Batteriewechsel statt Fahrt zur Ladesäule
So einfach wie der Batteriewechsel bei einer, sagen wir: Fernbedienung für ein Videogerät, wird es nicht werden, aber es soll doch schnell gehen und nicht zu umständlich sein: die entladene Batterie rausnehmen, die volle Batterie einlegen, und den Motor wieder starten. Um Wechselbatterien für Elektroautos geht es im Forschungsprojekt „PowerSwap“, genauer gesagt: um Wechselbatterien für elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge.
Förderung durch das Wirtschaftsministerium
Prof. Dr. Michael Lindemann hält Wechselbatterien für die derzeit vielversprechendste Technologie im Bereich der Versorgung von E-Fahrzeugen. Wer seine Batterie selbst austauschen kann, argumentiert er, sei nicht auf die Infrastruktur an Ladesäulen angewiesen, die bekanntlich noch immer zu wünschen übrig lässt. Gleichwohl gibt es bei Wechselbatterien für Fahrzeuge technische Herausforderungen, die noch zu lösen sind. Die will der Wissenschaftler aus dem Studiengang Fahrzeugtechnik in Kooperation mit vier mittelständischen Unternehmen jetzt angehen. Das Projekt „PowerSwap“ – es heißt offiziell „Schnellwechselfähiges Batteriesystem zur Umrüstung von Nutzkraftfahrzeugen“ – wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus dem „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand“ gefördert.
Die Liste der Anforderungen ist lang
Natürlich kann man Akkus für Nutzfahrzeuge nicht mit den handelsüblichen Batterien für Elektrokleingeräte vergleichen. Vielmehr handelt es sich um große Packages mit Aberhunderten von Zellen, die kompakt in einem Gehäuse integriert oder im Fahrzeug verteilt zusammengeschaltet werden. Trotzdem die Frage an den Experten: Warum ist es so viel schwieriger, Fahrzeuge mit einer Wechselbatterie auszustatten als die besagte Fernbedienung? Michael Lindemanns Liste mit den technischen Anforderungen ist lang:
- Die Batterie muss leicht, aber doch stabil sein. Immerhin ist das Package im Unterboden des Fahrzeugs Erschütterungen ausgesetzt und muss im Zweifelsfall auch die Fahrt über einen Bordstein aushalten, von Crashs ganz zu schweigen.
- Die Kontakte müssen zu 100 Prozent stimmen, die Batterie also perfekt fixiert und verriegelt sein. Das sollte tunlichst auch bei Erschütterungen so bleiben, denn wenn Strom von einigen Hundert Ampere fließt, kann es schnell gefährlich werden.
- Die Batterie muss bei Minusgraden genauso funktionieren wie bei Hitze. Sie muss also thermisch konditioniert werden, wobei die Kühlung erfahrungsgemäß das größere Problem darstellt.
- Das Projektteam will außerdem unterschiedlich leistungsstarke Batterien anbieten können und muss überlegen, wie verschiedene Kapazitäten bei ein und demselben Gehäuse dargestellt werden können.
- Last but not least: Mit einer Wechselbatterie verändern sich die Fahreigenschaften eines Fahrzeugs. Auch das muss im Auge behalten werden.
Im Projekt soll der Prototyp einer Wechselbatterie entwickelt werden, der all diesen Anforderungen genügt. Über Simulationen will sich Michael Lindemann an die einschlägigen Parameter herantasten. Die eigentlichen Tests werden später in den beteiligten Partnerfirmen laufen, Prof. Dr. Lindemann wird sie wissenschaftlich begleiten.
Kompetente Praxispartner sind beteiligt
Gefunden haben sich die Projektpartner übrigens Dank des Netzwerks eKOMM, in dem sich Akteure nicht nur aus Berlin und Brandenburg regelmäßig austauschen. Mit im Boot sind die auf Abgasnachbehandlung spezialisierte HJS Emission Technology, die Berliner Aluminium-Manufaktur Lechmann Engineering, das Berliner Unternehmen SKDK, das Automatisierungssysteme konzipiert und programmiert sowie die im bayerischen Gaimersheim ansässige e.telligent, die Energiespeicher entwickelt und in neue logistische und vernetzte Infrastrukturen integriert.
Ergebnisse bis Oktober 2022
Die Idee entstand wie in einem Film: Man saß – noch vor der Corona-Pandemie – beim Kaffee zusammen und entwickelte gemeinsam eine Vision. Bis daraus ein Projekt wurde, dauerte es, nicht zuletzt wegen Corona. Doch jetzt ist der Bewilligungsbescheid da, Michael Lindemann macht sich auf die Suche nach einem/einer wissenschaftlichen Mitarbeiter_in und ist zuversichtlich, bis Oktober 2022 Ergebnisse vorlegen zu können. Immerhin kann er auch auf die Erkenntnisse seines letzten Forschungsprojekts zurückgreifen, bei dem er sich mit Elektrobussen im Öffentlichen Personennahverkehr beschäftigt hat.