Was tun, wenn große Trockenheit droht?

Hochwasser ist gefährlicher als Niedrigwasser, würden Sie auch denken, oder? Richtig ist, dass Wasserfluten deutlich schneller kommen als eine Trockenheit. Der Klimawandel bringt aber beide Extreme mit sich und stellt vor allem Behörden, aber auch die Bevölkerung vor große Herausforderungen. Es gilt, sich auf die Gefahren vorzubereiten und darauf zu reagieren. Während es für Hochwasser schon diverse Prognosemodelle gibt, sind sie für Niedrigwasser noch sehr überschaubar. Durch das Projekt „NieTro“ soll sich das ändern. In dem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen der Innovationsoffensive mFUND geförderten Forschungsprojekt arbeitet der Umweltinformatiker Prof. Dr. Frank Fuchs-Kittowski mit kompetenten Partnern zusammen. Sein fachlicher Part: die Entwicklung einer App, die bei der Datenerfassung unterstützt sowie Fachleute und Interessierte mit passgenauen Informationen versorgt.

Rekordverdächtig wenig Niederschläge im März

Als hätte die Relevanz des Projekts noch eines Beweises bedurft, hat es über Wochen kaum geregnet, als Prof. Dr. Fuchs-Kittowski zum Gespräch in seinem Büro empfängt. Im März 2022 war es in Brandenburg rekordverdächtig trocken: Gerade einmal 0,7 Liter Wasser fielen im Durchschnitt pro Quadratmeter, mancherorts kein einziger Tropfen, weshalb früh im Jahr bereits hohe Waldbrandgefahr bestand. „Niedrigwasser und Trockenheit wird es in Zeiten des Klimawandels künftig nicht nur häufiger geben“, sagt der Umweltinformatiker. „Beide werden auch an Intensität gewinnen. Behörden und Bevölkerung müssen sich dafür wappnen.“

Mannigfaltige Veränderungen drohen

Mit Niedrigwasser und Trockenheit – die beiden Phänomene gaben dem Forschungsprojekt NieTro den Namen - gehen mannigfaltige Veränderungen in Fauna und Flora einher: Schadstoffe in Flüssen und Seen treten konzentrierter auf, weil sie nicht mehr so stark verdünnt werden; einige Pflanzen und Tiere erhalten plötzlich günstigere Bedingungen, andere geraten in Bedrängnis oder verschwinden. Das Geflecht der Wechselwirkungen zwischen Wasser und Umwelt ist hochkomplex, sagt Prof. Dr. Fuchs-Kittowski. Der Forschungspreisträger 2020 der HTW Berlin hat sich schon in vielen Projekten mit hydrologischen Fragestellungen beschäftigt. Trotzdem, räumt er freimütig ein, lerne er immer wieder dazu.

Prognosemodelle können helfen

So wird es auch im Projekt NieTro sein, bei dem Prof. Dr. Fuchs-Kittowski mit zwei Partnern kooperiert: dem Berliner Büro für Angewandte Hydrologie GmbH, das auf Basis hydrologischer Modellanalysen wasserwirtschaftliche Beratungsleistungen erbringt, sowie dem in Karlsruhe ansässige Software- und Beratungshaus Disy Informationssysteme GmbH, einem Anbieter von Lösungen zur Datenanalyse und zum Berichtswesen für Bundes- und Landesbehörden. Gemeinsam wird man bis 2024 an Prognosemodellen arbeiten, um Behörden Entscheidungshilfen an die Hand zu geben, sowie an mobilen Anwendungen, mit deren Hilfe beispielsweise aktuelle Veränderungen vor Ort überprüft werden können. Teil des Forschungsprojekts ist es auch, den genauen Bedarf zu eruieren. Dafür wird es den einen oder anderen Workshop geben, bei dem mit Hilfe der Design Thinking Methode neue Ideen generiert werden.

Großes Interesse bei Behörden

Das Interesse von allen Seiten ist groß. Beim Auftakttreffen im Januar 2022 waren rund 80 Fachleute aus vielen Bereichen dabei: aus Behörden und Landkreisen, aus der Schifffahrt und der Energieversorgung, um nur einige Branchen zu nennen. Sie alle haben Bedarf an aussagefähigen Prognosen und Szenarien. Denn sie müssen Vorbereitungen treffen, Maßnahmen planen und ergreifen sowie vorbeugen, damit die Folgen von Niedrigwasser und Trockenheit nicht so gravierend ausfallen. „Energieversorger brauchen eine besondere Kühlung, die Landwirtschaft darf nicht mehr so viel Grundwasser entnehmen, die Industrie weniger Schadstoffe einleiten, die Schifffahrtsunternehmen evtl. nicht mehr alle Gewässer befahren“, skizziert Prof. Dr. Fuchs-Kittowski mögliche Anwendungsszenarien. Und nicht zuletzt müssen Behörden die Maßnahmen auch überzeugend an Betroffene auch kommunizieren.

Mobile Anwendungen sollen ergänzen

Im Projekt NieTro soll ein Wasserhaushaltsmodell entstehen, das kontinuierlich Daten des Deutschen Wetterdienstes und internationaler Anbieter verarbeitet und diese Daten in kurz- bzw. mittelfristige Entwicklungen von Durchflüssen in Gewässern, Bodenfeuchte etc. übersetzt und außerdem Informationen für verschiedene Zielgruppen wie Expert*innen, Landwirt*innen sowie Bürger*innen bereitstellt. Das Büro für Angewandte Hydrologie wird sich dabei um die Entwicklung der hydrologischen Modellsysteme kümmern, Disy wird die Ergebnisse für Fachexpert*innen aufbereiten, und Prof. Dr. Fuchs-Kittowski will mit seinem Team passende mobile Anwendungen konzipieren.

Vielleicht können auch Bürger_innen helfen

Ideen, wie man durch innovative Bilderkennung, Bildverarbeitung und womöglich sogar Augmented Reality Daten über die Umwelt erheben und damit zur verbesserten Prognose von Trockenheit beitragen kann, hat der Umweltinformatiker viele.  Vielleicht ist es sogar möglich, interessierte Bürger*innen an der Datenerfassung zu beteiligen und an bestehende Citizen Science-Portale anzuknüpfen, sagt er.

Für das Thema sensibilisieren

Überhaupt ist die Öffentlichkeit eine der Zielgruppen von Prof. Dr. Fuchs-Kittowski. „Niedrigwasser und Trockenheit müssen als Problem bekannter und die Menschen dafür sensibilisiert werden“, sagt er. Dies sei auch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die von Behörden verhängten Maßnahmen akzeptiert würden und sorgsamer mit dem kostbaren Gut „Wasser“ umgegangen wird. Dass eine App nur dann heruntergeladen und genutzt wird, wenn sie einen praktischen Nutzen hat, ist ihm natürlich bewusst. Sie könnte beispielsweise der Wassersportlerin eine genaue Info geben, wo sie mit ihrem Boot entlangpaddeln kann, und dem Kleingärtner, an welchen Tagen er seine Beete bewässern darf.

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