Schöner und grüner: Visionen für den Campus Wilhelminenhof

Ein großzügig-offener Eingangsbereich statt hohem Zaun und Verkehrsschranke zur Wilhelminenhofstraße; Schatten spendende Bäume und einladende Sitzmöbel auf dem Weg zur Mensa, wo derzeit eine Asphaltstraße verläuft und viele Autos parken; Kletterpflanzen, welche die abweisende Putzfassade von Gebäude G gnädig verhüllen, und zu guter Letzt Hanfpalmen und Liegestühle auf dem Strand an der Spree: Wenn es nach dem Bezirk Treptow-Köpenick und der HTW Berlin geht, dann wird der Campus Wilhelminenhof in den nächsten Jahren schöner, grüner und vor allem nachhaltiger. Für entsprechende Maßnahmen hatte das Bezirksamt Mittel in Höhe von 1,35 Millionen Euro beantragt und dafür gemeinsam mit der Hochschule eine Projektskizze erarbeitet. Dem Antrag auf Mittel aus dem Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ war leider kein Erfolg beschieden. Jetzt macht man sich auf die Suche nach anderen Fördertöpfen.

Anpassung an den Klimawandel und mehr Aufenthaltsqualität

Denn vor allem darum geht es, sagt Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner aus dem Studiengang Facility Management, die man getrost als „Motor“ des visionären Projekts bezeichnen kann: „Wir wollen den Campus dem fortschreitenden Klimawandel anpassen und dadurch auch für eine größere Aufenthaltsqualität sorgen“. Das eine gehört nach Ansicht der Architektin zwingend zum anderen. Verdorrte Rasenflächen, eine Asphaltstraße, die ihr Umfeld weiter aufheizt, oder Bänke in der prallen Sonne, auf denen keiner sitzen mag, könnten also bald der Vergangenheit angehören. Außerdem: Der Campus soll sich zum Kiez öffnen. Obwohl mitten in Oberschöneweide und direkt am belebten Rathenauplatz gelegen, grenzt sich das Hochschulgelände derzeit durch Zäune und Schranken ab. Auch das könnte sich ändern.

Bezirk, Nachbarn und Hochschule an einem Tisch

Wie diese Ziele erreicht werden sollen, ist in der 18-seitigen Projektskizze ausführlich beschrieben. Sie trägt den Titel „Klimatisch-städtebauliche Anpassung und Profilierung des Campus Wilhelminenhof der HTW Berlin“. Die Ideen entstanden nicht im stillen Kämmerlein der Professorin des Fachbereichs 2, sondern im Rahmen von studentischen Seminararbeiten sowie in hochschulweiten Workshops. Bei der dritten Veranstaltung im September 2022 waren auch Vertreter*innen der Bezirksverwaltung aus den Bereichen Denkmalschutz, nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz, sowie Gäste aus der Nachbarschaft und die Berliner Regenwasseragentur dabei. „Klimaanpassung trifft Denkmalschutz“, „Regenwasser nicht in die Spree“, oder „Vernetzung mit den Stephanus-Werkstätten“ lauten einige der handschriftlichen Notizen, die nach dem eintägigen Workshop auf bunten Zetteln an den Stellwänden hingen. Alle Ergebnisse sind sorgfältig dokumentiert.

"Wir wollen zeigen was wir können"

Die engagierte Professorin ist froh, mit dem die Hochschulleitung vertretenden Kanzler Claas Cordes einen einflussreichen Mitstreiter an ihrer Seite zu wissen. Beiden ist es ein explizites Anliegen, die Hochschule auch zum Vorbild zu machen. „Wir wollen zeigen, was wir können und was auf einem eigentlich schon fertiggestellten Campus alles möglich ist“, sagt Claas Cordes. Er hält die ökologische Umgestaltung der Außenanlagen auch deshalb für sinnvoll, weil man dadurch nicht nur einen Beitrag zur Bewältigung des veränderten Stadtklimas leiste, sondern auch aufwändige technologische Nachrüstarbeiten an den Gebäuden weniger dringlich würden.

Wildblumen und Fassadengrün machen schon Appetit

Vom „Bauen im Bestand“, sprechen Fachleute in Fällen wie diesen. Dann sind Veränderungen naturgemäß schwieriger umzusetzen als bei Neubauten. Der Campus Wilhelminenhof steht obendrein unter Denkmalschutz, Eingriffe sind also mit der Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Doch Spielräume für den klimawirksamen Umbau gibt es, ist Prof. Dr.-Ing. Zeitner überzeugt. Kleine Maßnahmen konnte sie dank tatkräftiger Unterstützung durch einen Praxispartner, mit dem sie als Wissenschaftlerin im fachlichen Austausch ist, beispielhaft vor Ort realisieren. Dafür schickte die Therme Group kurzerhand u. a. zwei Botaniker zum Campus. Sie legten eine Wildblumenwiese vor Gebäude H an und stellten intelligente Wandbegrünungssysteme für ein studentisches Realprojekt zur Verfügung. „Mit anschaulichen Beispielen fällt die Überzeugungsarbeit leichter“, lächelt Prof. Dr.-Ing. Zeitner.

Beispiel: innovatives Regenwassermanagement

Im Projekt geht es selbstverständlich um größere Maßnahmen. Als da wäre ein innovatives, smartes Regenwassermanagement, das für Abkühlung und die Bewässerung der Pflanzen gleichzeitig sorgen könnte. Bislang werden Dächer und versiegelte Flächen über Leitungen in die Spree entwässert. Die Entsiegelung der Flächen und ihre naturnahe Begrünung wären ein weiterer Beitrag. Auch dies hätte spürbare Abkühlungseffekte. Bestehende Bäume würden erhalten, neue Grünzonen kämen hinzu. Dabei sei sowohl an gefährdete Wildpflanzen gedacht, die in Berlin auf der „Roten Liste“ stehen, als auch an klimatolerante Arten. Die Biodiversität würde also wachsen, mehr Kohlendioxid gebunden werden, ein besseres Mikro- und Makroklima auf dem Campus entstehen. „Mit dem angestrebten Mix kann modellhaft gezeigt werden, welche Baumarten sich für den Standort Oberschöneweide und für ähnliche Standorte in Berlin eignen“, heißt es in der Projektskizze.

Eine Einladung auch an die Anwohner*innen

Von ihr ist auch Claudia Leistner, Bezirksstadträtin für Straßen, Grünflächen und Umwelt und Naturschutz in Treptow-Köpenick, restlos überzeugt. "Hier können Hochschule und Bezirk zeigen, wie Klima- und Artenschutz ganz konkret aussehen, und gleichzeitig der Lebensraum im Kiez noch schöner und grüner wird", sagt sie. Denn dort, wo lebendiges Grün und Wasser aufeinandertreffen, sei die Umgebung kühler und gesünder, lade sie noch mehr Anwohnerinnen und Anwohner zum Verweilen ein. Claudia Leistner würde sich über einen noch grüneren Campus Wilhelminenhof als Begegnungsraum für Jung und Alt sehr freuen. Grüne Infrastruktur zu stärken und voranzubringen, sei ihr eine ganz besondere Herzensangelegenheit.

Die Suche nach Fördertöpfen geht weiter

Bezirk und Hochschule hoffen, die gemeinsam entwickelten Ideen tatsächlich umsetzen zu können. Zwar wurde im März 2023 bekannt, dass der Bauausschuss des deutschen Bundestages anderen Projektskizzen den Vorzug gab. Doch man will sich auf die Suche nach alternativen Fördertöpfen machen. Vielleicht bekommen die violette Schwarzwurzel, der mittlere Sonnentau oder die Sand-Binse, um einige der auf der „Roten Liste“ stehenden Wildpflanzen zu nennen, ja noch eine Chance auf dem Campus Wilhelminenhof?