Spielerisch zu einer neuen Führungskultur

Führungskräfte sollen Spiele spielen, um ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln, Konflikte im Team kreativer lösen zu können oder aus festgefahrenen Situationen rauszufinden? „Das ist tatsächlich eine probate Methode“, sagt Prof. Pelin Celik. Im Forschungsprojekt „LudiX“ entwickelt die Industriedesignerin mit ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Olivia Hidalgo Miranda und in Kooperation mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) neue Spielkonzepte, die diesem Anspruch gerecht werden. Den ersten Prototypen hat das Team auf der re:publica im Juni 2022 vorgestellt und getestet. Am 17. Juni werden Ansätze und Ideen auf der Fachkonferenz „LudiX Day“ im größeren Kreis diskutiert und erprobt. Im Interview geben Prof. Celik und Olivia Hidalgo Miranda Einblick in ihr Projekt, das vom Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin) gefördert wird.

Warum brauchen Führungskräfte neue Impulse?

Prof. Pelin Celik: Sie müssen offener werden für Veränderungen und unterschiedliche Kulturen, flexibler auf neue Herausforderungen reagieren und in der Lage sein, auch zu experimentieren. Denn die Probleme, vor denen Wirtschaft und Gesellschaft inzwischen stehen, werden immer komplexer und sind immer enger miteinander verwoben. Das hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt. Was klassische Führungskräfte heute praktizieren bzw. in etablierten Weiterbildungen lernen, reicht nicht oder es ist zu eng gedacht. Führungskräfte sollten in der Lage sein, in ihrem Unternehmen bzw. in ihrer Organisation zu Katalysatoren von Veränderungen zu werden.

Wofür sind Spiele in diesem Kontext gut?

Prof. Celik: Unsere Spiele sollen Führungskräften dabei helfen, ihre Persönlichkeit  weiterzuentwickeln: Sie haben Gelegenheit ihren Führungsstil anhand von spielerischer Interaktion zu entdecken, zu experimentieren und bekommen Mut, auch komplexe Konstellationen als System Thinker anzugehen. Das kann sie in die Lage versetzen, Veränderungen in ihrem Unternehmen bzw. ihrer Organisation anzustoßen und die jeweilige Unternehmenskultur systemisch zu transformieren. Es gibt bereits Ansätze für spielerische Führungskräfteentwicklung, aber es besteht noch Forschungsbedarf.

Wie entwickeln Sie diese Spielkonzepte?

Prof. Celik: Gemeinsam mit den Führungskräften, also in einem co-kreativen Prozess. Dafür haben wir unterschiedliche Projektpartner an Bord genommen, wordurch das ganze Spektrum der Berliner Unternehmenskulturen abgebildet ist. Klassisch organisierte Häuser wie die Siemens AG oder der Cornelsen-Verlag sind dabei, aber auch digitale Entrepreneure wie Soundcloud, das Startup Junge Tüftler*innen oder der Verein Enactus. Alle haben reihum spielerische Workshops füreinander organisiert, bei denen die Teilnehmer_innen in einen produktiven Austausch kamen. Als LudiX-Team haben wir jedes Mal Input gegeben, dann genau beobachtet was passiert, außerdem Feedback über Fragebögen eingeholt. So haben wir herausgefunden, welche Themen bei den Führungskräften auf der Agenda stehen, wie sie worauf reagieren, wie sie miteinander umgehen. Diese Erfahrungen sind die Grundlage für die Entwicklung der sogenannten Serious Games, also der ernsthaften Spiele, die perspektivisch als einfache und übertragbare Weiterbildungsmethode funktionieren sollen.

Ein Spiel ist schon fertig?

Olivia Hidalgo Miranda: Ja genau, wir haben den Prototyp auf der re:publica zum ersten Mal vorgestellt und erprobt. Das Spiel heißt „Purpose Prototyping". Teams aus jeweils zwei Spieler_innen bauen aus bunten Acrylteilen, die wir mit dem Laser im HTW-Labor geschnitten haben, ihre persönliche Ikigai-Skulptur. Dabei kommen sie über ihre Werte, Ziele und Einstellungen als Führungskraft ins Gespräch. Das Wort Ikigai stammt aus dem Japanischen, setzt sich zusammen aus „iki“ für Leben und „gai“ für Wert. Salopp ausgedrückt lässt sich Ikigai verstehen als das, „wofür es sich zu leben lohnt“. Die Aktionen der Spieler_innen haben wir vor Ort dokumentiert, Feedback gesammelt und überlegen derzeit, ob das Spiel schon gut genug ist oder noch weiterentwickelt werden muss.

Was passiert auf der Fachkonferenz?

Prof. Celik und Olivia Hidalgo Miranda: Es gibt verschiedene Spielstationen, Gespräche, Workshops und eine spannende Podiumsdiskussion, alles unter dem thematischen Dach der Frage, wie Führungskräfte von Manager_innen zu kreativen Katalysator_innen von Produkt- und Kulturinnovationen in ihren jeweiligen Organisationen werden und welchen Beitrag Spielen zu diesem Prozess leisten. Es geht um die Führungskräfte von morgen. Ein Vortrag leuchtet beispielsweise aus, was Führungskräfte vom Pokern lernen können. Wir sind gespannt auf die Beiträge, bieten aber auch selbst einen Workshop an.

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