Dschungel statt Warteraum und eine App für die Ärztin
Was hat Design mit Zahngesundheit zu tun? Sehr viel, weiß das fünfköpfige Team des zahnärztlichen Diensts Neukölln, seitdem es die Kommunikationsdesignerin Daniela Hensel kennengelernt hat. Zwei Jahre lang beschäftigte sich die HTW-Professorin mit der kleinen Berliner Behörde, die jedes Jahr 21.000 Kindern aus 150 Kitas, 70 Schulen und 50 Pflegestellen im Bezirk bei einer Reihenuntersuchung „auf den Zahn fühlt“. Was bei dem Forschungsprojekt herauskam, war so überzeugend, dass Gesundheitsstadtrat Falko Liecke zur Pressekonferenz lud: Kindgerecht gestaltete Räume, klug überarbeitete Formulare und obendrein eine hilfreiche Analyse des ganzen Procedere. „Diese Leistungen hätten wir niemals einkaufen können“, freut sich Pressesprecher Hannes Rehfeldt.
„Service Design“ nennt man es, wenn Dienstleistungen in enger Zusammenarbeit mit einer Organisation weiterentwickelt werden. Prof. Daniela Hensel schätzt die Methode sehr: „Man bleibt nicht im stillen Kämmerlein, sondern spricht mit allen Beteiligten, beobachtet vor Ort, erfährt durch Befragungen mehr über die individuelle Wahrnehmung und entwickelt gemeinsam neue Ideen“. Schon Kinder können sehr genau beurteilen, was sie gut finden und was ihnen weniger behagt.
Wenn man die Jungen und Mädchen tatsächlich einbezieht, wie es Daniela Hensel und ihre Mitarbeiterin Johanna Götz taten. Sie machten dabei aufschlussreiche Erfahrungen. Den Wartesaal des zahnärztlichen Dienstes fanden die Kinder beispielsweise langweilig, weshalb er sich in einen bunten Dschungel mit dem Maskottchen „Kroko“ und neuen Freunden verwandelte, vor dem niemand Angst haben muss. Der ohnedies geplante Umzug der Behörde lieferte die passende Gelegenheit für die Neugestaltung. Eine kindgerechte Animation hilft der Zahnärztin nunmehr bei der Unterscheidung von Backen- und Schneidezahn. Eine App motiviert zum regelmäßigen Zähneputzen. Postkarten zum Ausmalen mit schönen Grüßen an Papa und Mama überbrücken nicht nur die unvermeidbare Wartezeit, sondern informieren die Eltern gleich über das Thema Zahngesundheit.
Zuguterletzt schrumpften die in die Jahre gekommenen Formulare, die Eltern um die Erlaubnis zur Verabreichung von Fluorid bitten sowie über das aufklären, was beim zahnärztlichen Dienst passiert ist, durch sorgfältige Überarbeitung von sieben langen und umständlich formulierten Seiten auf fünf gut verständliche Seiten. Es handelt sich nun um eine klare und verbindliche Handlungsanweisung für die Eltern. Ein QR-Code führt außerdem zur Übersetzung in drei verschiedenen Sprachen – ein wichtiger Service für Neukölln, in dem die Mehrzahl der Kinder einen Migrationshintergrund hat.
Nach zwei Projektjahren waren alle Beteiligten zufrieden mit der Win-win-Situation. Bei der abschließenden Pressekonferenz richteten Gesundheitsstadtrat Falko Liecke und Prof. Daniela Hensel den Blick hoffnungsvoll in die Zukunft. Potential gebe es reichlich, fanden sie. Jeder der zwölf Berliner Bezirke hat einen zahnärztlichen Dienst, der von den Ergebnissen des Forschungsprojektes direkt profitieren kann.
Das Projekt „DISK“ wurde vom Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin) gefördert. Beteiligt war auch die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Eine ausführliche Projektbeschreibung finden Sie auf der Webseite.