Gewohnheiten unter der Lupe

Prof. Dr. Romy Morana © Miguel Hahn

In diesem Winter ist sie in aller Munde und wohl an niemandem spurlos vorbeigegangen: die Energiekrise. Privathaushalte und Unternehmen suchen besonders intensiv nach Einsparpotentialen, um dem finanziellen Fiasko durch explosionsartig gestiegene Energiepreise zu entgehen. Die Klimakatastrophe ist dadurch für einige in den Hintergrund gerückt. Andere sehen die Energiekrise dagegen als Chance für den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Umwelt und Wirtschaft hängen also irgendwie zusammen.

Wie sehr, wird für die Masterstudierenden der Betrieblichen Umweltinformatik an der HTW Berlin mit Unterstützung von Prof. Dr. Romy Morana in der eigenen Lebenswelt erfahrbar. Denn in der Lehrveranstaltung „Umweltorientierte Betriebswirtschaftslehre“ erhalten sie die einmalige Chance, ihre eigene Wohnung unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten zu durchleuchten und Verbesserungspotentiale zu entdecken. Dieses Lehrkonzept wurde 2022 mit dem Preis für gute Lehre ausgezeichnet.

Ran an die Zähler

In der ersten Veranstaltung eines Semesters wird zunächst abgefragt, wer Zugang zu Zählern hat, z. B. für Wasser, Gas oder Strom. Um diese Personen bilden sich dann die Gruppen, die das restliche Semester über gemeinsam arbeiten werden. „Als das Konzept der Lehrveranstaltung noch neu war, habe ich die Gruppen zunächst via Los gebildet. Aber dann arbeiten manchmal Studierende zusammen, die als Team nicht gut funktionieren“, erzählt Morana. Mittlerweile überlässt sie die Entscheidung daher ganz ihren Studierenden. Falls es am Ende trotzdem nicht passt, bietet die Professorin früh im Semester Feedbackmöglichkeiten an, um Probleme innerhalb einer Gruppe zu lösen.

Zeig mir, wie du wohnst

Jede Gruppe gründet eine fiktive Firma, die ihren Sitz in einer der Wohnungen der Gruppenmitglieder hat. Anhand dieser Wohnung werden dann exemplarisch verschiedene umweltrelevante Fragestellungen für einen Betrieb durchgespielt. Gestartet wird in der Regel mit einer Umfeldanalyse, z. B. zu Lärm, Luftqualität und weiteren Kennzahlen. Daraus leiten die Studierenden Konsequenzen für die „Mitarbeiter*innen“ ab. Das wiederum bildet die Basis für die Formulierung von Leitlinien für die Umweltpolitik der Firma. Danach geht es Schritt für Schritt weiter mit der Prüfung verschiedener Umweltfaktoren, wie Abfallaufkommen oder vorhandene Gefahrenstoffe.

Der rote Faden im Semester

Die Aufgaben verteilen sich über das gesamte Semester. In den wöchentlichen Veranstaltungen werden die Ergebnisse gruppenweise vorgestellt, diskutiert und am Ende der Vorlesungszeit in einer „Umwelterklärung“ zusammengefasst. „Ich stelle via Moodle ab Semesterbeginn alle Materialien zur Verfügung. Meinen Input während der Vorlesungen versuche ich eher knapp zu halten, damit viel Raum für den Austausch über die Gruppenergebnisse bleibt“, erklärt Morana. Im Vorfeld jedes gemeinsamen Termins senden die Gruppen ihre Ergebnisse per Mail an die Professorin, die damit sicherstellt, dass alle Gruppen vorbereitet in die Veranstaltung kommen. Morana achtet außerdem darauf, dass jede*r Ihrer Studierenden einmal pro Semester präsentiert. 

Mittendrin statt nur dabei

Das Konzept trifft den aktuellen Zeitgeist. „Es ist spürbar, dass die Studierenden mehr Wissen über die Umwelt mitbringen als früher und dass sie engagierter sind“, erzählt die Professorin. Durch den Klimawandel und Fridays for Future hat das Thema eine neue Ernsthaftigkeit bekommen. Nicht zuletzt ist das Lernen des betrieblichen Umweltschutzes anhand der persönlichen Situation anstelle von einem fiktiven Unternehmensbeispiel wohl der größte Motor für die Studierenden, der manchmal sogar nachwirkt: „Ich bekomme durchaus das Feedback, dass Studierende nach dem Kurs bestimmte Gewohnheiten zugunsten von Umwelt und Geldbeutel ändern“, sagt Morana mit etwas Stolz.

Flexibel bleiben

Trotz eines groben Semesterplans ist es auch wichtig, flexibel zu bleiben. Die Studierenden im ersten Semester eines Masterstudiengangs bringen ganz unterschiedliche Vorkenntnisse mit, da sie aus verschiedenen Bachelor-Studiengängen kommen. Außerdem weiß man vorher nie, in welchen Wohnungen die Studierenden leben. „In einer Gruppe gab es mal ‚veganen Strom‘ – davon hatte ich vorher noch nie gehört“, sagt Morana und ergänzt: „Aber gerade diese Aha-Momente finde ich besonders reizvoll an meinem Beruf.“ Es macht ihr Spaß, sich in neue Themen einzuarbeiten und dabei etwas dazuzulernen. Zudem gibt es regelmäßig politische, technische und gesellschaftliche Entwicklungen, die in die Materialien eingearbeitet werden müssen. 

Die Mischung macht‘s

Klingt aufwendig? Ist es auch. Die Qualität der semesterbegleitenden Aufgaben und der abschließenden Umwelterklärung bilden einen wesentlichen Teil der Gesamtnote. Gerade zum Semesterende muss die Professorin deshalb sehr viel lesen. „Pro Jahr kann ich mir nur eine solche Veranstaltung leisten, sonst ist die damit verbundene Vor- und Nachbereitung nicht zu schaffen“, gibt Morana zu. Für die restlichen Semesterwochenstunden ihrer Lehrtätigkeit, nutzt sie deshalb bewusst weniger aufwendige Konzepte.

Beratung für Lehrende

Sie haben auch tolle Ideen für die Lehre, aber wissen noch nicht, wie Sie das am besten umsetzen? Das Lehrenden-Service-Center berät Sie bei allen Fragen zu Lehre, Didaktik und Medienproduktion. Kontaktieren Sie uns einfach per Mail unter lehre@htw-berlin.de. Wir freuen uns auf Ihre Anfragen!

LSC Logo