Audiotranskription: "Zurück zur reinen Präsenzlehre ist für uns keine Option"

Marcel Dux: Ja, dann an der Stelle noch einmal herzlich willkommen! Die Idee unseres heutigen Podcasts ist es, dass wir Lehrenden unserer Hochschule die Möglichkeit geben, die guten und die vielleicht herausfordernden Seiten der Online-Lehre man etwas näher kennen zu lernen. Und in dem Zusammenhang freue ich mich sehr, dass wir für diesen Podcast zum einen Johanna Backes, als auch Anett Geitner gewinnen konnten. Beide sind im Rahmen des Integra-Projektes momentan fleißig dabei, die Geflüchteten der HTW vorzubereiten auf die Studienqualifizierung und das mit einem Fokus auf dem Thema Fremdsprachenausbildung „Deutsch als Fremdsprache“. Die große Herausforderung, die in dem Zusammenhang immer genannt wurde, ist das Thema persönliche Ansprache und Kommunikation. Und ich ganz gespannt darauf, wie sie das geschafft haben jetzt im Rahmen dieses so schwierigen Anfangs in diesem Corona-Monat, hier jetzt mit ihrer Lehre zu starten. Und Frau Geitner, vielleicht an der Stelle als kleinen Einstieg, wie sind Sie denn rangegangen? Wie ist momentan so die Planung oder Ihr Tagesablauf im Rahmen Ihrer Online-Lehre?

Anett Geitner
: Wir haben eigentlich feste Vorgaben gehabt, weil es ein Vollzeitkurs ist und das bedeutet, dass 20 Unterrichtseinheiten pro Woche ablaufen und wir uns einfach überlegt haben, wie können wir das am besten gestalten. Einmal diesen Mix aus synchronen und asynchronen Inhalten zu verbinden, um die Teilnehmenden überhaupt auch erstmal kennenzulernen. Wir haben uns dann also dazu entschieden, dass wir jeden Unterrichtstag einbinden in eine Video-Konferenz zu Beginn und eine Video-Konferenz zum Ende und darin eingebettet dann verschiedene Unterrichtsmaterialien, die bearbeitet werden.

Marcel Dux: Gibt es bei Ihnen konkret Materialien, die Sie dazu auch im Vorfeld noch anpassen mussten an die Online-Umgebung?

Anett Geitner: Wir haben schon Bücher, die wir verwenden. Wir haben auch eigene Materialien, weil wir schon sehr lange als Dozentinnen arbeiten. Allerdings kam erschwerend hinzu, dass aufgrund der Home-Office Situation doch vieles im Büro liegen geblieben ist, sodass wir auch viele Materialien selbst entwickelt haben noch zusätzlich oder aus verschiedenen Büchern so zusammengestellt haben, dass es sinnbringend ist. Und das war wirklich noch eine zusätzliche Herausforderung. Ich glaube, Frau Backes weiß genau wovon ich spreche, also die Lieblingsbücher liegen noch im Büro.

Johanna Backes: Wenn ich mich kurz dazwischenschalten kann, also wir haben ja allen Teilnehmern zwei Lehrwerke empfohlen, die sie sich selbst kaufen können oder sollen, um an dem Kurs teilzunehmen und auch über den Kurs hinaus, sich auf die Prüfung vorzubereiten. Und ich glaube die große Herausforderung ist eben, in so einem Format der Online-Lehre, dass man alle Aufgaben so zur Verfügung stellen muss, dass man schon alle Schwierigkeit eigentlich antizipiert. Also, weil man geben nicht mal kurz rumgehen kann und gucken kann, wo hakt es bei wem. Ich glaube, dass ist auch etwas, was einem überhaupt nur gelingen kann, wenn man schon eine gewisse Erfahrung mit der Gruppe, mit dem Format und dem Ziel hat. Einen Kurs vorzubereiten, den man vielleicht noch nie als Präsenzkurs geleitet hat, das stelle ich mir nahezu unmöglich vor.

Marcel Dux: Erlauben Sie mir da noch nachzufragen: Wie haben Sie denn dieses Material demnach aufbereitet?

Johanna Backes: Wir haben angefangen mit sehr vielen geschlossenen Übungen, die dann auch auf typische Fehler in einer Fremdsprache, Endungen und so weiter, das Augenmerk richten sollen. Aber ich glaube es ist trotzdem auch notwendig, sehr viel individuell zu besprechen. Ein typisches Phänomen war dann auch, dass die Kursteilnehmer sich gemeldet haben und gesagt haben: „Ich habe doch alles richtig gemacht, aber das System sagt, das ist falsch.“  Und dann über Screenshots und das genaue Angeben von Beispiel sieht man dann, dass eben doch Detailfehler da sind. Also, dass eben ein Kursteilnehmer einen anderen Blick auf eine Aufgabe hat als das der Lehrende hat. Da hat bei uns glaube ich auch ein Lernprozess stattgefunden, dass wir nicht mehr so sehr offen nach Feedback fragen, sondern ganz gezielt mit einzelnen Beispielen darauf hinweisen. Also hier könnte zum Beispiel ein Problem die Groß- und Kleinschreibung sein oder ein Leerzeichen, dass zu viel oder zu wenig ist. Also, dass man wirklich ganz kleinschrittig an ganz einzelnen Beispielen, einzelnen Sätzen möglichst die Fehlerquellen dann auch bespricht.

Marcel Dux: Kommen wir noch mal ganz kurz auf die Grundstruktur zurück. Sie hatten gesagt, zu Beginn gibt es immer ein Online-Meeting, wo die Tagesabläufe geklärt werden, danach gibt es einen Aufgabenbaustein, der allein von den Studierenden bearbeitet wird und am Ende gibt es noch eine Zusammenfassung, die ebenfalls wieder im Online-Meeting stattfindet. Wie ist denn während der Selbstarbeitszeit der Studierenden, der Teilnehmer, wie ist denn da die Kontaktmöglichkeit? Sind sie permanent dann im Online-Meeting verfügbar? Gibt es einen Chat, der dann nebenbei stattfindet? Wie lösen Sie das, wenn doch mal an der einen oder anderen Stelle eine Frage auftaucht?

Anett Geitner: Das ist so organisiert, wie Sie schon gesagt haben, dass wir sehr viel mit Moodle machen in der Selbststudienzeit und dort ganz kleinschrittig von einer Aufgabe zur anderen leiten, auch mit Querverweisen, Regeln verbinden, interessante Ressourcen verlinken und auch Strategien zur Lösung anbieten. Wenn wir in der ersten Online-Session früh am Morgen die täglichen Aufgaben besprochen haben und auch uns abgestimmt haben, auch die Regeln wie, was, bis wann zu erledigen ist, dann gehen wir eigentlich in den Chat hinein in Moodle und begleiten dort sozusagen die Studierenden bei der Arbeit im Hintergrund. Das heißt, wir bieten den Chat aber auch an, damit die Studierenden sich untereinander austauschen können. Das heißt, der Chat läuft die ganze Zeit, ist die ganze Zeit an, die Lehrkraft ist im Chatraum und beantwortet dann eigentlich auch zeitgleich die Fragen, die reinkommen. Zusätzlich haben wir auch ??? noch laufen. Da laufen dann jetzt nicht zeitgleich zu den Aufgaben die Beiträge, sondern da wird dann sozusagen auch als Feedback oder zur Reflektion der eine oder andere Tipp noch mal reingestellt, beziehungsweise müssen dort Studierende dann auch selbst aktiv werden und interessante Dinge oder Einsichten über irgendwas, was ihnen aufgefallen ist, zum Tagesabschluss dann sozusagen auch noch mal reinposten. Ich weiß nicht, wenn ich was vergessen hab, Johanna, ergänze mich gern.

Johanna Backes: Wir sind im Prinzip die ganze Zeit am Computer und begleiten auch die Selbstlernzeit, indem wir eben mögliche Fragen im Chat sammeln und das Zweite ist, das Kurs-Forum, das Moodle anbietet. Das ist dann eigentlich eher auch so als Aktivierung für die Studenten gedacht oder unsere Kursteilnehmer, die ja noch keine Studenten sind, sondern werden möchten. Also als Aktivierung sich eben auch untereinander stärker auseinander zu setzen und ich finde das hat eben auch den schönen Nebeneffekt, dass sichtbar wird was die Kursteilnehmer auch machen und mitbringen. Und das ist glaube ich auch eine große Möglichkeit zu motivieren.

Anett Geitner: Wenn ich vielleicht noch hinzufügen darf, begleitend schauen wir auch bei Moodle in die Ergebnisblöcke rein, zum Beispiel der interaktiven Aufgaben, die man dort erstellen kann und dann machen wir uns so exemplarisch Screenshots davon, von Aufgaben, die wir auch schon von an als kompliziert oder als schwierig angesehen haben oder wo gewisse Schwierigkeiten versteckt sind oder vorkommen. Und diese Screenshots werden im Prinzip dann auch für das Feedback am Ende des Unterrichtsblocks verwendet, um dann solche Schwierigkeiten auch ganz gezielt zu besprechen und um Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Und das besprechen wir dann halt wieder in BigBlueButton, in dem Chat oder in den geteilten Nachrichten mit der Präsentation, wo man dann genau was falsch gemacht wurde oder wie es richtig ist. Das heißt also, wir sind wirklich hier, genau wie im Kursraum fünf Stunden auch eigentlich im Kurs, in diesem Hybriden-Kursmodell auch anwesend, inklusive Nachbereitung.

Marcel Dux: Gibt es für Sie die Möglichkeit, dass Sie die Studenten auch miteinander in Arbeitsgruppen organisieren oder wie wird das gelöst? Weil ansonsten die alleinige Arbeit vielleicht für die studentische oder Teilnehmerseite, ich muss auch immer aufpassen, weil es sind noch keine Studenten, aber in Gedanken dann irgendwie schon im Idealfall. Wie wird das aktiviert, weil ich kann mir vorstellen, dass gerade dieser Identifikationseffekt miteinander oder auch der Austausch natürlich schwieriger ist? Wie sind Sie daran gegangen?

Johanna Backes: Dann nutzen wir eigentlich unterschiedliche Sachen. Also zum einen haben wir auch am Anfang von unseren virtuellen Treffen eigentlich immer so ein paar Übungen, die zumindest jeden im Raum erst mal ankommen lassen sollen, also so Bewegungskoordinationsaufgaben, auch kreative Aufgaben, die dann in den geteilten Notizen über BigBlueButton zusammengetragen werden. Dann können sie exportiert werden und dann eben auch so in Moodle abgespeichert werden. Und dann haben wir also auch getestet schon über BigBlueButton die Breakout-Räume und auch den Lehrbenutzermodus, wobei man da dazusagen muss, dass eben das auch sehr viel Begleitung erforderlich macht, weil die Technik dann auch nicht allen immer gleich vertraut ist, viele Sachen auch nicht so ideal funktionieren. Zum Beispiel findet man die Gezeiten Notizen bei BigBlueButton sehr viel besser als zum Beispiel im Lehrbenutzermodus. Das ist irgendwie schwer zu handhaben und das sind einfach Sachen, die man rausfinden muss und vielleicht auch von Gruppe zu Gruppe und auch von Teilnehmer zu Teilnehmer ein bisschen unterschiedlich wahrgenommen wird. Wir haben auch über Moodle versucht Gruppenarbeiten zu initiieren. Das hat auch geklappt, wobei da natürlich auch nicht nachvollziehbar ist, ob es dann wirklich so eine ganz aktive Gruppenarbeit ist oder ob dann nicht doch am Ende einfach einer für alle eine Aufgabe abgibt. Ich glaube da kann man einfach viel testen und ausprobieren.

Anett Geitner: Wir haben uns ja auch noch über die Möglichkeit eines gemeinsamen Wikis unterhalten. Wir sind auch noch, wie Frau Backes sagte, in der Trial-and-Error Phase, also wir probieren einfach auch verschiedene Sachen aus und schauen, wie und ob das funktioniert. Dann muss man ja auch dazu sagen, dass unser Kurs ja der Prüfungsvorbereitung dient, so dass sowieso in dem Bereich, in einigen der Teilprüfungsvorbereitungen, viele doch dann eher auch so genannte „Einzelkämpfer“ sind. Da müssen wir noch weiter gucken, was wir noch machen können. Und das sind, das muss man auch sagen, es gibt da auch Begrenzungen, also zumal, wenn sich vorher niemand von uns oder niemand kennenlernen konnte. Das ist nicht so einfach. Außerdem haben es dazu mit einer sehr sensiblen Zielgruppe zu tun, weil es ja Geflüchtete sind und nicht alle möchte zum Beispiel von dem Angebot Gebrauch machen ihr Video anzuschalten. Wir haben das den Teilnehmenden freigestellt und einige haben sich auch draufgestürzt und fanden das richtig gut, sich auch mal zu sehen und haben dann auch Scherze miteinander gemacht. Das war sehr, sehr lustig. Aber es gibt auch welche, die mögen das nicht. Und da muss man glaube ich auch sehr aufpassen, bei dieser Zielgruppe, dass man dann niemanden drängt, dass man auch akzeptiert, wenn jemand für sich ganz allein arbeiten will und ganz zielorientiert loslaufen möchte. Das muss man auch beachten, weil es eben eine spezielle Zielgruppe ist.

Marcel Dux: Funktioniert das online vielleicht sogar besser als in Präsenz? Kann man deswegen auch so ein bisschen mehr hervorheben, statt immer die Nachteile zu erwähnen?

Anett Geitner: Auf jeden Fall.

Johanna Backes: Ich glaube, den Schritt zurück, den gibt es jetzt eigentlich nicht mehr.  Also selbst wenn es wieder zurückgeht zur Präsenzlehre und zum Präsenzunterricht, denke ich werden wir ganz viele Sachen beibehalten die wir jetzt bei Moodle neu für uns entdeckt haben. Also einen dann klaren Vorteil, den ich sehe, ist wirklich
die Sichtbarkeit von erbrachten Leistungen, also wenn im Unterricht jemand einen Vortrag hält, dann kriegen den diejenigen mit, die da waren und der ist dann auch vorbei, wenn er vorbei ist. Aber wenn jetzt ein Teilnehmer einen Forum-Beitrag schreibt, dann ist der eben für die gesamte Zeit des Kurses zu sehen und man hat auch jederzeit die Möglichkeit da noch mal zurück zu gehen, zu kommentieren und so weiter.  Also da finde ich gibt es für die Leistung der Teilnehmer wirklich ein viel größeres Maß an Wertschätzung, die man ausdrücken kann. Und einen zweiten Vorteil, den ich sehe ist, dass man gerade wo es um Übungen geht oder so das Erstellen von Aufgaben, die eher so in Richtung Testformat gehen, dass da eben das online Format auch die Möglichkeit bietet das, wenn man erstmal diese Arbeit investiert hat und da sehr viel Input reingegeben, dass man das auch immer wieder auf neue Arten kombinieren kann, den Studenten neu zur Verfügung stellen kann, also dass sie sehr viel stärker wiederholen und einüben können und das dann auch niederschwelliger ist, als immer wieder eine neue Kopie oder irgendwie neu zusammengesetzt auf Papier. Der dritte Vorteil, den ich auf jeden Fall auch sehe, ist, dass es sicher nichts ausschließt. Also wir arbeiten sowohl mit Online-Übungen als auch mit Arbeitsblättern, die sich die Studenten runterladen sollen, also so, dass sie auch immer die Möglichkeit haben auf Papier zu arbeiten, was natürlich gerade als Prüfungsvorbereitung wichtig ist, weil es da auch ums Handschreiben geht. Auch das ist glaube ich gut, wenn es eben diesem Wechsel gibt und das könnte man sicherlich dann auch fortsetzen über jetzt diese erzwungene Online-Lehre hinaus zu einer gewollten und gewünschten Online- und Präsenzlehre.

Anett Geitner: Vielleicht kann ich da noch hinzufügen: ich sehe da auch noch zwei weitere Dinge, die ich mir hier notiert habe, die ich vorteilhaft finde oder die wir sicherlich beide vorteilhaft finden. Das ist natürlich auch die Flexibilität. Wir wissen von einigen Teilnehmenden, dass er nebenbei arbeiten gehen, weil sich natürlich auch was zum Lebensunterhalt dazu verdienen müssen und die Flexibilität ist einfach stärker gegeben. Wir haben auch Teilnehmende dabei, die im letzten Jahr schon mal einen Kurs bei uns in der Präsenz-Lehre gemacht haben und die jetzt viel aktiver dabei sind im Online-Kurs, die alle Aufgaben erledigen. Da sind wir ganz überrascht, weil wir das von der Präsenzlehre her nicht so kennen und weil sie da offensichtlich auch andere Dinge zu tun hatten, die sie abgehalten haben Punkt 10 Uhr im Kursraum zu sitzen. Und das ist also auf jeden Fall wieder hier mit einer größeren Flexibilität, geht das hier einher. Und andere, was ich noch sagen wollte, ist die Medienkompetenz, die auch dadurch gestärkt wird. Wir haben ja außerhalb dieses DSH-Vorbereitungskurses auch noch ein anderes studienvorbereitendes Kursformat, wo bestimmte Studienkompetenzen auch erworben werden. Und wir haben bei Integra-Alumni festgestellt, die jetzt ins Studium eingestiegen sind, dass dort zum Teil eben die Medienkompetenz gar nicht so stark ist, weil wir sehr viel auf den klassischen Präsenzunterricht vorher gesetzt hatten. Und bei den Teilnehmenden jetzt, hatten wir es quasi: nach ein bis zwei Wochen war im Prinzip alles klar, wie Moodle funktioniert, wie man an die entsprechenden Links kommt, wie BigBlueButton funktioniert, wie man die Lehrkraft kontaktiert und so weiter. Und das war eine wunderbare Sache zu sehen, wie schnell das ging und wie leicht es den Teilnehmenden auch von der Hand ging. Ich glaube, wenn sie ins Studium gehen, werden sie so gut wie keine Probleme damit haben, dann auch sich in den tiefsten Tiefen von Moodle auch als Datenbank, als Ressourcensammlung und so weiter zu Recht zu finden, sich Inhalte rauszukramen, von denen sie wahrscheinlich früher gar nicht gewusst haben, dass die da noch irgendwo lagern. Und das ist natürlich auch eine schöne Sache, also gerade auch für diese Zielgruppe mit dieser Technik umzugehen und da auch zu sehen, dass man da auch den ganzen Kurs machen kann uns so auch studieren oder lernen kann.

Marcel Dux: Viele der Dozenten in diesem Semester sind ja wirklich ins Kalte geworfen worden und mussten wirklich innerhalb kürzester Zeit Online-Lehrangebote schaffen. Die Frage jetzt: Wenn Sie mit den Erfahrungen die Sie jetzt in den ersten zwei, drei Wochen sammeln konnten, noch mal anfangen würden, was würden Sie jemandem empfehlen? Wie soll er sich dem Thema nähern?

Anett Geitner: Man braucht eine gewisse Vorlaufszeit, um sich gut vorzubereiten. Soweit ich das jetzt einschätzen kann, auch von Johanna, also wir haben uns beide sehr auf diese Technik-Tools auch konzentriert und auch vom Hochschulrechenzentrum jedes Seminar uns mit angeguckt und mitgenommen. Darüber hinaus auch die vielen kleinen Moodle Lehrfilme, die in der Mediathek zur Verfügung gestellt wurden, das hat extrem viel geholfen, man konnte immer nachfragen und dann sind wir auch sehr gut vernetzt mit den „Deutsch als Fremdsprache“-Verlagen, wie Hueber oder Klett oder Cornelsen und die haben natürlich auch Webinare angeboten und
auch Netzwerke, also auch über LinkedIn und so weiter. Also da gab es eine Vorlaufphase und ich würde sagen, ich weiß nicht, bei mir waren es vielleicht zwei, drei Wochen, als es dann schon so absehbar war, dass das kommt, dass ich mich da in diese Webinare reingekniet habe, ohne jetzt ganz konkret schon diesen Kurs vorzubereiten, sondern einfach erstmals um so einen Helikopter-Blick zu bekommen, was geht und was geht nicht, worauf muss ich mich stürzen und was kann ich vielleicht noch lassen. Und dann haben wir das Schritt für Schritt zusammen erarbeitet, als wir dann wussten, okay, also es muss irgendwie eine Kombination sein von einem Konferenztool und Moodle, als Ressourcen- und Aufgabenbank sozusagen. Und dann kommt das Inhaltliche, was man dann zusammenstellt und das ist natürlich alles im Raum die technische Herausforderung, dass arbeiten mit der Technik schnell von der Hand geht und auch wie die Inhalte dann entsprechend aufzubereiten sind. Das ist dann natürlich auch mal zeitintensiv, aber wie Frau Backes vorhin schon gesagt hat, wenn man diese Sammlung an Materialien, wenn man das erst mal hat, das kann man dann eben auch wieder verschieden einsetzen. Man hat diese großen Materialsammlungen, dann Fragensammlungen und so weiter und kann das dann entsprechend auch mischen. Aber man muss dann natürlich erstmal einiges auch einstellen, ja. Also so lief jetzt bei mir die Vorbereitung.

Johanna Backes: Ja, ich glaube, Tipps sind auch, dass man einfach wirklich sich mit Anderen austauscht. Ich meine, wir machen diesen Kurs jetzt gemeinsam. Das ist, glaube ich, eine große Hilfe, sonst würde man es gar nicht schaffen. Ich unterrichte auch noch an der Zentraleinrichtung für Fremdsprachen, dass da die Lehrenden sich auch untereinander ganz stark austauschen: Was hast du ausprobiert? Wie hat das geklappt? Also, das ist wichtig und dass man eben auch schaut, was gibt's nicht sowieso schon alles im Internet. Also man muss nicht für jedes Grammatikthema sein eigenes Erklärvideo erstellen, sondern da kann man mit super viel verlinken. Und ich glaube wichtig ist auch, dass man ein bisschen „Woche für Woche“ denkt und auch den Kursteilnehmern sagt: „Wir probieren das jetzt mal aus und vielleicht klappt es gut, dann machen wir das weiter und wenn es nicht gut klappt, dann probieren wir was anderes aus.“ Also das ist, finde ich, auch noch so eine Möglichkeit, dass man auch mit den Kursteilnehmern stärker noch zusammenarbeitet, wenn man eben auch gemeinsam das alles ausprobiert und nicht einer ist derjenige, der alles supervised und alle anderen müssen dem folgen.

Marcel Dux: Haben sie aus Ihren Anfangsideen für Ihre Online-Lehre schon einzelne Sachen ausgeworfen, die sich jetzt schon abgezeichnet, eher nicht so rentiert haben? Vielleicht im Punkto Aufwand oder Interaktionsgrad?

Johanna Backes: Also eher positiv, dass ich sagen würde, dass die Aufgabe, die Materialaufgabe bei Moodle, finde ich am vielfältigsten. Also weil man da ganz verschiedene Sachen integrieren kann. Ich also eine klassische PDF-Datei als Arbeitsblatt integrieren, ich kann aber auch verlinken zu Online-Übungen, kann das relativ kurzfristig bearbeiten, verändern und kann Längevorgaben machen zur Zeit, zur Bearbeitungszeit und so weiter. Also das finde ich, ist sehr flexibel. Und was ich sehr zeitintensiv finde, ist die Arbeit mit diesen Testmaterialien also, weil man wirklich jede Frage einzeln eingeben muss, dann jede Frage auch wieder einzeln korrigieren muss, wenn man irgendeinen Tippfehler gefunden hat, dass ich persönlich auch damit nicht so gut zurechtkomme, wir jetzt mit anderen H5P-Aktivitäten oder so das kommt mir einfach flexibler vor.

Anett Geitner: Aber zum Beispiel die ich viel lieber mache als im Pränsenz-Frühkurs, sind beispielsweise die Aufgabenkorrekturen in dem Aufgabentool, das ist so eine tolle Sache. Zu erstens hat man nicht mit diesen ganzen Papieren zu tun und zweitens kann man wirklich seine Kommentare direkt in das PDF reinschreiben und dann extra noch ein Textfeedback geben und noch das Lösungsblatt mit hochladen, sodass die Studierenden also auch wieder aktiv aufgefordert sind sich das nicht nur durchzulesen sondern auch eben einzelne Kommentare durchzugehen und dann mit dem Prüfungsplan abzugleichen, als wenn man jetzt was handschriftlich korrigiertes zurückgibt, dann guckt man vielleicht mal kurz drüber als Teilnehmer und dann verschwindet das irgendwo in der Tasche. Also das ist ein ganz tolles Tool, was man auch zeitlich sehr genau bestimmen kann, mit verschiedenen Parametern wann, was, wie, wie lange was zu erledigen ist. Ich möchte noch ergänzend hinzufügen, das eigentlich weniger rausschmeißen, als was wir uns eigentlich ständig neu überlegen, was wir noch machen könnten oder wie wir es vielleicht noch besser machen könnten oder anders machen könnten. Wie mit diesem Video, dass wir letzte Woche begonnen haben, dass wir also die Teilnehmenden eingeladen haben, um auch ihre Videos, ihre Bilder aktiv zu benutzen und da auch was drüber zu sagen. Da kommen dann immer so kleine neue Ideen dazu, was man alles noch machen könnte und weniger das, was jetzt gar nicht funktioniert. Also mir fällt da jetzt nichts ein, was wir rausgenommen hätten. Und BigBlueButton funktioniert besser als gedacht, also wir hatten kaum technische Störungen bisher, sodass wir da auch die Kurszeiten zum Teil verlängern konnten, wenn das angebracht war oder eben auch mal flexibel früher beginnen konnten, wenn bestimmte Sachen zu besprechen waren oder jetzt auch beim Hörverstehen selbst Texte einsprechen konnten, ohne dass wir die jedes Mal von einer Audio-Datei abspielen und solche Dinge, das bringt mir sehr, sehr viel.

Marcel Dux: Ich wollte noch kurz nachfragen: Sie haben vorhin, Frau Backes, H5P angesprochen. Was genau setzen sie mit H5P um?

Johanna Backes: Also alles Mögliche eigentlich. Also wir erstellen darüber Lückentexte, wir machen Zuordnungsaufgaben, wir haben auch dann kleine Sätze über Audacity eingesprochen und dann sollten die Studenten das wie so ein Diktat aufschreiben oder Abkürzungen und Symbole eingeben, für die Wörter, die sie gehört haben. Auch, dass man markieren sollte, welche Wörter zum Thema passenden, Bilder zuordnen, also da gibt es viele Möglichkeiten, ich glaube am häufigsten benutzten wir das mit Lückentext und Zuordnen. Man kann das ja auch für seine eigenen Bedürfnisse immer so ein bisschen anders gestalten, dann wird's vielleicht für jemand anderen gar nicht erkennbar, dass immer wieder das gleiche Toll dahintersteht. Und das ist dann eben auch tatsächlich eine Arbeitserleichterung, wenn man einmal den Text eingegeben hat, dann dupliziert man das und man gibt es nochmal ein und beim ersten Mal müssen die Nomen ergänzt werden, beim zweiten Mal die Verben, beim dritten Mal die Endungen.

Anett Geitner: Ich glaube, auch hier haben wir noch gar nicht alle ausprobiert. Es gibt ja, glaube ich, an die 40 oder so und wir haben unsere Favoriten und die anderen haben wir noch gar nicht alle ausprobiert. Auch das wird sicherlich im Laufe der Zeit noch kommen. Einige passen auch nicht, aber das Angebot ist wirklich ganz gut bei H5P mit den vielen Möglichkeiten.

Johanna Backes: Das macht dann wirklich viel Spaß, das auszuprobieren, aber das führt halt auch dazu, dass man vielleicht mal eine halbe Stunde lang an irgendeiner Übung gesessen hat und am Ende denk man: „Nein, so ist eigentlich doch doof, ich mach das nochmal ganz anders.“

Marcel Dux: Man merkt schon, auch im dem, was Sie beschreiben, dass Sie auch das Interesse haben, sich mit den einzelnen Funktionen von Moodle weiter auseinander zu setzen, dass da auch eine gewisse Form von spielerischem Herangehen dabei ist. Das finde ich super! Ich würde gerne abschließend noch ganz kurz auf die Frage zurückkommen: Sie hatten ja angedeutet, dass auch wenn es dann wieder in präsenzorientierten Unterricht zurückgeht, dass man dann durchaus hier auf Materialien und Erfahrungen zurückgreifen kann, die jetzt in diesem Semester gesammelt wurden. Und das hat natürlich den Charme, dass es jetzt nicht darum geht, jetzt Material zu produzieren, was dann im nächsten Semester keine Verwendung findet. Wie würden Sie sich denn jetzt, unabhängig von Beschränkungen die wir durch die aktuelle Corona-Situation haben, dann Ihren vielleicht Wochenablauf vorstellen, wenn Sie ihn Online oder in Präsenz nach Lust und Laune zusammenstellen könnten?

Anett Geitner: Bis jetzt ist es ja so, dass wir den überwiegenden Teil als Präsenzkurs gegeben haben, also meistens vier Tage die Woche und am fünften Tag, an einem der Tage der fünf Tage, wurde dann eine zusätzliche Studienkompetenz, entweder durch eine andere Lehrkraft erbracht oder in Form einer Exkursion oder weiteren Inhalte angeboten. Das haben wir im Einzelnen jetzt noch gar nicht durchgesprochen, aber ich könnte mir schon
vorstellen, dass man das miteinander verknüpft, also dass man nicht alle fünf Tage im Kursraum verbringt, auch in Hinblick auf die Teilnehmenden, die noch andere Verpflichtungen haben und eben nicht immer Punkt 10 Uhr da sein können. Da man da einfach auch flexibler ist und das vielleicht wirklich als hybrides Kursmodell anbietet, mit, was weiß ich, ich sag jetzt mal, drei Tage anwesend, zwei Tage dann über diese Online-Schiene macht. Das wäre eigentlich eine gute Sache. Und das, was ich vorhin gesagt habe, die Medien-Kompetenz zu stärken ist im Prinzip auch eine Kompetenz, die verbessert wurde. Für jemanden, der jetzt die Aussicht hat fünf Tage lang in einen Präsenzkurs zu gehen, dass stattdessen dann eben andere Kompetenzen gestärkt werden und man gleichzeitig noch mehr Flexibilität gewinnt. Dann kann man auch seine Arbeitszeiten entsprechend legen und so weiter. Also da spielen, glaube ich, viele positive Faktoren eine Rolle.

Johanna Backes: Meine Idee wäre eigentlich auch, einfach zu sagen: „Okay, wir haben jetzt wieder den normalen Kurs im Seminarraum und wir vereinbaren jetzt, dass irgendwie jeden Tag fünf Personen einen Computer mitbringen, dass man eben auch im Kurs dann gemeinsam an einem Laptop arbeiten kann und dann vielleicht der eine zur Vertiefung dann eher die Übung macht und der andere die Übung.“ Einfach, dass das Wiederholen und Einüben auch noch einen größeren Raum haben. Im Präsenzunterricht bei mir persönlich, war es dann häufig, dass man sagt: „Okay, das findet dann in den Hausaufgaben statt.“ Und ganz häufig findet es dann eben auch gar nicht statt. Und so kann das halt einerseits einen größeren Raum im Unterricht haben und andererseits aber auch individueller sein, weil nicht jeder dann die gleiche Lösung oder die gleiche Kopie bearbeiten muss.

Anett Geitner: Vielleicht auch so in die Richtung Projektarbeit, Teamarbeit, Grundlagen legen, was unsere Zielgruppe auf jeden Fall braucht, dass man mit Hilfe des Online-Angebots entsprechend dann auch vorbereiten kann.

Johanna Backes: Wenn ich das noch sagen darf kurz: es bietet ja auch die Möglichkeit, dass die Kursteilnehmer ihr Material selber erstellen also, dass man über die Glossar-Funktionen Worterklärungen sammelt, einen Wiki-Eintrag macht und verlinken lässt. Das wären alles Sachen, die man wunderbar auch im Unterricht weitermachen kann.

Anett Geitner: Oder genannten Forumsbeiträge, die Du vorhin genannt hast.

Marcel Dux: Dann kann ich an dieser Stelle nur erst mal Danke sagen, zum einen für die Möglichkeit für diesen Podcast. Dankeschön, dass Sie tatsächlich sich auch so viel Mühe geben, da wirklich besondere Lehrformate zu schaffen, das hört man heraus, dass Sie das auch mit Interesse und Begeisterung tun und ich hoffe, dass wir diese Begeisterung soweit auch in dieses Format hinein bringen können, um einzelne Lehrende auch für das ein oder andere, wie etwa H5P, wie die Möglichkeit der Aktivierung über Foren und Co., hier noch interessieren können. Und ich würde jetzt erst mal sagen: vielen, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, trotz auch der heute schon durchgeführten Online-Lehre mal Rede und Antwort zu stehen. Ich sag, wie gesagt, noch mal Dankeschön!

Johanna Backes: Wir danken auch!