Vom Automobil bis zur Pumpanlage

Ohne sie wäre manches Museum ärmer an Exponaten, befände sich das eine oder andere Industriedenkmal in schlechterem Zustand, fehlte dem Profil der HTW Berlin eine markante Linie: Beinahe 30 Jahre bildete Prof. Ruth Keller Restaurator*innen für technisch industrielles Kulturgut aus. Den gleichnamigen Studienschwerpunkt, der bei seiner Einrichtung im Wintersemester 1993/94 weltweit einzigartig war, baute die gerade berufene Professorin nicht nur von Null an auf. Die Wissenschaftlerin entwickelte mit Studierenden und Lehrenden auch Konzepte und Methoden für den Erhalt von Technischem Kulturgut, an denen es der jungen Disziplin noch mangelte. Im Oktober 2022 wurde sie mit einer Fachtagung verabschiedet und legte ihr Erbe in die Hände ihres Nachfolgers Professor Dr. Lutz Strobach.

Eigentlich wollte sie Wandgemälde restaurieren....

Eigentlich wollte die Kunsthistorikerin Ruth Keller ursprünglich Wandgemälde restaurieren. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Papierrestauratorin, sammelte berufliche Erfahrungen mit der Restaurierung von Bildern der Sammlung Prinzhorn, die in der NS-Zeit missbraucht worden waren, um unliebsame Kunst zu pathologisieren, arbeitete dann mit ihrem eigenen Restaurierungsatelier für Auktionshäuser und den internationalen Markt. „Doch der kulturelle Kontakt zur Bevölkerung fehlte mir“, beantwortet sie die Frage, wie sie denn von der Kunst zum Technischen Kulturgut kam.

Einstieg im Berliner Technikmuseum

Im Berliner Technikmuseum widmete sich die gebürtige Schweizerin fortan der Entwicklung von Möglichkeiten für die Restaurierung von Automobilen, historischen Messgeräten, stillgelegten Dampfpumpenanlagen, später auch von Artefakten  aus ehemaligen Konzentrationslagern, um Beispiele für die ungeheure Vielfalt von Kulturgut zu nennen, das in Museen, Gedenkstätten und Freilichtarealen Zeugnis ablegt von den letzten 150 Jahren.

Arbeit mit Generationen von Studierenden

Generationen von Studierenden waren unter der Leitung von Prof. Ruth Keller daran beteiligt, historische Objekte zu untersuchen, ihre Verwendung und Funktionsweise zu beschreiben, Abnutzungs- und Abbauerscheinungen zu dokumentieren, die verarbeiteten Materialien zu bestimmen und mehr über deren Veränderungsprozesse in Erfahrung zu bringen, um anschließend Konzepte für die Erhaltung bzw. Restaurierung zu entwickeln und in einigen Fällen in den Werkstätten der Hochschule praktisch umzusetzen.

"Authentizität" und "Oberfläche" sind wichtige Kategorien ihrer Restaurierungsphilosophie

„Authentizität“ und „vielschichtig sensible Oberflächen“ sind wichtige Dimensionen der Restaurierungsphilosophie von Prof. Ruth Keller für die Konservierung historischer Materialien und Technologien. Nur wenn die Originalsubstanz eines Kulturguts mit Nutzungsspuren erhalten blieben, könnten Einzelstücke Vergangenheit hoch verdichtet repräsentieren, ihre Bedeutung einerseits nonverbal, ja sogar emotional, andererseits materialtechnisch und technologisch erfahrbar werden, sagt sie.

Dafür, dass es Museen nicht an Restaurator_innen mangelt, die sowohl das Gespür als auch die historischen, material- und naturwissenschaftlichen Kenntnisse haben, um Kulturgut mit feinfühligen Methoden zu konservieren, hat Prof. Ruth Keller als Wissenschaftlerin und als Hochschullehrerin viel geleistet. Als Lehrbeauftragte wird sie es weiterhin tun, auch wenn offiziell ihr Ruhestand begonnen hat.

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