Wie könnte der Seminarraum der Zukunft aussehen?

“(Re)Evolution Seminarraum?” Dieser verheißungsvolle Titel stand auf der Präsentation, als das Projektteam das Vorhaben auf dem University:Future Festival 2023 der Fachöffentlichkeit vorstellten. Denn was die Professorinnen Katja Ninnemann, Pelin Celik und Jona Piehl mit Unterstützung von drei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen im Reallabor „Innovatives Lernraumdesign“ auf die Beine gestellt haben und nunmehr praktisch erproben, würde den Alltag an der HTW Berlin tatsächlich merklich verändern. Im Projekt wurden vier Modellräume eingerichtet, die sowohl Studierenden als auch Lehrenden völlig neue Möglichkeiten zum Lernen und Lehren eröffnen und es außerdem erlauben, Präsenzveranstaltungen mit dem virtuellen Raum zu verknüpfen. Das Reallabor „Innovatives Lernraumdesign“ ist eines von vier Teilprojekten im „Curriculum Innovation Hub“. Es wird von der Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“ aus dem Programm „Hochschule durch Digitalisierung stärken“ gefördert.

Angenehme Farben und ein überlegtes Design

Zuallererst fallen einem in den Modellräumen die angenehmen Farben, das überlegte Design sowie die vielfältige Anordnung des Mobiliars ins Auge. Das ist schon mal gelungen. Und wichtig: „Bequemes Sitzen, angenehme Oberflächen, Licht, Akustik und Belüftung haben großen Einfluss auf das Wohlbefinden von Menschen in einem Raum“, sagt Prof. Dr. Jona Piehl aus dem Studiengang Kommunikationsdesign und Expertin für Kommunikation im Raum. Wer sich wohl fühlt, kann sich konzentrieren, kommt gerne wieder und – ebenfalls wichtig: fühlt sich wertgeschätzt. Mit den vier unterschiedlichen Raumanordnungen wird darüber hinaus die übliche frontale Raumausrichtung durchbrochen, um die Lehrenden zu unterstützen, welche aktivierende und kompetenzorientierte Lehre umsetzen wollen.

Technik für Lehre in Präsenz und im virtuellen Raum

Auf den zweiten Blick erkennt man, dass sich auch die technische Ausstattung von der in Seminarräumen üblichen Trias Beamer, Whiteboard und Lautsprecher unterscheidet. „Wir haben dafür gesorgt, dass die Modellräume sowohl in Präsenz funktionieren als auch im hybriden Modus, also dann, wenn sich ein Teil der Studierenden im Raum befindet und der andere Teil virtuell zuschaltet“, erklärt Prof. Dr. Katja Ninnemann, Professorin im Studiengang Facility Management und Expertin für Workspace Management und Corporate Learning Architecture. Denn die hybride Lehre, die im Gefolge der Corona-Pandemie an Hochschulen Einzug gehalten hat, wird künftig auch Teil des Lehr- und Lernalltags sein. Davon ist das Team des Reallabors überzeugt. Mit mehreren Wandmonitoren, einem innovativen Audiosystem sowie Raum- und Whiteboard-Kameras sind die Modellräume in der 2. Etage von Gebäude C dafür gut gerüstet.

Monitore für jede Arbeitsgruppe

Die Raumkamera fokussiert beispielsweise ganz bewusst nicht auf die Lehrpersonen, sondern nimmt alle Teilnehmer_innen beim Lehren und Lernen in den Blick. Schließlich sollte, wer zuhause sitzt, auch sehen, was im Raum passiert und damit einfacher mit den Personen vor Ort interagieren können. Wer sich im Raum befindet, sieht umgekehrt auf den Monitoren die Gesichter derer, die der Veranstaltung virtuell folgen. Alle Studierenden können die Präsentation der Lehrperson sehen, haben aber auch die Möglichkeit, ihren eigenen Bildschirm zu teilen. Ein Raummikrofon sorgt dafür, dass das, was im Raum gesprochen wird, von den virtuellen Teilnehmer*innen gut verstanden wird. Für Arbeitsgruppen gibt es eigene Monitore an der Wand oder direkt an den Tischen, mit deren Hilfe sie lernen, eine gemeinsame Präsentation vorbereiten oder den eigenen Bildschirm für die Gruppe sichtbar machen können.

Flexible Steuerung mit eigenen Mobilgeräten

Gesteuert wird die Technik über die eigenen Mobil Devices, wie Laptop oder Tablet, sowie im hybriden Modus über das jeweilige Konferenztool, wie BigBlueButton oder Zoom. Zwar funktioniert noch nicht alles perfekt, doch die Startschwierigkeiten sollten bald behoben sein. Von den Studierenden werden die Modellräume für Gruppenarbeiten und zum Selbstlernen schon fleißig genutzt; auch erste Kolleg*innen waren neugierig und ließen sich in die neue Welt einführen. „Vor allem die Lehrenden müssen sich mit den neuen Räumen und den vielfältigen Möglichkeiten beim Lehren und Lernen noch vertraut machen“, kommentiert Prof. Celik. Deshalb ist u.a. auch das Lehrenden-Service-Center mit im Projektboot, wie z.B. beim jährlichen Programm für die Neuberufenen. Darüber hinaus gibt es das wöchentliche Angebot zur Einführung bzw. Fragen bei der Nutzung der Modellräume: immer mittwochs von 13.00 bis 14.00 Uhr.

Neueste Erkenntnisse und hochschulweite Befragungen

Bei der Konzeption der Modellräume hat das Projektteam neueste Forschungskenntnisse einbezogen, aber auch hochschulweit mehr als 20 Lehrende interviewt sowie etwa 50 Studierende in vier Lehrveranstaltungen. Für die einen wie für die anderen wurden auch sogenannte „Personas“ erstellt, um sich ein anschauliches Bild von der sogenannten „User Journey“ machen zu können, also den jeweiligen Tagesabläufen.

Die Evaluation kann beginnen!

Zwei Jahre nach Projektauftakt sind Prof. Dr. Katja Ninnemann, Prof. Dr. Jona Piehl, Prof. Pelin Celik sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Lioba Rubik, Olivia Hidalgo Miranda und Sally Paege glücklich, die organisatorischen Hürden genommen zu haben und mit der praktischen Erprobung der Modellräume sowie der dazugehörigen Evaluation beginnen zu können. Sie wollen die Erfahrungen auswerten und dann Empfehlungen geben, welche Konsequenzen die Hochschule in punkto Gestaltung und Ausstattung ihrer mehr als 100 Lehrveranstaltungsräume ziehen sollte. Fest steht, dass nicht alle dem Vorbild der Modellräume folgen müssen. Erstens ist davon auszugehen, dass eine Präsenzhochschule nicht in allen Räumlichkeiten die Technikausstattung für Hybrid-Lehre benötigt; zweitens kommt es immer auf die Fachkultur und den persönlichen Lehrstil der Lehrenden an; drittens wird es immer auch konventionelle Räume geben müssen, beispielsweise für Klausuren. „Das Projekt ist auch dafür gedacht, auszutesten, welche Raum- und Ausstattungskonzepte die Hochschule für die Lehre benötigt und wie die zunehmende Vielfalt sinnvoll orchestriert werden kann. Damit können nachhaltige Strategien zur Skalierbarkeit innovativer Lernumgebungen abgeleitet werden“, sagen Prof. Dr. Ninnemann und Prof. Dr. Piehl.

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