Zukunftskompetenzen im Vertrieb: Erfolgsfaktoren für Teams

Kai Reinhardt vor grauem Hintergrund

Prof. Dr. Kai Reinhardt forscht zu digitaler Unternehmensführung, Künstlicher Intelligenz und Organisationsstrukturen. Als Ergebnis des Projekts „Future Skills“, das Reinhardt mit dem Bundesverband der Vertriebsmanager durchgeführt hat, ist ein Buch entstanden: "Zukunftskompetenzen im Vertrieb: Toolbox und Strategien zur Entwicklung zukunftsfähiger Vertriebsteams".

Welche Zukunftskompetenzen brauchen Vertriebsteams, um erfolgreich zu sein?

Kai Reinhardt: Der Vertrieb steht heute vor gewaltigen Herausforderungen: Digitale Transformation, anspruchsvolle Kunden und ein intensiver Wettbewerb setzen Teams unter Zugzwang. Wie behaupten sie sich in diesem Umfeld — und das langfristig? Unsere Forschung zeigt: Strategisches Kompetenzmanagement ist der Weg, um nachhaltig erfolgreich zu bleiben. Wir haben vier zentrale Kompetenzbereiche identifiziert, die in der Zukunft entscheidend sind und eng miteinander verwoben sind.

  • Erstens, Kundenbindung und -entwicklung: Es geht darum, die Kundenreise wirklich zu durchdringen — nicht nur Produkte zu verkaufen, sondern Lösungen anzubieten, die echte Partnerschaften fördern und den langfristigen Wert eines Kunden steigern.
  • Zweitens, Verhandlungskompetenz: Stellen Sie sich ein Team vor, das einen komplexen Großauftrag verhandelt — hier sind Überzeugungskraft und die Fähigkeit, für beide Seiten vorteilhafte Lösungen zu finden, entscheidend.
  • Drittens, digitale Kompetenzen: Datenanalyse ist im modernen Vertrieb unverzichtbar. Vertriebsprofis müssen in der Lage sein, Markttrends zu entschlüsseln, Technologien wie CRM-Systeme effektiv zu nutzen und datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Digitale Fähigkeiten sind ein Muss!
  • Viertens, Teamdynamik und kulturelle Flexibilität: In einer global vernetzten Welt arbeiten Vertriebsteams oft über Ländergrenzen hinweg — interkulturelle Sensibilität und Zusammenarbeit sind entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen aufzubauen.

Diese Kompetenzen sind der Schlüssel, um in der Zukunft zu bestehen — und sie entstehen durch gezieltes Kompetenzmanagement.

Wie definieren Sie „Future Skills“ im Vertrieb? Welche klassischen Vertriebspraktiken haben ausgedient?

Future Skills im Vertrieb beginnen mit einem zentralen Element: Lernagilität — der Fähigkeit, sich kontinuierlich an neue Technologien, Marktveränderungen und Kundenwünsche anzupassen. Doch es gibt nicht den einen allumfassenden Future Skill. Die Forschung im Vertrieb steht hier erst am Anfang, und der Begriff ist in der Diskussion noch nicht festgelegt. Aus diesem Grund haben wir einen empirisch fundierten Kompetenzrahmen mit zwölf Schlüsselkompetenzen entwickelt, basierend auf einer umfassenden Analyse von Stellenprofilen, Arbeitsmarktdaten und Interviews mit Vertriebsführenden. Dieser Rahmen bietet Orientierung für den operativen Vertrieb, unterstützt HR bei der Auswahl neuer Talente und hilft strategisch, neue Geschäftsfelder aufzubauen. Kompetenzen entstehen nicht durch reine Schulungen — sie entwickeln sich in der Praxis, etwa wenn ein Key-Account-Manager durch datenbasierte Kundenanalysen gezielt die Zusammenarbeit vertieft oder eine Vertriebsleiterin durch strategisches Netzwerkmanagement neue Märkte erschließt. Future Skills sind die Werkzeuge, die Vertriebsteams in einer komplexen Welt stark machen.  Und was hat ausgedient? Klassische Ansätze wie Kaltakquise oder standardisierte Verkaufspitches greifen heute kaum noch — sie wirken oft wie aus der Zeit gefallen. Früher war „Always Be Closing“ die Devise, heute geht es um „Always Be Collaborating“. Der moderne Vertrieb ist ein Partner, der durch Ansätze wie Collaborative Selling oder datengetriebene Kundenstrategien Mehrwert schafft.

Sie sprechen im Buch von einem Paradigmenwechsel im Vertrieb. Was sind die zentralen Treiber dieses Wandels?

Der Vertrieb befindet sich in einer Phase tiefgreifender Veränderung — ein Wandel, der von drei zentralen Treibern vorangetrieben wird: Digitalisierung, neue Kundenbedürfnisse und der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit.

  • Digitalisierung hat die Spielregeln neu geschrieben: Datengetriebene Ansätze wie KI-basierte Verkaufsprognosen oder Customer Insights Management sind heute unverzichtbar, besonders für Rollen wie Digital Sales Manager oder Revenue Analysts.
  • Gleichzeitig haben sich Kunden verändert — sie fordern Lösungen, die individuell und authentisch sind, weit über standardisierte Angebote hinaus. Das macht empathisches Beziehungsmanagement zur Grundlage für nachhaltigen Erfolg, denn nur wer Kunden wirklich versteht, kann sie langfristig binden.
  • Der dritte Treiber, Nachhaltigkeit, verändert die Perspektive: Entscheider*innen auf Kundenseite setzen zunehmend auf verantwortungsbewusstes Handeln. Unsere Analysen zeigen jedoch, dass Ansätze wie Sustainable Selling — also Verkaufsstrategien mit Fokus auf Nachhaltigkeit — im Vertrieb noch nicht flächendeckend umgesetzt werden. Dabei bietet nachhaltiges Handeln enorme Chancen. Hier braucht es gezielten Kompetenzaufbau. Denn nachhaltiges Handeln schafft nicht nur Vertrauen, sondern liefert Marktchancen, beispielsweise durch die Integration von ESG-Kriterien in die Vertriebsstrategie.

Wie verändert Künstliche Intelligenz die Anforderungen an Vertriebsführungskräfte und -teams?

Künstliche Intelligenz ist für den Vertrieb weit mehr als ein Werkzeug — sie ist eine transformative Kraft, die die Anforderungen an alle Vertriebsrollen neu definiert. Unsere Daten zeigen das klar: KI eröffnet neue Wege, Kund*innen tiefgehend zu verstehen, etwa durch die Analyse von Verhaltensmustern oder die präzise Auswertung von Kundenstimmungen. Was bedeutet das für Rollen wie Innendienstmitarbeitende oder Angebotsmanager*innen? Sie müssen sich neu aufstellen — technisch, aber auch strategisch. Vertriebsführungskräfte stehen dabei hier vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen ihre Teams nicht nur technisch fit machen, sondern auch eine Kultur etablieren, die ethische Standards in den Mittelpunkt stellt — wie setzen wir KI ein, um Vertrauen zu fördern, statt es zu riskieren? Gleichzeitig bleibt das Menschliche zentral: Während KI Daten liefert, ist die Fähigkeit, echte Beziehungen aufzubauen, entscheidend. Für Führungskräfte bedeutet das, Technologie und Empathie in Einklang zu bringen — eine Aufgabe, die Weitsicht und Neugier erfordert. KI soll nicht ersetzen, sondern unterstützen. 

Welche Rolle spielen Diversity und Inklusion bei der Entwicklung zukunftsfähiger Vertriebsteams?

Auch Diversity und Inklusion sind kein bloßes Schlagwort mehr — sie sind der Schlüssel, um Vertriebsteams zukunftsfähiger zu machen. Wenn Kund*innen aus unterschiedlichsten Kulturen und Kontexten kommen, ist Vielfalt nicht nur ein formaler Aspekt, sondern eine echte strategische Kompetenz, die Vertriebsteams bewusst entwickeln können. Warum? Weil diverse Teams anders handeln — sie bringen Perspektiven ein, die Innovation fördern und Lösungen schaffen, die resonieren. Ein Vertriebsteam, das die Vielfalt seiner Kunden widerspiegelt, versteht deren Bedürfnisse tiefer und baut stärkere Beziehungen auf. Inklusion geht aber noch weiter: Sie sorgt dafür, dass jede Stimme gehört wird, dass Ideen toleriert werden und Innovation beim Kunden entsteht. Das erfordert neue Skills und Ansätze, wie etwa Inclusive Selling, bei dem interkulturelle Sensibilität im Mittelpunkt steht, oder die Fähigkeit, vielfältige Kundengruppen gezielt anzusprechen. Wir wissen aus anderen Studien, dass Unternehmen mit diversen Teams höhere Umsätze erzielen, weil sie Kunden besser erreichen. Diversity und Inklusion führen also zum klugen Aufbau neuer Kompetenzstrukturen für mehr Widerstandsfähigkeit und Kreativität, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.