Sensoren könnten Arbeit in der Pflege erleichtern

Prof. Dr. Ha Duong Ngo arbeitet seit vielen Jahren an Mikrosensoren. Sie standen auch im Mittelpunkt seines jüngsten Projekts, bei dem er mit der Firma peptech kooperierte. Das aus dem "Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand" (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft geförderte Projekt - es trug den Namen "SMART-FLEX-MEMS" - ging im Juli 2020 zu Ende. Wir befragten den Wissenschaftler aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften - Energie und Information (FB 1) zu den Ergebnissen.

Herr Ngo, Worum ging es in Ihrem jüngsten Projekt?

Prof. Dr. Ha Duong Ngo: Ich arbeite gemeinsam mit dem Technologieunternehmen peptech daran, die Grundlagen für eine völlig neue Sensor-Generation zu schaffen. Wir wollen Sensoren zum einen in einer einfacheren und kostengünstigeren Art und Weise herstellen, zum anderen mit völlig neuen Formfaktoren. Die Sensoren sollen flexibler sein und dehnbar.

Wie sollen die Sensoren künftig produziert werden?

Mittels Inkjet- und Sieb-Drucktechnik. Mit diesem neuen Herstellungsverfahren können superdünne Strukturen realisiert sowie neuartige, flexible und dehnbare Systeme aufgebaut werden. Das bedeutet konkret, dass die Sensoren nicht so voluminös, sondern sehr viel leichter sind, und sich besser auf 3D-Oberflächen integrieren lassen. Gedruckte Sensoren sind außerdem günstiger in der Herstellung, das ist auch ein wichtiger Aspekt.

Wozu werden flexible und dehnbare Sensoren benötigt?

Der in unserem Projekt gefertigte Sensor ist speziell für die Anwendung in Inkontinenzprodukten gedacht. Das würde die Arbeit in Pflegeeinrichtungen deutlich erleichtern. Dort leiden bis zu 70 Prozent der Bewohner_innen an Inkontinenz: eine enorme Herausforderung für das Personal. Alle drei Stunden müssen Windeln geprüft und bis zu sechs Mal täglich gewechselt werden, um Entzündungen zu vermeiden und Unannehmlichkeiten für die Betroffenen.

Wie könnte der Sensor da helfen?

Sensoren erfassen physikalische, biologische oder chemische Eingangsgrößen und setzen sie in ein eindeutiges elektrisches Signal um. In unserem Fall misst der Sensor Feuchtigkeit. Er ist, wie schon gesagt, flexibel und dehnbar und kann dank körperverträglicher Materialien und anpassbarer Größe auf verschiedenste Inkontinenzprodukte laminiert werden.

Der Sensor detektiert den Abgang von Urin berührungslos durch eine low-power-Messelektronik. Die erfassten Daten werden per Funk an eine Basisstation gesendet, anschließend in einer Cloud-Datenbank gespeichert und unter Anwendung lernfähiger Algorithmen ausgewertet. So kann das Pflegepersonal digital darüber informiert werden, ob ein_e Bewohner_in versorgt werden muss.  Das wäre insofern eine enorme Erleichterung, als dass Windeln nicht mehr routinemäßig geprüft, sondern nur noch dann gewechselt werden, wenn es wirklich nötig ist. Immerhin geht jeder unnötige Wechsel einer Windel mit überflüssigem Arbeitsaufwand, Ressourcenverbrauch sowie einem Ansteckungsrisiko für das Personal und die Gepflegten einher.

Wie sah die Arbeitsteilung mit der Firma peptech aus?

Die Firma Peptech GmbH übernahm die Entwicklung der Tinten und einen Teil der Prozessentwicklung. Meine Aufgabe bzw. die meines wissenschaftlichen Mitarbeiters waren die Sensorsimulation, die Sensorherstellung, die Sensorelektronik, die Entwicklung des Funkmoduls sowie die Sensorintegration.

Wann könnten solche High-Tech-Inkontinenzprodukte zum Einsatz kommen?

Das ist schwer zu sagen. Das Interesse ist auf jeden Fall sehr groß. Doch die Hürden sind sehr hoch, wie bei allen medizinischen Produkten. Auch die Frage der Akzeptanz ist noch offen. Tatsächlich sind mit der Technologie derzeit noch weit von einer Produktion entfernt. Es gibt noch sehr viel zu tun. Wir versuchen, Partner zu finden und zu motivieren. Da müssen Hochschule und Industrie zusammenarbeiten.

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