Von der schönen Weyde zum Campus Wilhelminenhof
Am Putz des Gebäudes wären die schönen Pläne für die Fahrzeughalle beinahe gescheitert. Die grobkörnige Oberfläche ließ die ersten Testbuchstaben wie täppische Kleckserei wirken. Ein erfahrener Graffitikünstler half schließlich aus der Patsche. Dann klebten, sprayten und cutteten Frank Fiedler, Philipp Ganzer und Carolina Brack im Team: Erst wurde eine bedruckte Dreischichtfolie aufgebracht, dann eine Lage abgezogen, mit schwarzer Farbe gesprayt, eine weitere Folie abgezogen, zuletzt die sogenannten Punzen, also die Innenflächen der Buchstaben, mit einem Cutter herausgeschnitten. Sechs Wochen brauchten der Werbegestalter, der Graffitikünstler und die freie Künstlerin, um alle Textbausteine auf die Fassade von Gebäude D aufzubringen.
Prominenter Platz für das traditionsreiche KWO-Signet
Zu den Texten gesellte sich das KWO-Logo, das bis März 2019 auf Gebäude C thronte, aber aus Sicherheitsgründen abgenommen werden musste. Am Boden entpuppten sich die in der Höhe mächtig wirkenden Lettern als erstaunlich filigran. Einzeln wurden sie für die Montage an der Gebäudefassade vorbereitet. Dafür musste sich das Metallbauunternehmen Andreas Schulz eine völlig neue Unterkonstruktion überlegen. Denkarbeit war nötig und viel Feingefühl beim Rangieren mit dem Teleskopstapler, um die Kabeltrommel und die drei Buchstaben stabil an der Wand zu befestigen.
LED-Schläuche illuminieren das Signet
Auch eine neue Beleuchtung wurde installiert. Früher ließen handgearbeitete Hochspannungsröhren das Signet weithin strahlen. Doch die Röhren waren schon lange defekt, eine Sanierung wäre mangels geeigneter Leuchtmittel ebenso schwierig wie teuer geworden. Stattdessen rücken LED-Schläuche das KWO-Logo ins rechte Licht. Stolze 19 Schlauchmeter umrunden das "W", das "K" bringt es auf 16 Meter, die Kabeltrommel und das "O" zusammen auf zwölf Meter. Neue Leuchten, die über die gesamte Fassadenlänge in Traufhöhe installiert wurden, sorgen dafür, dass man auch die informativen Elemente im Dunkeln gut erkennen kann.
Große Fotos lassen die Historie anschaulich werden
Weil niemand nur Texte lesen will und die Fassade schon aus der Entfernung neugierig machen soll, sorgen große Fotos dafür, dass die Geschichte anschaulich wird. Ein Bild des AEG-Gründers Emil Rathenau und seiner Frau Mathilde Rathenau durfte beispielsweise nicht fehlen, auch Peter Behrens war unverzichtbar sowie eine Luftaufnahme des gewaltigen Produktionsgeländes der AEG aus den 40er Jahren. Über 40 historische Aufnahmen wurden ausgewählt und von der Firma Behrendt Werbetechnik auf dünne Aludibond-Platten gedruckt. Dieses Material gewährleistet die gewünschte Schärfe und Bildqualität. Platte für Platte schraubten die Arbeiter die Fotos an.
400 Jahre Geschichte auf 60 Metern Fassade
Auf 60 Metern stellt die Fassade eindrucksvoll die Geschichte des traditionsreichen ehemaligen Industriestandorts dar. Sie fängt bei der 1598 zum ersten Mal in Urkunden erwähnten „Schönen Weyde“ an und hört beim Einzug der HTW Berlin in die unter Denkmalschutz stehenden früheren Industriegebäude auf. Was dazwischen passierte, wird in drei großen Themensträngen aufgegriffen. Texte und Bilder beschreiben die Veränderungen des Ortes, die Entwicklung der Industrie und präsentieren Menschen, die dabei eine wichtige Rolle spielten. Auch Kriegsproduktion und die damit verbundene Zwangsarbeit bleiben nicht ausgespart. Details, weiterführende Links und Fotos, die nicht auf die Fassade passten, wurden für eine Webseite verarbeitet.
Konzept und Gestaltung sind ein Gemeinschaftswerk
Konzept und Gestaltung entstanden als Gemeinschaftswerk im Fachbereich Gestaltung und Kultur. Regie führten Prof. Dr. Dorothee Haffner und Prof. Dr. Tobias Nettke aus dem Studiengang Museumskunde sowie Prof. Florian Adler aus dem Studiengang Kommunikationsdesign. Zwei Jahre beteiligten die drei Hochschullehrer_innen zahlreiche Studierende an der inhaltlichen Recherche und der Entwicklung der gestalterischen Ausführung. Die praktische Realisierung des Projekts nahm die Abteilung Technische Dienste der Hochschule in die Hand. Dafür war auch die Zustimmung der Unteren Denkmalschutzbehörde nötig. Denn der Campus Wilhelminenhof steht unter Ensembleschutz.
Erinnerung an einen traditionsreichen Industriestandort
Mit der Fassade, die jederzeit und kostenlos besichtigt werden kann, trägt die HTW Berlin zur Erinnerung an den traditionsreichen Industriestandort Oberschöneweide im öffentlichen Raum bei. Ziel ist es, Wissen über handelnde Personen und historische Zusammenhänge zu vermitteln sowie eine aktive Auseinandersetzung mit dem Ort und seiner Geschichte anzuregen.
Ausführlichere Informationen finden Sie auf der Projekt-Webseite.