Forschungsdaten effizient und systematisch managen

Sie sind zu fünft und sie haben viel vor: Unter Einbeziehung von zahlreichen Wissenschaftler*innen und Kolleg*innen will das Projektteam „FitForFDM“ bis 2025 die Anforderungen und Voraussetzungen für ein effizienteres und nachhaltiges Forschungsdatenmanagement (FDM) an der HTW Berlin erforschen. An der Spitze stehen Dr. Lena Simon, die Leiterin des Kooperationszentrums Wissenschaft – Praxis (KONTAKT), und Prof. Dr. Piotr Dabrowski, Informatikexperte im Fachbereich 4; zum Team gehören außerdem Esther Schneidenbach als Projektkoordinatorin und Forschungsdatenreferentin, Paulina Anna Dąbrowska als Datenscout sowie Eske Heister, wissenschaftliche Referent*in der Hochschulbibliothek. Die Gesamtverantwortung trägt mit Prof. Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring die Vizepräsidentin für Forschung und Transfer; finanziell gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Um welche Daten geht es überhaupt?

Dr. Lena Simon: Um sämtliche Daten, die in einem Forschungszyklus entstehen. Das fängt mit den Rohdaten an, geht weiter mit deren Verarbeitung beispielsweise in Form von Grafiken, Statistiken und Auswertungen, und reicht bis zu den Ergebnissen. Im Idealfall – das ist zumindest die Vision - werden diese Daten von HTW-Wissenschaftler*innen konsistent und nach ähnlichen Vorgaben strukturiert, beschrieben und abgelegt. Dann könnten sie auch Jahre später noch einfach gefunden werden. Und nicht nur gefunden, sondern auch durch Dritte begutachtet und weiterverarbeitet werden. Dafür bedarf es vieler Voraussetzungen, für die ich nur einige Beispiele geben will: maschinenlesbare und konsistente Metadaten, leistungsfähige Server mitsamt Backup-Regeln, konkrete Vorgaben für die Langzeit-Archivierung oder für den Schutz von sensiblen Daten.
Prof. Dr. Piotr Dabrowski: Allein die Archivierung von Daten ist ein weites Feld. In meinem Fachgebiet müssen beispielsweise bei der Arbeit mit gentechnisch modifizierten Organismen einige Daten 20 Jahre aufbewahrt werden. Doch wie verhält es sich mit Daten aus anderen Disziplinen? Aber ich möchte auf einen anderen positiven Aspekt aufmerksam machen: Die Nachnutzung von Daten kann die Forschung beschleunigen. Wenn ich hochschulintern niedrigschwellig prüfen kann, ob ein Kollege oder eine Kollegin bestimmte Daten schon einmal erhoben hat, profitiere ich als Wissenschaftler.  
Esther Schneidenbach: Diese Mehrfachnutzung und langfristige Auffindbarkeit von Daten sind auch im Interesse der Öffentlichkeit, mit deren Geldern Forschung sehr oft finanziert wird.

Wie geht man an der HTW Berlin derzeit mit Forschungsdaten um?

Esther Schneidenbach: Bisher scheinen strukturierte und standardisierte Vorgaben und Vorgehensweisen im Umgang mit Forschungsdaten zu fehlen. Sie wären aber für ein Forschungsdatenmanagement notwendig, das sich an den FAIR-Prinzipien orientiert. FAIR steht für findable, accessible, interoperable and reusable. Unsere Umfrage im Vorfeld des Projektantrags hat gezeigt, dass manche Wissenschaftler*innen individuelle Lösungen entwickelt haben. Die einen speichern auf einem USB-Stick, andere haben eigene Server aufgesetzt, auch Laboringenieur*innen kümmern sich. Fast alle sehen die Notwendigkeit, den Umgang mit Forschungsdaten hochschulweit systematisch anzugehen. Das bestätigen auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, die hier häufig auf sich alleine gestellt sind.
Prof. Dr. Piotr Dabrowski: Die Sache ist insofern nicht trivial, als sich die an der HTW Berlin vertretenen Fachdisziplinen diesbezüglich unterscheiden. Selbst dort, wo sie mit ähnlichen Begriffen operieren, verstehen sie darunter nicht zwingend dasselbe. Wenn ich also mit Kolleg*innen über den jeweiligen Umgang mit Forschungsdaten spreche, müssen wir uns erst einmal auf ein einheitliches Vokabular verständigen. Weil wir bei „FitForFDM“ aber allen gerecht werden wollen, integrieren wir Beispielprojekte aus allen Fachbereichen.
Dr. Lena Simon: Wir werden im Kooperationszentrum Wissenschaft-Praxis immer öfter nach Regeln für den Umgang mit Forschungsdaten gefragt. Hinzukommt, dass entsprechende Konzepte, so genannte Datenmanagementpläne, inzwischen auch regelmäßig bei Drittmittelanträgen eingefordert werden. Es gibt also einen echten Bedarf, und ich bin sehr froh, dass wir durch „FitForFDM“ die Möglichkeit bekommen, voranzukommen. Um die Fördermittel des BMBF hatten sich viele Hochschulen beworben. Ich denke, wir haben den Zuschlag auch deshalb bekommen, weil wir glaubhaft machen konnten, dass Hochschulverwaltung und Forscher*innen Hand in Hand arbeiten wollen.

Wie gehen Sie im Projekt vor?

Dr. Lena Simon: Erst einmal werden wir die an der HTW Berlin anfallenden Forschungsdaten, Metadaten und Anforderungen systematisch erfassen. Dabei helfen Interviews, Recherchen und natürlich die Beschäftigung mit den schon erwähnten Beispielprojekten. Auf jeden Fall wird es wichtig sein, iterativ und partizipativ zu arbeiten. Das heißt: Wir wollen uns immer wieder mit den unterschiedlichen internen Stakeholdergruppen abstimmen, um den Bezug zur Forschungs- und Verwaltungsrealität an der HTW Berlin zu behalten. Und wir wollen die Forschenden eng einbeziehen.
Paulina Dąbrowska: Als Datenscout begleite ich jedes Begleitprojekt für etwa drei Monate, um zu verstehen, worin die konkrete Herausforderung in punkto Datenmanagement besteht, und trage dieses Wissen ins Projekt. Später kehre ich mit den erarbeiteten Vorschlägen und Methoden zurück, dann wird sich herausstellen, ob sie funktionieren.   
Esther Schneidenbach: Zur Frage nach der Partizipation: Wir werden einen Arbeitskreis Forschungsdatenmanagement gründen, in dem verschiedene Stakeholder vertreten sind, die wichtig sind für das Projekt. Neben den Forschenden gehören dazu das Hochschulrechenzentrum und die Bibliothek, um nur einige zu nennen. Auch eine Peer-Forschenden-Gruppe gibt es, sodass deren Fragen jederzeit im Projekt aufgegriffen werden können.

Welche Beispielprojekte sind dabei?

Esther Schneidenbach: Aus dem FB 1 ist Prof. Dr. Horst Schulte dabei, aus dem FB 2 ist Prof. Dr. Anja Drews mit verschiedenen Projekten vertreten. Prof. Dr. Kristoff Ritlewski aus dem FB 3 steuert ein IFAF-Projekt bei. Prof. Dr. Hermann Hessling aus dem FB 4 ist mit seinem Projekt in ein internationales Konsortium involviert. Prof. Dr. Dorothee Haffner aus dem FB 5 bringt mit Stoffmustern eine völlig andere Datenmaterie ein. Insgesamt ist es also ein fachlich repräsentativer Mix aus Wissenschaftler*innen, die ihre Daten schon vor längerer Zeit erhoben haben und solchen, die derzeit noch Daten generieren. Wir vergessen aber nicht, dass sich die ganze fachliche Breite der HTW Berlin nicht mit fünf Projekten abbilden lässt, auch wenn sie sehr unterschiedlich sind und repräsentativ ausgewählt wurden. Das ist auch eine der Motivationen für die Einrichtung der schon genannten Partizipations-Mechanismen jenseits der Beispielprojekte.

Stehen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften vor größeren Herausforderungen als Universitäten?

Dr. Lena Simon: Vielleicht. Universitäten haben häufig mehr Ressourcen und können ihren Wissenschaftler*innen ganz andere Unterstützungsstrukturen anbieten. Auch die Lehrverpflichtung spielt eine Rolle. Wer wie an einer HAW 18 Semesterwochenstunden Lehre macht und zusätzlich forscht, hat einfach weniger Zeit, sich um das Management von Forschungsdaten zu kümmern. Die ausgeprägte Heterogenität von Fachhochschulen macht es ebenfalls nicht gerade leicht.
Esther Schneidenbach: Es gibt noch einen weiteren Aspekt. Angewandte Forschung findet oft in Kooperation mit der Wirtschaft statt. Dort ist die Bereitschaft, Daten öffentlich zugänglich zu machen, mitunter nicht sehr groß. Wofür es auch gute Gründe geben kann. Diesen Umstand muss man bei einer Policy auf jeden Fall berücksichtigen. Andererseits ist das Forschungsdatenmanagement definitiv auch für Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen eine große Herausforderung. Je größer die Institution desto größer die Herausforderung.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Eske Heister: Wir wollen eine Policy für das Forschungsdatenmanagement an der HTW Berlin konzipieren, Handlungsempfehlungen geben, die unserer Fächerdiversität gerecht werden, und wir wollen den Forschungsservice und die Vernetzung mit anderen Forschungseinrichtungen in Bezug auf FDM ausbauen. Dieser Service wird ja nicht nur durch KONTAKT erbracht, sondern auch durch die Forschungsmanager*innen in den Fachbereichen, die Bibliothek und das HRZ. Im Antrag haben wir die Bündelung „FDM-One-Stop-Shop“ genannt. Auch zum Kompetenzaufbau bei den Forschenden wollen wir beitragen, durch Infomaterialien und Weiterbildungsangebote beispielsweise. Last but not least: Wir wollen intensiv kommunizieren, auch über Multiplikator*innen in der Hochschule, um alle zu unterstützen, die sich noch nicht so intensiv mit dem Thema Forschungsdatenmanagement beschäftigt haben.
Prof. Dr. Piotr Dabwroski: Grundsätzlich gilt das Prinzip „dogfooding“. Das heißt: Wir testen erst einmal selbst. Alles, was wir entwickeln oder konzipieren, seien es nun Angebote, Dienstleistungen oder was auch immer, muss uns selbst gefallen. Wir sollten es selbst anwenden bzw. in der Forschung oder in der Verwaltung nutzen wollen. Diese Methode ist in der Wirtschaft aus guten Gründen sehr erfolgreich.

Welchen Stellenwert hat das Projekt für die HTW Berlin?

Dr. Lena Simon: „FitForFDM“ hilft uns bei der Professionalisierung unseres Forschungsmanagements. Die Anforderungen in diesem Bereich wachsen seit geraumer Zeit stetig, und wir sind als Hochschule gut beraten, Forschungsunterstützung neu zu denken.
Esther Schneidenbach: Das Projekt trägt dazu bei, dass wir nicht abgehängt werden. Denn auf europäischer Ebene und bei den Universitäten passiert derzeit enorm viel in den Bereichen Datenmanagement und Datenräumen.

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