt Helm - oder Feuerwehrbekleidung, die während eines Einsatzes Vital- und Umgebungsparameter erfasst und signalisiert, wenn es zur gesundheitlichen Gefährdung kommt. Das sind spannende Beispiele, weil dabei die Funktion von Bekleidung um einen Sicherheitsaspekt erweitert wird. Ich bin überzeugt, dass zahlreiche weitere nutzenschaffende Anwendungen existieren. Markttaugliche Produkte sind jedoch noch eine Ausnahme. Viele gute Ideen scheitern an fehlender Normierung, technischer Umsetzung und Abläufen in der Produktentwicklung. Um das zu ändern, müssen Forschung und Wirtschaft stärker zusammenarbeiten.
Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Promotion?
Ich schaue mir an, wie intelligente Bekleidung entwickelt wird: Vom leuchtenden Shirt über die mit dem Smartphone vernetzte Jacke bis hin zu medizinischen Schutzsystemen. Solche Produkte können nur in interdisziplinären Netzwerken entstehen, da wir Materialien und Systeme zusammenführen, die klassisch einer anderen Produktentwicklung entstammen. Auch wenn oder gerade weil ich nicht von jedem Zukunftsmodell von vernetzter Bekleidung überzeugt bin, möchte ich eine Produktentwicklung ermöglichen, die eine Teilhabe der späteren Nutzer_innen erlaubt. Die Frage ist doch: Welche Produkte werden wirklich gebraucht? Der Fokus meiner Forschungsarbeit liegt daher auf neuen Partizipationsmöglichkeiten für die Produktentwicklung intelligenter Bekleidung. Als konkrete Anwendung betrachte ich Smart Textiles, die zu Erhöhung der Fahrradsicherheit im Straßenverkehr beitragen.
Sie haben auch die globale Produktion im Blick. Warum?
Ganz einfach: weil die Bekleidungswirtschaft global angelegt ist. Betrachten wir z.B. den deutschen Markt. Hier finden wir zwar noch viele Modeunternehmen, doch die Produktion selbst findet nur zu einem sehr geringen Teil in Deutschland statt. Die wichtigsten Importländer für die deutsche Bekleidungswirtschaft sind China, Bangladesch und die Türkei; aber auch in Indien, Vietnam und Indonesien wird ein Großteil unserer Bekleidung gefertigt. Dazu kommt, dass nicht nur der Produktionsschritt global organisiert ist, sondern auch die Zulieferer für die Textilien und Zutaten. Für mich war klar: Globale Partner in der Bekleidungswirtschaft müssen einbezogen werden. Im Wintersemester 2019 habe ich daher während meines Forschungsaufenthalts in Vietnam und Indonesien mit Agenturen, Produktionen und teilweise auch Zulieferern zusammengearbeitet, um den Status Quo sowohl zur Bekleidungsproduktion zu erheben als auch die Erwartungen an intelligente Bekleidung innerhalb der Supply Chain kennenzulernen.
Mit wem würden Sie gern einen Kaffee oder Tee trinken?
Das ist in der aktuellen Situation unter Covid-19 einfach zu beantworten: mit meiner Familie. Auch wenn man dann vom Kaffee auf einen Kakao umschwenken muss, damit all meine Neffen und Nichten dabei sein können.
Was war die größte Herausforderung, die Sie an der HTW Berlin bewältigen mussten?
Ich habe an der HTW Berlin meinen Bachelor- und meinen Masterabschluss gemacht, kannte mich also schon ganz gut aus. Doch der Wechsel von einer Studentin zur wissenschaftlichen Mitarbeiterin hat mir die Hochschule noch einmal von der anderen Seite gezeigt. Ich musste meine Rolle erst mal finden. Inzwischen unterrichte ich mit großer Begeisterung und versuche mit meiner Promotionsbetreuerin Prof. Monika Fuchs aktuelle Forschungsergebnisse direkt in die Lehre zu tragen. Besonders spannend ist derzeit das Projekt „Hack your fashion“ im Masterstudiengang. Eingebettet in das Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie werden Konzepte zur Teilhabe von Bürger_innen an der Diskussion und Gestaltung der Bioökonomie in der Bekleidungswirtschaft entwickelt und umgesetzt.
In Bezug auf meine Promotion bin ich froh, an der HTW Berlin und der TU Berlin kooperativ betreut zu werden. Meine größte Herausforderung ist die von allen, die an einer Dissertation arbeiten: ein Ende zu finden.
Text: Gisela Hüttinger, Transfer- und Projektkommunikation
Fotos: Alexander Rentsch
9. Juni 2020