Entdeckendes Lehren – Wie durch Interaktion gute Lehre entsteht

Studierende im Austausch © Alexander Rentsch

Prof. Dr. habil. Dimitrios Zikos hält es ein wenig wie Indiana Jones. Letzterer rät seinen Studierenden: „Um ein guter Archäologe zu werden, müssen Sie aus der Bibliothek raus!“* Denn in Büchern – oder heutzutage auch bei Google – findet man lediglich theoretisches Wissen. Eine kritische Auseinandersetzung damit findet nur statt, wenn die Fakten in Beziehung zur wirklichen Welt gesetzt werden. Und dafür müssen Studierende auf Entdeckungsreise gehen. Dimitris** unterstützt seine Studierenden in der Lehrveranstaltung „Microeconomics for Development“ bei dieser Reise und wurde dafür 2022 mit dem Preis für gute Lehre ausgezeichnet. 

Fließendes Konzept

Sein Konzept beruht auf Flexibilität. Er selbst begibt sich quasi jedes Mal auf eine eigene Entdeckungsreise, um neben fachlichen vor allem die Soft Skills seiner Studierenden zu fördern. „Neunzig Prozent der Teilnehmer*innen kommen aus Entwicklungsländern mit anderen kulturellen Hintergründen. Oft sind sie mit der Idee aufgewachsen, dass es nicht erlaubt ist, zu widersprechen. Hier an der HTW lernen sie eine andere Perspektive kennen“, erzählt Dimitris. Kritisches Denken und Raum für eigene Schwerpunkte und Ideen sind daher die Grundpfeiler seiner Lehre. In die eigentliche Planung steigt er sogar erst nach dem ersten Termin ein. Denn die Studierenden dürfen aus vorgegebenen Wahlmöglichkeiten darüber abstimmen, aus welchen Leistungen sich die Abschlussnote zusammensetzen soll. Besonders beliebt sind dabei laut Dimitris die kleinen Aktivitäten, die bei ihm oft auch spielerischen Charakter haben.

Übers Ausprobieren und Scheitern

Diese Aktivitäten bzw. Methoden entwickeln sich dabei über die Zeit und in enger Abstimmung mit den Studierenden. Während der Pandemie begann er z. B. Kahoot als Feedbackinstrument für seine Lehre zu nutzen. Dieses Tool machte den Studierenden viel Spaß und sie wollten es gerne noch öfter einsetzen. Also fing Dimitris an zu experimentieren und verwendet es heute z. B., um spielerisch Gelesenes abzufragen. „Micro in the news“ – heute eine der wesentlichen Komponenten seiner Veranstaltung – begann ebenfalls als freiwilliges Experiment, das Abwechslung in den Kurs bringen sollte. Der Professor erklärt, wie die Methode funktioniert: „Die Studierenden suchen sich eine aktuelle Nachricht und bringen sie mit Schlüsselkonzepten der Mikroökonomie in Verbindung. In einer fünfminütigen Präsentation klären sie verschiedene W-Fragen und regen so eine Diskussion im Plenum an.“ 

Eine Frage der Perspektive

Die Diskussion bzw. Interaktion als Grundlage für erfahrungsbasiertes Lernen ist ein Merkmal von Dimitris‘ Lehre. Denn als eines der wichtigsten Erkenntnisse möchte der Professor vermitteln, dass es immer mehrere Perspektiven auf ein Thema gibt. Das gelingt auf spielerische Weise z. B. durch ein Rollenspiel, bei dem Studierende die Position von Wirtschaftsberater*innen einnehmen, die das gleiche mikroökonomische Problem im fiktiven Land „Hatewia“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Erfahrungen aus der Praxis werden beispielsweise durch Gastvorträge und Videobeiträge integriert. 

Der Lernraum als Safe Space

All das ist aus Sicht des Professors dann besonders lernförderlich, wenn die Lernumgebung wertfrei bleibt: „Die Studierenden brauchen das Gefühl, nicht ver- oder beurteilt, sondern vielmehr ermutigt zu werden. Nur dann treten sie aus ihrer Komfortzone heraus, probieren sich aus und es entsteht eine sichere Diskussions- und Lernatmosphäre.“ 

Zweifel und Motivation

So viel Flexibilität und Freiraum bedeuten für Dimitris aber gleichzeitig viel Aufwand. Er muss mit Unvorhergesehenem umgehen, manchmal umplanen und kommt hin und wieder an einen Punkt, wo er zweifelt, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hat. „Der Preis für gute Lehre kam genau zur richtigen Zeit“, sagt Dimitris. „Ich hatte gerade darüber nachgedacht, ob das Konzept wirklich funktioniert und die Auszeichnung war eine große Bestätigung und Motivation.“ Wenn er mehr Zeit hätte, würde er alle Veranstaltungen so konzipieren.

Doch ist gute Lehre nur eine Frage des richtigen Konzepts? Über sich selbst sagt Dimitris: „Research is my job, teaching my joy!“ Diese Freude und die Passion für sein Fach sind am Ende vielleicht der entscheidende Funke, der überspringt und die Studierenden mitnimmt.

 

*Quelle: Marshall, F., Stewart, D. L. (Produzenten) & Spielberg, S. (Regisseur). (2008). Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels [Film]. USA: Paramount Pictures.

** Unser Interviewpartner hat sich ausdrücklich gewünscht, dass er nach der ersten formalen Darstellung seines Namens im weiteren Textverlauf geduzt wird. Der Wegfall des "o" im Vornamen ist ebenfalls beabsichtigt, denn Dimitris hat uns verraten: "Der formale Vorname ist tatsächlich DimitriOs (formale Endung männlicher Namen im Griechischen, was in allen formellen Dokumenten steht), aber in der gesprochenen Form ist das "o" völlig überholt."

 

Beratung für Lehrende

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