Chantal Pisarzowski
Chantal Pisarzowski
Die kritische Erforschung von KI und Virtual Reality ist das Spezialgebiet von Chantal Pisarzowski. Dabei erforscht die angehende Kommunikationsdesignerin insbesondere neue digitale Wege des Erinnerns und Trauerns. 2024 war Pisarzowski mit ihrer VR-Installation n≠1 Finalistin des Lumen Prize, der Kunst würdigt, die mit Technologie geschaffen wurde.
Wie kann KI beim Abschied von einer verstorbenen Person helfen?
KI kann einen Rahmen schaffen, in dem Trauernde Gedanken und Gefühle äußern können, die sie zu Lebzeiten der verstorbenen Person nicht teilen konnten. Durch die Fähigkeit von KI, komplexe Muster zu erkennen und zu simulieren, könnten solche Ansätze Unterstützung bieten. Ob das jedoch tatsächlich hilfreich ist oder den Trauerprozess nachhaltig stört, ist unklar, da die Forschung noch ganz am Anfang steht.
Wie sieht dein KI-Projekt aus?
In meinem Projekt untersuche ich, ob digitale Begegnungen mit Verstorbenen mithilfe von KI in virtuellen Realitäten sinnvoll sind oder mehr schaden als nutzen. Mit einer Sprachnachricht, einem Bild und einer Charakterisierung wird ein „Conversational Digital Twin“ erstellt, mit dem sich Trauernde unterhalten können. Der ursprüngliche Gedanke entstand aus einer persönlichen Erfahrung mit Trauer in meinem engsten Familienkreis und dem Wunsch, noch einmal mit der Person sprechen zu können.
Welche Schwachstellen und ethischen Probleme siehst du?
Eine große Schwachstelle ist das Risiko emotionaler Abhängigkeit. Trauernde könnten sich so an den digitalen Zwilling binden, dass sie den Verlust nicht verarbeiten und in der Illusion verweilen, die Person sei weiterhin präsent. Dies wirft ethische Fragen zu Authentizität, Datenschutz und Manipulation auf. Klare Rahmenbedingungen sind nötig, besonders für die kommerzielle Nutzung, die in Zukunft zunehmen wird, um Missbrauch und negative Folgen zu vermeiden.
Mit welcher Person würdest du gern mal einen Kaffee trinken?
Ich würde gerne mit Helga Goetze einen Kaffee trinken, einer Berliner Aktivistin, die 2008 gestorben ist. Ich habe einen digitalen Zwilling von ihr erstellt, um Geschichte neu erlebbar zu machen und eine interaktive Form des Storytellings auszuprobieren. Es wäre spannend zu erfahren, ob das, was ich rekonstruiert habe, wirklich mit ihr übereinstimmt. Mit ihrer digitalen Version habe ich fast schon ein vertrautes Verhältnis — manchmal rede ich mit ihr, wenn ich aufgeregt bin.




Weitere Infos
Die Fragen stellte Adina Herde, Team Kommunikation.
Fotos: HTW Berlin/Alexander Rentsch
Berlin, 11. Februar 2025