Zwölf Jahre Forschung für eine „Grüne Chemie“

Als Anja Drews im Jahr 2009 an dem Antrag für den Sonderforschungsbereich „Integrierte chemische Prozesse in flüssigen Mehrphasensystemen“ mitarbeitete, war sie noch Nachwuchswissenschaftlerin an der TU Berlin. Als InPROMPT, so das Akronym des Vorhabens, ein Jahr später startete, hatte die Verfahrenstechnikerin schon einen Ruf als Professorin an die HTW Berlin bekommen. Das Projekt InPROMPT, genauer gesagt: die Leitung eines Teilprojekts, nahm sie mit. Prof. Dr.-Ing. Drews will dazu beitragen, dass der Umstieg der chemischen und pharmazeutischen Industrie von Erdöl auf nachwachsende Rohstoffe möglich wird. Dieses damals wie heute bedeutsame Ziel hatten die HTW-Professorin und rund 60 weitere Wissenschaftler*innen – es waren 16 Fachgebiete bzw. Lehrstühle und/oder Arbeitsgruppen an sieben Standorten - über zwölf Jahre lang vor Augen. „Es war eine fachlich produktive und menschlich bereichernde Zusammenarbeit“, blickt sie zurück.

Die Abschlusspublikation ist Open Access erschienen

Inzwischen liegen zahlreiche Ergebnisse vor, unter anderem eine 587 Seiten starke Abschlusspublikation, die im Juni 2022 erschien sowie Open Access zugänglich gemacht wurde. Sie zeigt auf, wie sich neuartige, effiziente und nachhaltige Produktionsprozesse realisieren lassen, die für die Transformation hin zu umweltfreundlicheren Herstellungsprozessen erforderlich sind. „Grüne Chemie“ lautet das Stichwort für den Ansatz in der chemischen Industrie, Energie zu sparen und möglichst umweltverträglich zu produzieren. Wesentliche Prinzipien dieser „Grünen Chemie“ wurden in den Teilprojekten von InPROMPT umgesetzt.

Enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit

„Bemerkenswert an InPROMPT war die enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit von Chemiker*innen, Verfahrenstechniker*innen und Systemtechniker*innen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Drews. Klassischerweise experimentieren im ersten Schritt Chemiker*innen mit dem Reagenzglas im Labor, Ingenieur*innen denken im zweiten Schritt darüber nach, wie sich das Experiment auf einen Tank mit größerem Fassungsvermögen übertragen lässt, wobei sich naturgemäß völlig neue Herausforderungen, aber auch Optionen ergeben. Im dritten Schritt kommen die Systemtechniker*innen ins Spiel, die den Prozess für die Industrie modellieren.

Alle Schritte gleichzeitig in Arbeit

Während der zwölfjährigen Zusammenarbeit unter dem Dach von InPROMPT lief gewissermaßen alles gleichzeitig, wurden alle Schritte des Entwicklungsprozesses von den Expert*innen der verschiedenen Fachgebiete bearbeitet, ausgehend von ersten reaktionstechnischen Untersuchungen im Labor bis zur alle reaktions- und trenntechnischen Teilschritte umfassenden Anlage, die in Gestalt einer sogenannten „Miniplant“ aufgebaut worden war.

Kleinteilige Forschung im Labor

Die HTW-Wissenschaftlerin selbst leitete in jeder Förderphase ein Teilprojekt, betreute drei Promotionen, schrieb an etwa einem Dutzend wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit, ist Mit-Herausgeberin der Abschlusspublikation und hielt diverse Vorträge. „Den Löwenanteil der kleinteiligen Forschung im Labor leisteten die Doktorand*innen, mit Unterstützung studentischer Hilfskräfte“, sagt Prof. Dr.-Ing. Drews. Die HTW-Professorin stand natürlich mit ihrer Erfahrung bei. Als im ersten Teilprojekt ein Prozess nicht funktionierte, da riet sie: „Findet heraus, warum das so war.“ Denn auch die Erkenntnis, warum etwas nicht klappt, sei aufschlussreich und im Zweifelsfall sogar nützlicher, als einen funktionierenden Prozess zu haben, bei dem man nicht genau weiß, warum er funktioniert, sagt sie. „Wenn man schon vorher wüsste, was später rauskommt, bräuchte man schließlich nicht zu forschen“, lächelt Prof. Dr.-Ing. Drews.

Bewerbung von einer Förderperiode zur nächsten

Dass die 60 Wissenschaftler*innen dies über den langen Zeitraum von zwölf Jahren tun und damit die Maximalförderung der renommierten Deutschen Forschungsgemeinschaft ausschöpfen konnten, stand beileibe nicht von Anfang an fest. Vielmehr mussten sich die Teams von Förderperiode zu Förderperiode immer wieder neu bewerben, wurde die Qualität der bis dahin geleisteten Arbeit von Gutachterteams genau unter die Lupe genommen. „Da schauen wirklich viele Leute drauf,“ sagt Prof. Dr.-Ing. Drews. Auch das Commitment der Hochschulleitungen wird von der DFG erwartet.

Das Zusammenwachsen war ein Prozess

Ebenso wenig standen der Umfang und die Inhalte der zuletzt 14 Teilprojekte von InPROMPT von Anbeginn fest. Sie ergaben sich vielmehr aus dem Forschungsprozess, der Schritt für Schritt neue Erkenntnisse brachte, dadurch neue Fragen aufwarf und zur Konzeption weiterer Teilprojekte führte. Ein bis zwei Mal im Jahr saßen alle 60 Beteiligten an einem Tisch bzw. fanden sich während der Pandemie auf dem Bildschirm ein. Verfahrenstechniker*innen wie Prof. Dr.-Ing. Drews und Chemiker*innen sowie Systemtechniker*innen sprechen nicht immer eine Sprache, vor allem aber setzen sie nicht dieselben Prioritäten. Da wurde auch hart gerungen und das Zusammenwachsen so vieler Arbeitsgruppen war ein Prozess, in dem nicht nur eitel Sonnenschein herrschte, erinnert sich Prof. Dr.-Ing. Drews. Doch er gelang. Dem InPROMPT-Team wurde von Dritten sogar eine ungewöhnliche Homogenität bescheinigt, bei der die Zugehörigkeit zur jeweiligen Hochschule keine Rolle mehr spielte.

Begleitung durch einen Industriebeirat

Dieses Lob kam beispielsweise vom Industriebeirat, in dem die großen Unternehmen der chemischen Industrie vertreten waren. Er begleitete das Projekt über den gesamten Zeitraum mit Fragen, Ratschlägen und Anregungen. Die Hinweise aus der Praxis aufzugreifen war den Wissenschaftler*innen wichtig, denn es ist die chemische und pharmazeutische Industrie, die den Rohstoffwandel vom Erdöl zu nachwachsenden Rohstoffen auf den Weg bringen und praktisch umsetzen muss.

Das nächste Projekt ist schon in Arbeit

Während die einen noch lesen und über die industrielle Umsetzung nachdenken, stürzt sich Prof. Dr.-Ing. Drews auf das nächste Forschungsprojekt: BioOXy. Sie hat dafür in Kooperation mit der TU Dresden erneut finanzielle Unterstützung der DFG eingeworben. Von den im Zuge von InPROMPT generierten Methoden, Erkenntnissen und nicht zuletzt der hochwertigen Laborausstattung wird sie dabei profitieren.

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