„Agiles Arbeiten” ist schneller und deutlich produktiver

Jochen Prümper (rechts) mit Erdal Ahlatci, CEO von movingimage

Aufgaben, über deren Realisierung sich alle Beteiligten erst einmal in einem Meeting verständigen; Teams, die selbst entscheiden, welchen Weg sie wählen, um ans Ziel zu gelangen; Kolleg_innen, die von den Teams temporär zur Unterstützung angefordert werden können und Projektergebnisse gern miteinander teilen — so werden Projekte bei dem Berliner Software-Unternehmen movingimage realisiert. „Agil“ nennt man diese inzwischen weit verbreitete Arbeitsweise. Dank der Umstellung auf „agile“ Arbeitsweisen in allen Organisationsteilen ist die movingimage EVP GmbH heute Weltmarktführerin auf ihrem Gebiet – dem Entwickeln sicherer Videoplattformen für Unternehmen. „Agiles Arbeiten wird nicht nur für die Produktentwicklung ein Muss, sondern für das ganze Unternehmen. Agilität beschleunigt Prozesse, lässt Raum für ständige Optimierung und sorgt für Transparenz innerhalb des Unternehmens“, sagt Erdal Ahlatci, CEO von movingimage.

HTW-Professor Jochen Prümper nimmt diese Arbeitsprozesse und Strukturen in einem Projekt genauer unter die Lupe. Ausgehend von movingimage und in Zusammenarbeit mit vier Partnern entwickelt er einen Leitfaden für das „Agile Arbeiten“. Alleine für die Aktivitäten der Projektbeteiligten der Region Ost stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bis 2020 stolze 965 000 Euro zur Verfügung. Deutschlandweit sind weitere Wissenschaftler_innen aus vier Bildungseinrichtungen und sieben weiteren Partnereinrichtungen im Boot. Das Gesamtvorhaben „Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum: Usability Digitalisierung beschleunigen und Vernetzung steigern durch Usability und User Experience“ verfügt gar über ein Gesamtvolumen von 4,4 Millionen Euro.

Jochen Prümper ist Wirtschafts- und Organisationspsychologe im Fachbereich 3 der HTW Berlin und war vor seiner Berufung an die HTW Berlin im Jahr 1995 selbst einige Jahre bei einem Software-Entwickler tätig. Das Projekt ist ihm also auf den Leib geschneidert. „Ich beginne mit einer Arbeitsanalyse des Unternehmens“, skizziert er sein Vorgehen. Anschließend will er in Beobachtungsinterviews mit den Beschäftigten herausfinden, welche Bedingungen förderlich und welche hinderlich sind, wenn diese einen guten Job machen möchten. Wieviel Handlungsspielraum ist da, wie vielseitig sind die Aufgaben, wie flexibel kann man Zeitdruck abfedern?

Bei den Interviews mit den Führungskräften gilt sein Interesse deren neuer Rolle in agilen Arbeitsstrukturen. Wenn Hierarchien flach sind und die Teamarbeit dezentral strukturiert ist, dann können Führungskräfte keine Order von oben herab erteilen; gefragt sind vielmehr Organisation und Steuerung. Welche Kompetenzen werden dafür benötigt, wie macht man diese messbar, wie kann man sie fördern? Dies sind weitere Fragen im Projekt. Die Erkenntnisse werden nicht nur zu Papier gebracht, sondern in Zusammenarbeit mit den Partnereinrichtungen auch gleich erprobt, ausgewertet und die Ergebnisse in den Leitfaden eingearbeitet.

„Gerade für Software-Anbieter sind agile Arbeitsweisen kein Selbstzweck“, sagt Prümper. Wie schnell Produkte entwickelt werden, aber auch wie zufrieden die Nutzer_innen sind, sei vielmehr existenziell fürs Überleben. Auf die Usability kommt es maßgeblich an, also die Gebrauchstauglichkeit. Im Idealfall stellt sich auch noch Spaß bei der Sache ein, ist beispielsweise der Besuch eines Online-Shops oder einer Webseite ein Erlebnis – man spricht dann von User Experience. Auch diese beiden Aspekte werden im Leitfaden eine wichtige Rolle spielen. „Selbst wenn sich die meisten Unternehmen heutzutage der Bedeutung von Usability und User Experience bewusst sind, bereitet es ihnen oft noch Schwierigkeiten, sie in Entwicklungsprozesse und Managementkonzepte zu integrieren“, weiß Prümper.

In dem durchaus komplex konstruierten Transferprojekt, das bis 2020 läuft, müssen er und seine Partner übrigens gleich selbst unter Beweis stellen, dass sie innovative Arbeitsweisen beherrschen. Die HTW Berlin forscht mit der TU Berlin unter dem Dach des „Kompetenzzentrums Usability“ in dem Teilvorhaben der Region Ost. Weitere Partner in der Region Ost sind neben movingimage die Berliner UseTree GmbH sowie Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH. Der Fokus liegt auf kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Start-ups, die Software entwickeln und/oder anwenden und in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen angesiedelt sind.

Mehr Informationen zum Projekt