Modellrechnungen für die Rente

Camille Logeay

Die Rentenkommission hat es vorgerechnet: Wegen des demografischen Wandels werden die Beiträge der Rentenversicherung in Deutschland steigen und das Rentenniveau sinken. Dieser Entwicklung müsse dadurch begegnet werden, dass mehr Arbeitnehmer_innen länger arbeiten, die Rentenversicherung mehr Steuermittel erhält und die Versicherten privat vorsorgen. Dabei schließen eine prosperierende Wirtschaft und ein leistungsfähiges Rentensystem einander nicht aus, sagt Prof. Dr. Camille Logeay.

Die Rentenreformen waren nicht alternativlos

Die Volkswirtin war Mitglied der Arbeitsgruppe Daten der Rentenkommission. Im Nachgang hat sie den in den Diskussionen oft unterstellten Verteilungskonflikt zwischen Jung – sie zahlen die Beitragssätze - und Alt – sie beziehen die Renten - einer makroökonomischen Analyse unterzogen. Ihr Fazit: Ein starker Konflikt lässt sich nicht feststellen. Zusammen mit früheren Untersuchungen zu makroökonomischen Wirkungen von Rentenreformen zeigt sich, dass drastische Rentenreformen wie in den Jahren 2001 und 2004 nicht alternativlos waren, trotz demografischem Wandel.

Theoretische Modelle hinterfragen

Wie kommt Prof. Dr. Logeay zu dieser Bewertung? Sie hat die theoretischen Argumente hinterfragt und empirische Vergleiche durchgeführt.  Die Modelle würden zwar nicht so gebaut, dass sie die eigene wirtschaftspolitische Überzeugung bestätigen, sagt die HTW-Wissenschaftlerin. Gleichwohl seien in den Simulationsergebnissen die theoretischen Modellfundamente deutlich erkennbar. Das zum Einen.

Empirischer Vergleich

Was die Empirie anbelangt: In interdisziplinärer und internationaler Zusammenarbeit hat Prof. Dr. Logeay das deutsche mit dem österreichischen Rentensystem verglichen. Beide Länder haben eine ähnliche Wirtschafts- und Sozialstruktur, die Sozialversicherung ist umlagefinanziert. Das Ergebnis: Den 1.261 Euro eines deutschen Rentners standen 2.251 Euro eines Rentners aus Österreich gegenüber, den 873 Euro einer deutschen Rentnerin immerhin noch 1.464 Euro einer verrenteten Österreicherin. Die Zahlen stammen aus 2019 und betreffen Neurentner_innen.

Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich

Unabhängig vom Gender-Gap müsse man konstatieren, sagt Prof. Dr. Logeay, dass die gesetzlichen Renten im Nachbarland in der Lage seien, den Lebensstandard im Alter zu sichern, während dieses Ziel in Deutschland wegen der Reformen nur noch im Zusammenwirken mit Betriebs- und Privatrenten eventuell (!) erreichbar sei.

Die gesetzlichen Renten können höher sein

Noch interessanter: Österreich steht wirtschaftlich besser da als Deutschland, trotz höherer Sozialbeiträge für die Rente. Dabei waren die deutschen Rentenreformen mit Gefahren für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts begründet worden, d.h. genau jenem vermeintlichen Konflikt zwischen höheren Beitragssätzen einerseits und Arbeitsplätzen und Wettbewerbsfähigkeit andererseits. Fazit von Prof. Dr. Logeay: Auch hierzulande könnten die gesetzlichen Renten höher sein, wenn andere politische Prioritäten gesetzt worden wären.