Swapits statt Euro für das neue T-Shirt
Haben Sie schon einmal fünf Swapits für eine Bluse bekommen, die Ihnen zu eng geworden ist, und diese fünf Swapits in ein T-Shirt investiert, das perfekt zu Ihrer Lieblingshose passt? Vermutlich nicht, denn so viele _SWAP-Events gibt es noch nicht. Doch das könnte sich ändern. Die HTW-Absolventin Lea Gleisberg arbeitet daran, ihre im Masterstudiengang System Design entwickelte Idee mit einem Gründungsstipendium in ein Unternehmen zu verwandeln. “Wer Kleidung tauscht, verlängert ihre Lebensdauer und kauft weniger neue Textilien“, sagt die 28-jährige. Und nicht nur das: Der professionell organisierte Kleidertausch verwandelt sich mit ihrer Hilfe in einen Event. Die guten Stücke werden ansprechend präsentiert, die Kundschaft kommt miteinander ins Gespräch, es kann Getränke geben und ein Buffet, wenn gewünscht, legt ein DJ Musik auf. Vorläufiger Höhepunkt war der SportSWAP bei der Fußball-Europameisterschaft in Berlin. „200 Leute hatten Spaß beim Stöbern, freuten sich über coole Sportkleidung und kamen ganz nebenbei mit dem Thema Nachhaltigkeit in Berührung“, erinnert sich Lea Gleisberg.
Kleidertausch-Premiere beim 1. FC Internationale Berlin
Mit Fußball fing sowieso alles an. Lea Gleisberg spielte im FC Internationale Berlin 1980, als der in Schöneberg ansässige Verein beschloss, dem Thema Nachhaltigkeit größere Aufmerksamkeit zu schenken. Da hatte die HTW-Studentin zum Abschluss ihres Bachelorstudiums Kommunikationsdesign gerade das Marken- und Designkonzept für Kleidertausch-Events entworfen. Das passte wie angegossen. Ein Tausch für Sportkleidung wurde Programmpunkt beim ersten Nachhaltigkeitstags des Amateursportvereins. Im Video sieht man engagierte Vereinsmitglieder, glückliche Kinder, gut gelaunte Kund*innen und irgendwann auch Lea Gleisberg. Sie hält ein Trikot hoch und erklärt, wie ein _SWAP-Event funktioniert: Gut erhaltene, saubere Kleidung mitbringen, dafür Swapits bekommen, andere Kleidung aussuchen, mit Swapits bezahlen und mitnehmen. Seitdem wird beim FC Internationale jedes Jahr Sportkleidung getauscht. Als erster deutscher Amateurverein bekam er ein Nachhaltigkeitszertifikat und schaffte es damit sogar in die Sportschau.
Das Konzept entstand im Rahmen der Masterarbeit
Die erfolgreiche Premiere machte Lea Gleisberg Mut. Angesichts von (Ultra Fast) Fashion-Unternehmen, die zu immer mehr Konsum verleiten, wuchs bei der heute 28-jährigen der Wunsch, als Designerin einen aktiven Beitrag zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu leisten. Deshalb entwickelte sie das Konzept des professionellen Kleidertausch-Events im Masterstudiengang System Design weiter. Was dem Schöneberger Verein gelang, sollte auch für andere Vereine, Unternehmen und Organisationen möglich werden. Für die Masterarbeit gab es eine Auszeichnung. „Eine hervorragende Idee“, urteilte Prof. Sebastian Feucht, der die Arbeit gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Pelin Celik betreute. „Genau solche Aktionen sind notwendig, um die ökologisch soziale Transformation voranzutreiben und gesellschaftlich zu etablieren“.
Drei Optionen für den professionellen Kleidertausch
Drei verschiedene Optionen stehen heute zur Wahl. Wer es sich leisten kann, bucht ein maßgeschneidertes _SWAP-Event in den eigenen Räumlichkeiten, wie es die schon erwähnten EM-Verantwortlichen im Juli 2024 taten. Alternativ mobilisieren Veranstalter eigene Helfer*innen im Unternehmen oder im Verein und bitten um Expertise sowie um praktische Unterstützung. Lea Gleisberg bringt dann alle Utensilien mit, das sogenannte _SWAP-Kit: die Tauschwährung in Gestalt von Swapits, die sie aus Sperrholz gelasert hat; Tags für die Auszeichnung der Kleidungsstücke sowie eine Wertigkeiten-Liste. Das Papier hilft Neulingen dabei, Kleidung fair zu bewerten. Dazu gibt es auf Wunsch magnetische Größenmarken, Etikettierpistolen, Team-Badges und stabile Kleiderstangen. Es soll eben professionell zugehen.
_SWAP-Event in Eigenregie
Für die dritte Option entschied sich das Internationale Design Zentrum. Für seinen Herbst- und WinterSWAP orderte das IDZ lediglich ein _SWAP-Kit und stellte die Veranstaltung in Eigenregie auf die Beine. “Der beste Kleidertausch, auf dem ich je war!”, meinte eine Teilnehmerin. Nicht minder zufrieden waren die Organisator*innen: „Ein tolles Setting, um das Thema Kreislaufwirtschaft spielerisch aufzunehmen“. Einen ähnlichen Gedanken hatte die Outreach gGmbH, die ein _SWAP-Event für Streetwear gebucht hat. Es fand Ende August auf einem Festival in Berlin-Kreuzberg statt.
Mit Professionalität raus der Öko-Bubble
Doch taugt das als Business? „Auf den ersten Blick lässt sich kein Geld verdienen“, räumt Lea Gleisberg ein. Derzeit werden Kleidertausch-Events meist ehrenamtlich organisiert und sind außerhalb der Öko-Bubble eher uninteressant. Doch professionelle _SWAP-Events sollen den Kleidertausch zum Mainstream machen. Das zu schaffen, sieht sie als Herausforderung, nicht zuletzt an ein überzeugendes Marketing und ein flexibles Geschäftsmodell, das sich den Bedürfnissen der Kundschaft anpasst.
Viele Ideen für das Marketing
Dafür hat die gebürtige Berlinerin jede Menge Ideen und eine lange Liste möglicher Kooperationspartner in der Schublade. Zuversichtlich ist sie auch deshalb, weil immer mehr Unternehmen und Organisationen das Thema Nachhaltigkeit in ihr Leitbild integrieren wollen und froh seien über durchdachte Konzepte, die sie unkompliziert umsetzen können. Dass ein _SWAP-Event den Beteiligten viel Spielraum für Kreativität und Eigeninitiative lässt und dadurch quasi als Teambuilding-Maßnahme funktioniert, ist sowie hochwillkommen. Großes Potenzial sieht sie auch an Schulen: „Bei einer Projektwoche könnten die Schüler*innen ein _SWAP-Event nach eigenen Vorstellungen an einem coolen Ort umsetzen“, denkt sie laut nach. Nachhaltigkeit soll so mit Spaß statt mit Verzicht verknüpft werden und muss auch nicht teuer sein.
Bewerbung um ein Gründungsstipendium
Inzwischen ist Lea Gleisberg keine One-Woman-Show mehr, sondern hat eine gleichgesinnte Mitstreiterin mit passenden Kompetenzen gefunden: Die Gründungspartnerin Christina Holst hat der Textilbranche nach mehrjähriger Tätigkeit als Produktentwicklerin für ein großes Outdoor-Label den Rücken gekehrt und sich ihrerseits dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben. Gemeinsam arbeiten die beiden Frauen derzeit an der Bewerbung für ein Gründungsstipendium. Die Vision des engagierten Duos: „_SWAP-Events werden überall und regelmäßig zu allen möglichen Themen angeboten: dem SommerSWAP folgt ein WinterSWAP, es gibt _SWAP-Events für Businesskleidung und für Basics, für Outdoor- und für Sportkleidung. Das Netzwerk von Organisationen, die _SWAP-Evens anbieten, wächst stetig. Kleidung neu zu erwerben, ist zur zweiten Wahl geworden.“ Nicht nur die beiden Professor*innen aus dem Studiengang System Design drücken die Daumen!