Zwei Tage im Büro und drei Tage im Homeoffice?

Man könne die Pandemie guten Gewissens „als größtes Homeoffice-Experiment der Geschichte“ bezeichnen, sagt Prof. Dr. Katja Ninnemann. Eine gute Gelegenheit für die auf Digitalisierung und Workspace Management spezialisierte Professorin im Studiengang Facility Management (FB 2), das Thema zum Gegenstand einer Befragung an der eigenen Hochschule zu machen. 158 Beschäftigte nahmen teil, jetzt liegen die Ergebnisse in Gestalt eines 35-seitigen Working Paper vor. Im Interview gibt die Wissenschaftlerin Einblick. Ihre Studie steht zum Download zur Verfügung; den Link finden Sie am Ende des Beitrags.

Welche zentralen Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Wie bei der Mehrzahl der Unternehmen ist das Thema Homeoffice auch an der HTW Berlin nicht mehr wegzudenken. Gewünscht werden zwei bis drei Tage pro Woche. Interessant ist, dass 57 Prozent der Befragten an der Hochschule bereits vor der Pandemie regelmäßig von Zuhause aus gearbeitet haben. Hier lag bei Unternehmen der Durchschnitt bei lediglich ca. 20%; er wird sich jedoch laut Befragungen von Mitarbeiter_innen und Führungskräften in Unternehmen nachhaltig verändern. Die Studie „Working from home?“ zeigt, dass die Beschäftigten vielfältige Gründe für ihre Präferenzen haben.

So bewerten die Befragten an der HTW Berlin das Homeoffice beispielsweise als einladender, angenehmer, motivierender und sympathischer als den Arbeitsplatz an der Hochschule; dieser schneidet beim Thema Funktionalität jedoch besser ab. Eine andere Ursache für die positive Beurteilung des Homeoffice könnten allerdings die Büroformen an der Hochschule darstellen. Befragte, die in einem Mehrpersonenbüro auf dem Campus arbeiten, bewerten ihren Arbeitsplatz als attraktiver, identitätsstiftender und stimulierender als Beschäftigte, die in einem Einzel- oder Zweipersonenbüro sitzen. Tatsächlich arbeiten derzeit lediglich 9% der Befragten in einem Mehrpersonenbüro, 48% hingegen in einem Einzelbüro und 35% in einem Zweipersonenbüro. Hier zeigen sich Potentiale für hybride Arbeitsplatzkonzepte - aber auch Herausforderungen: Entsprechend den Rückmeldungen in der Befragung müssten bei den Mehrpersonenbüros Veränderungen der Arbeitsplatzgestaltung und Ausstattung vorgenommen werden, da diese als weniger funktional bewertet werden.

Die Studie zeigt auch deutlich, dass der Erfolg hybrider Arbeitsplatzkonzepte von den häuslichen Voraussetzungen der Beschäftigten abhängig ist. So verfügt die Mehrheit der Befragten, die das Homeoffice bereits vor der Pandemie regelmäßig genutzt hat, über ein Arbeitszimmer. Und wer ein eigenes Arbeitszimmer hat  (44%), wünscht sich mehr Zeit im Homeoffice als Beschäftigte mit einem Arbeitsplatz in einem Zimmer mit Mehrfachnutzung wie z.B. Wohn-, Schlaf- oder Gästezimmer (40%) oder ohne einen festen häuslichen Arbeitsplatz (10%).

Darüber hinaus weisen die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass persönliche Bedingungen von Mitarbeiter_innen bei der Planung hybrider Arbeitsplatzkonzepte zu berücksichtigen sind. So zeigen sich Geschlechterunterschiede sowie Differenzen bei den Status- und Altersgruppen: Die Mehrheit der männlichen Befragten (50%), Professor_innen (55%) sowie der Befragten in der Altersgruppe 51-60 Jahre (49%) verfügt über ein eigenes Arbeitszimmer, aber lediglich 35% der Frauen, 33% der Verwaltungsmitarbeiter_innen, 27% der wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen sowie 15% der Beschäftigten in der Altersgruppe 31-40 Jahre.

Gab es Überraschungen?

Überraschend waren noch weitere geschlechterspezifische Unterschiede. Zum einen haben sich an der Befragung mehr Frauen als Männer beteiligt – bei einem sonst ausgeglichenen Geschlechterverhältnis an der HTW Berlin. Und Frauen haben die Möglichkeiten für freie Kommentare und Hinweise aktiver genutzt. Dies könnte u.a. daran liegen, dass sie in der Pandemie stärker beeinträchtigt und im Homeoffice gefordert sind – wie aktuelle Studien belegen – und sich damit intensiver mit dem Thema Arbeitsplatzflexibilität auseinandersetzen.

Es könnte aber auch daran liegen, dass Frauen den Erkenntnissen meiner Studie zufolge sowohl die Attraktivität des Arbeitsplatzes als auch emotionale Faktoren wie Identität und Stimulation als relevanter bei der Bewertung der Arbeitsplatzqualität einstufen als ihre Kollegen. So haben die weiblichen Befragten beispielsweise den Arbeitsplatz auf dem Campus als phantasieloser, konventioneller, herkömmlicher und konservativer und das Homeoffice hingegen als kreativer, neuartiger, origineller und innovativer als die männlichen Befragten bewertet.

Welche Empfehlung würden Sie geben?

Der Hochschulverwaltung kommt bei der Gestaltung hybrider Arbeitsmodelle eine hohe Verantwortung zu. Es gilt einerseits soziale, organisationale, kulturelle, ökonomische und ökologische Aspekte zu managen sowie auf der anderen Seite differenzierte Bedürfnisse der Nutzer_innen auszuhandeln und zu priorisieren. Das sind neue Handlungsfelder und dafür bedarf es neuer Handlungskompetenzen in der Verwaltung. Zur Unterstützung innovativer und nachhaltiger Strategien benötigen wir aber auch weitere Untersuchungen und experimentelle Freiräume.

Ich möchte gerne gemeinsam mit Kolleg_innen hybride Lern-und Arbeitsumgebungen in einem Reallabor Campus HTW Berlin erforschen und erproben, und zwar im Kontext des Forschungsclusters „Sustainable Smart City“, das wir gründen wollen. Damit können wir neue Erfahrungen und vor allem neue empirische Erkenntnisse gewinnen. Das würde bei strategischen Entscheidungen im Rahmen von (E-)Campusentwicklungsprojekten sowie Bau- und Sanierungsmaßnahmen an der Hochschule von großem Nutzen sein und auch externe Akteur_innen sowie Kooperationspartner bei der Digitalisierung von Lehren, Lernen und Arbeiten unterstützen.

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