Solarzellen unter dem Lasermikroskop

Noch ist Silizium die Basis der Photovoltaik: Aus dem Quarzsand werden derzeit 95 Prozent aller Solarzellen gefertigt. Doch Wissenschaft und Industrie weltweit haben längst einen vielversprechenderen Rohstoff im Blick: Perowskit. Auch Prof. Dr. Andreas Bartelt, Physiker im Fachbereich 1 der HTW Berlin, hält große Stücke auf das Mineral. Seine Defizite kennt er allerdings auch. Im Forschungsprojekt „StaPeLu“ nimmt er sie unter die Lupe, genauer gesagt: unter das Mikroskop. Dabei kooperieren er und sein Team mit der Berliner Hochschule für Technik, dem Helmholtz-Zentrum Berlin und dem Unternehmen Becker & Hickl. Gefördert wird das Projekt vom Institut für Angewandte Forschung Berlin.

Der Wirkungsgrad von Perowskit steigt stetig an

Um zu erklären, warum Perowskit-Solarzellen der Shootingstar in der Welt der Photovoltaik sind, zeigt Prof. Dr. Andreas Bartelt gerne eine Folie mit „Lernkurven“, wie er sie nennt. Während der Wirkungsgrad von Silizium-Solarzellen schon seit einigen Jahren nur noch geringfügig ansteigt, bewegt sich die Perowskit-Linie seit 2010 steil nach oben. Der Wirkungsgrad ist förmlich explodiert, seitdem die Wissenschaft um die außergewöhnlichen optoelektronischen Eigenschaften des Minerals weiß und die einschlägige Forschung Fahrt aufgenommen hat.

Günstig herzustellen, einfach zu verarbeiten

„Bemerkenswert an Perowskit ist nicht nur, dass es das absorbierte Licht effizient in elektrische Energie umwandelt“, sagt Prof. Dr. Bartelt. Perowskit-Solarzellen ließen sich im Vergleich zu Siliziumwafern auch deutlich günstiger und sehr viel einfacher herstellen, außerdem farbig gestalten und sogar unkompliziert auf Folien aufbringen, die von der Rolle kommen. Das eröffne eine Vielzahl von neuen Anwendungsmöglichkeiten. „Man könnte Perowskit-Solarzellen in Gebäude integrieren, Fahrzeuge damit verkleiden, Agri-Photovoltaik betreiben, also Flächen für Landwirtschaft und Energieerzeugung gleichzeitig nutzen, aber auch in Innenräumen verwenden“, zählt der HTW-Wissenschaftler begeistert auf. Sowohl die Kostensenkung als auch die Erschließung neuer Flächen seien große Pluspunkte, hängt doch die Energiewende nicht nur in Deutschland auch davon ab, dass deutlich mehr Photovoltaik installiert wird.

Mit der Langzeitstabilität hapert es noch

Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Umwelteinflüsse wie Sauerstoff, Wasser, Wärme und Licht machen den salzartigen Perowskit-Halbleitern derzeit noch zu schaffen, trotz enormer Forschungsbemühungen. Perowskit-Solarzellen altern frühzeitig und büßen dabei jene Effizienz ein, die sie eigentlich so attraktiv macht. Wie aber lässt sich eine größere Langzeitstabilität der Perowskit-Solarzellen erreichen? Im Projekt „StaPeLu“ werden Methoden entwickelt und getestet, in der Hoffnung, perspektivisch Antworten auf diese Frage geben zu können.

Forschung mit der BHT Berlin und zwei Partnern

Für das Projekt hat sich Prof. Dr. Bartelt mit Wissenschaftlern des HySPRINT Innovation Lab und des Kompetenzzentrum Photovoltaik Berlin (PVComB) im Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) sowie mit Prof. Dr. Bernd Stannowski von der Berliner Hochschule für Technik (BHT) zusammengetan. Gemeinsam verfügen die Partner über das passende Know-how und die nötige Ausstattung. Mit im Boot ist außerdem die in Berlin ansässige Becker & Hickl GmbH.

Untersuchungen im optischen Meßstand

Das StaPeLu-Team verfolgt zwei verschiedene Ansätze, von denen es sich aufschlussreiche Erkenntnisse verspricht. Zum einen werden die winzigen Perowskit-Solarzellen zwischen schützende Glasscheiben gelegt und an den Rändern mit Kautschuk versiegelt. Die so verkapselten, insgesamt nur 3,5 X 3,5 Zentimeter großen Zellen unterziehen sowohl das HZB als auch das BHT-Team diversen Stresstests: Temperaturen bis 150 Grad beispielsweise, Feuchtigkeiten bis nahezu 100 Prozent oder Lichtbestrahlung. Anschließend werden die Zellen zur HTW Berlin gebracht, wo die Untersuchungen in einem optischen Messstand weitergehen. Prof. Dr. Bartelt hat ihn in den letzten fünf Jahren mit tatkräftiger Unterstützung von Studierenden und HTW-Mitarbeiter*innen aufgebaut und mit anspruchsvollen Geräten ausgestattet. Denn sowohl die Hardware als auch die Software müssen sehr präzise sein für die gewählte Untersuchungsmethodik: die Laserspektroskopie.

Welche Schäden lassen sich feststellen?

Mit Hilfe dieses Analyseverfahrens überprüfen Prof. Dr. Bartelt und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Lorenzo Angiolini und Lars Bergenholtz, ob bei der Laminierung der Perowskit-Solarzellen oder bei den Stresstests Schäden entstanden sind, und wenn ja welche. Dafür richten sie einen präzisen Laserstrahl auf die Solarzelle und messen: Wie genau wird das Licht absorbiert, wie ändert es sich, welches Licht kommt zurück? Die Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Solarzelle. Außerdem werden extrem kurze Laserpulse auf die Solarzelle geschossen. Die liegen im Bereich von Femto- bzw. Pikosekunden, was kaum vorstellbaren Bruchteilen von Sekunden entspricht. Auch diese Resultate ermöglichen Rückschlüsse auf die Materialeigenschaften der Solarzelle. „Das können Sie sich ungefähr so vorstellen wie den Nachhall einer Glocke, die man mit einem kurzen Schlag in Schwingung versetzt hat“, erläutert der Physiker. Bei dem Verfahren entstehen hoch aufgelöste, multidimensionale Bilder von winzigen Partien der Perowskit-Solarzellen. „Feuchtigkeit und Sauerstoff aus der Zelle rauszuhalten, klappt zwar schon ziemlich gut, aber der verbleibende Rest macht noch Probleme“, zieht Prof. Dr. Bartelt ein erstes Resümee. Schwierig sei es auch mit Temperatur und Licht.

Auch an der Materialresilienz wird gearbeitet

In einem zweiten Forschungsansatz testet das StaPeLu-Team daher Maßnahmen zur Erhöhung der Materialresilienz von unverkapselten Perowskit-Solarzellen. Dazu wird ihre Materialstruktur leicht verändert, beispielsweise durch gezielte Substitute oder den Auftrag von nanometerdünnen Pufferschichten. Auch diese modifizierten Zellen werden anschließend an der HTW Berlin evaluiert. Das passiert in selbstentwickelten Messkammern, in die keine Umgebungsluft eindringen kann. Hier können gezielt Feuchtigkeit, Sauerstoff und Wärme auf die Perowskit-Solarzellen aufgebracht und gleichzeitig die Materialveränderungen aufgenommen werden. In-situ-Spektroskopie heißt das Verfahren, an dem auch zwei Doktoranden von Prof. Dr. Bartelt sowie Bachelor- und Masterstudierende mitwirken. Er selbst findet zu seinem Bedauern zu wenig Zeit dafür, am Mikroskop zu sitzen, obwohl er das Gerät mit entwickelt hat. „Diese Bilder zu sehen, ist einfach faszinierend“, sagt er.

Ein kleines Teil im großen Puzzle der Energiewende

In den zwei Jahren, die für das Projekt zur Verfügung stehen – es endet im März 2023 - finden wir keine endgültigen Antworten auf unsere komplexen Fragen, macht sich Prof. Dr. Bartelt keine Illusionen. „Doch wir werden gezeigt haben, dass unser Verfahren, die mikroskopisch bildgebende Photo- und Elektro-Lumineszenz, geeignet ist, die Degradationsprozesse in der Perowskit-Solarzelle verstehen zu helfen, die von der Umwelt verursacht werden“. Das sei ein Baustein in einem großen Puzzle, an dem international geforscht wird. Sowohl dieses Verständnis als auch die Entwicklung geeigneter Verkapselungsstrategien mitsamt den Materialverbesserungen werde hoffentlich zur Entwicklung langzeitstabiler Perowskit-Solarzellen beitragen. Denn die Kommerzialisierung der Perowskit-Photovoltaik wird eine wichtige Rolle für die Energiewende spielen, ist Prof. Dr. Bartelt überzeugt.

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