Photovoltaik für Geräte, Wärme und das E-Auto
Keine Anwendung wird so oft auf der Webseite der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme an der HTW Berlin aufgerufen wie der sogenannte Unabhängigkeitsrechner. Denn wer die Installation einer Photovoltaikanlage plant - und das tun immer mehr Menschen -, möchte sehr genau wissen, wieviel Prozent des eigenen Stromverbrauchs die Sonnenenergie decken wird und welcher Anteil weiterhin vom Netzanbieter bezogen werden muss. Im Forschungsprojekt „PVplusX“ legt das Team noch einen drauf. „Simulationstools werden Verbraucher*innen helfen, auch den Bedarf an Heizwärme, Warmwasser sowie wenn nötig an Strom für das Elektroauto einzubeziehen“, sagt Michaela Zoll, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt. Geleitet wird es von Prof. Dr. Volker Quaschning, finanziert von der Münchener Dobeneck-Technologiestiftung und Projektpartnern.
Der Handlungsbedarf ist groß
„Sektorenkopplung“ heißt die intelligente Vernetzung von Elektrizität, Wärme und Mobilität in der Fachwelt. Das bedeutet: Der Strom, den Photovoltaikmodule auf dem Dach eines Einfamilienhauses oder eines mittelständischen Gewerbebetriebs erzeugen, lässt nicht nur Glühbirnen leuchten, Kühlschränke brummen und Computer sowie Fernsehgeräte flimmern. Vielmehr soll die umweltfreundlich und dezentral erzeugte Energie mit Hilfe eines passend dimensionierten Speichers auch für die Versorgung mit Wärme und Warmwasser genutzt werden, ja sogar fürs Aufladen der Batterien von Elektrofahrzeugen in der eigenen Garage oder im Unternehmensfuhrpark. Noch ist das in Deutschland nicht an der Tagesordnung. Lediglich ein Drittel des Strombedarfs wird mit Erneuerbaren Energien befriedigt. Geheizt und gefahren wird überwiegend mit fossilen Brennstoffen. Der Handlungsbedarf ist also groß.
Einfache Faustformeln reichen nicht mehr
Einerseits. „Andererseits ist es tatsächlich nicht trivial zu berechnen, wieviel Energie eine PV-Anlage nun für die Wärmepumpe oder das Elektrofahrzeug bereitstellen kann“, weiß Michaela Zoll, die an der HTW Berlin ihren Bachelor- und Masterabschluss im Studiengang Regenerative Energien gemacht hat, schon als studentische Hilfskraft für die Forschungsgruppe Solarspeichersysteme tätig wurde und schließlich als Alumna mit großer Begeisterung in das Forschungsprojekt „PVplusX“ eingestiegen ist. Das Zusammenspiel von PV-Anlagen mit Batteriespeichersystemen, Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und Klimaanlagen sei durchaus komplex und mache die Planung der Systeme und ihre Auslegung nicht leicht. Einfache Faustformeln seien nicht mehr ausreichend.
Online-Tools helfen bei der Berechnung
Simulationsbasierte Online-Tools sollen Interessierten bei der Berechnung helfen. Erstens den Eigentümer*innen von Einfamilienhäusern, die den immer teurer werdenden Strom vermeiden und/oder etwas für die Umwelt tun wollen; zweitens mittelständischen Unternehmen, die oft über eine große Dachfläche verfügen und damit über beste Voraussetzungen dafür, dass sich ihre Investitionen schnell amortisieren.
Spezielle Apps für die Projektpartner
Die Forschungsgruppe hat im ersten Schritt interaktive Online-Apps für jene Partner entwickelt, die das Projekt finanziell mittragen und bereits in verschiedenen Marktsegmenten aktiv sind. „Diese Rechner haben unterschiedliche Schwerpunkte, einige sind auch speziell auf die Produkte zugeschnitten“, erklärt Michaela Zoll. So kann man sich einen ersten Überblick über den Nutzen von PV-Speichersystemen verschaffen. Produktspezifisch ausgerichtet sind der „24 Stunden Sonne Simulator“ des Unternehmens Fronius, das „Energiespeicher Berechnungstool“ des Unternehmens Varta und der „Speicher-Kalkulator“ des Unternehmens Tesvolt. Auch sie helfen Interessierten bei der Auslegung von PV-Anlagen und der dazugehörigen Batteriesysteme. Alle Rechner stehen auf den Webseiten der Partnerfirmen frei zur Verfügung und wurden nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelt, wie Michaela Zoll betont.
Ein weiterer Baustein für die Klimawende
Bis Projektende im September 2023 will das Team außerdem produktunabhängige Tools entwickeln und ebenfalls online zur Verfügung stellen, die den Vorteil der solarelektrischen Energieversorgung von Gebäuden anschaulich darstellen und einfach zu nutzen sind. Auch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung wird in Betracht gezogen. Zwar vermag derzeit keiner die Entwicklung der Strompreise präzise einzuschätzen, sagt Michaela Zoll. Aber man könne zumindest mit optimistischen und pessimistischen Annahmen arbeiten. Außerdem soll das Tool Auskunft geben, wieviel C02-Emissionen durch die Anlage eingespart werden. Das würde vor allem Gewerbetreibende interessieren, versprechen sie sich doch auch einen Imagegewinn. Wenn das Projekt abgeschlossen ist, wird die Forschungsgruppe Solarspeichersysteme einen weiteren Baustein dazu beigesteuert haben, dass die Klimawende in Deutschland schneller vorankommt.