Pädagogische Impulse für den Alltag in der Kita

Wie ermutige ich das stille Mädchen in der Bärengruppe, sich stärker einzubringen? Wie bekomme ich den Jungen in der Löwengruppe dazu, sich selbst anzuziehen, was er zuhause immer macht, aber nie in der Kindertagesstätte (Kita). Mit welcher Spielidee begleite ich die Elefantengruppe in die Bau-Ecke? Täglich stehen Erzieher_innen vor der Herausforderung, Kinder nicht nur zu betreuen, Windeln zu wechseln oder für Ruhe zu sorgen, sondern auch ihre individuelle Entwicklung zu fördern. Viel Zeit zum Nachdenken dafür haben sie im Kita-Alltag nicht, von der Konsultation eines Fachbuchs ganz zu schweigen. Doch der Wunsch nach fachlicher Hilfestellung ist da. Im Projekt „PIIQUE“ entwickeln das Team um Prof. Alexander Müller-Rakow (HTW Berlin) und Prof. Dr. Corinna Schmude (Alice Salomon-Hochschule) maßgeschneiderte pädagogische Impulse. Sie werden dabei vom Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin) gefördert.

Selbstbeobachtungskits zum Einstieg

Die Bedürfnisse der Erzieher_innen kennen die Wissenschafler_innen mehr als ein Jahr nach Projektstart schon sehr gut. Das ist insofern nicht selbstverständlich, als dass die Pandemie im April 2019 das Aus bedeutete für die ursprünglich zum Auftakt geplanten Workshops, die persönlichen Gespräche, die eigenen Beobachtungen in den Kitas. „Wir mussten uns etwas Neues einfallen lassen“, sagt Prof. Müller-Rakow. Gemeinsam mit seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Antonia Schäfer und mit Kommunikationsdesign-Studentinnen entwickelte er ansprechend gestaltete Selbstbeobachtungskits, die einluden, sich mit den Fragen der Wissenschaftler_innen zu beschäftigen. Antonia Schäfer überreichte die Kits meist selbst; nicht von ungefähr zählen Feedback-Methoden, Benutzerforschung und Benutzerverhalten zu den Spezialthemen der Absolventin des Studiengangs Kommunikationsdesign. Ein kurzes Erklärvideo sorgte außerdem für die persönliche Ansprache. 

Fotos, Collagen und Postkarten kamen zurück

Diese Ansprache hat offenkundig bestens geklappt. Bei den Antworten auf die ideenreich und vielfältig aufbereiteten Fragen im Kit ließen es die Erzieher_innen und Studierenden der Frühpädagogik, die nach Studienabschluss in Kitas tätig sein werden, ebenfalls nicht an Kreativität fehlen. Sie machten Fotos, klebten Collagen, entwarfen Skizzen, schrieben Postkarten. Was ins Büro von Antonia Schäfer zurückkam, erwies sich als wunderbarer Fundus für die nunmehr anstehende Entwicklung der neuen Formate. 

Enge Verbindung zum Kita-Alltag ist wichtig

Dass diese Formate eine sehr enge Verbindung zum Kita-Alltag haben müssen, ist allen klar geworden. Wichtig wird auch sein, den kollegialen Erfahrungsaustausch zu intensivieren. Denn Erzieher_innen berichten von ähnlichen Lernphasen im Beruf und könnten bzw. möchten einander mehr helfen. Dritter Punkt: Die Entscheidungsspielräume für das Personal sind von Kita zu Kita unterschiedlich groß. Auch auf diese Unterschiede müssen die künftigen Angebote Rücksicht nehmen. 

Auf den richtigen Medien-Mix kommt es an

Welche Medien lassen sich nun wofür einsetzen? Fest steht, dass es ein Mix wird, man also crossmediale Formate konzipieren wird. Denn Erzieher_innen sind, das hat die positive Erfahrung mit den Selbstbeobachtungskits gezeigt, mit Papier und Stift unterwegs, jedoch auch immer häufiger in der digitalen Welt. Vielleicht ein digitales Board, auf dem die Erzieherin schnell eine Notiz hinterlassen kann und das inhaltlich passende Lernmaterial später über ein digitales Endgerät bereitgestellt wird? Oder ein interaktiver Teppich, auf dem der in Kitas übliche Morgenkreis Platz nimmt?

Prototypen aus dem eigenen Labor

Das Designteam der HTW Berlin hat bereits verschiedene Ideen und wird nun die ersten Prototypen entwickeln. Dafür steht mit dem Labor Physical and Ubiquitous Computing des Studiengangs Kommunikationsdesign auch das passende technische Equipment zur Verfügung. Dort sieht es übrigens aus wie in einer Werkstatt für Elektrotechnik, und auch der Laie begreift, dass Designer_innen bei der Gestaltung von interaktiven Medien die Grenzen ihrer Disziplin längst überschritten haben.

Kompetente Partner im Projekt

Bei alledem arbeiten Prof. Müller-Rakow, Antonia Schäfer und Anna Brauwers, Melanie Kirberg-Böhm und Barnabás Böröcz eng mit kompetenten Partnern zusammen. Die erziehungswissenschaftliche Expertise im Bereich Frühpädagogik steuert das Team der Alice-Salomon-Hochschule bei. Hinzukommen die E-Learning Expert_innen und Referenten_innen der FRÖBEL gGmbH, Deutschlands größtem überregionaler Träger von Kindertageseinrichtungen, der selbst über 200 Krippen, Kindergärten und Horte betreibt und einen hervorragenden Ruf genießt, sowie der regionale Kita-Träger pad gGmbH . Und da ist das Studio Sansho, das sich auf digitales experimentelles Design spezialisiert hat. Mit im Boot ist auch ein wissenschaftlicher Beirat mit Expert_innen aus ganz Deutschland. Sie virtuell unkompliziert hinzuziehen zu können, war wiederum ein Vorteil der Pandemie.

Die Erzieher_innen werden testen

Beim späteren Test der Prototypen für die digitalen Lerntools kommen die Erzieher_innen wieder ins Spiel. Ihre Bewertung ist für alle Beteiligten von enormer Bedeutung. Denn eines ist klar: Wenn die Angebote keinen Platz im turbulenten und von Spontanität geprägten Kita-Alltag finden, helfen sie nicht bei der von allen gewünschten Professionalisierung, sondern versauern in der Schublade. Das sollte auch im Interesse der Kinder nicht geschehen, findet das gesamte PIIQUE-Team. Ihrer Meinung legen Kindertagesstätten den Grundstein dafür, wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene später in Schule und Hochschule lernen. Das werde viel zu oft vergessen.

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