Wände aus Hanfkalk und Photovoltaik in Glasziegeln

„Entwickeln Sie eine visionäre und zukunftsfähige Lösung für ein sogenanntes Tiny Office, die sowohl nachhaltig als auch günstig ist.“ So lautete die Aufgabenstellung für Studierende im 3. und 5. Semester des Studiengangs Industrial Design. Es war ein – fast – normales Entwurfsseminar, wie es Prof. Sebastian Feucht in jedem Semester betreut. Fast normal, weil es im Sommersemester 2020 um ein Gebäude ging, das tatsächlich realisiert werden soll.  Auf der noch unbebauten Fläche direkt an der Spree könnte ein kleines, aber feines Domizil für das „Haus der Transformation“ entstehen, eine Art Nukleus für vielfältige Aktivitäten in den Bereichen Nachhaltigkeit.

Er kennt Materialien, Technologien und die Branche

Bei Prof. Sebastian Feucht war das Seminar in den allerbesten Händen. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich der Produktdesigner mit den Themen Nachhaltigkeit, Ökointelligenz und Ressourcenleichtigkeit. Wenn er die Details des Siegerentwurfs für das Tiny House beschreibt, den der siebenköpfige Beirat des „Haus der Transformation“ schließlich ausgewählt hat, beginnt man zu ahnen, dass es kaum ein nachhaltiges Material geben dürfte, das er nicht schon selbst erprobt hat, keine innovative Technologie, mit der er nicht vertraut ist, und keinen Stakeholder in der Branche, den er nicht im Blick hat oder sogar persönlich kennt. Ob Hanfkalk, Holznägel, die mit Druckluft eingebracht werden, oder Glasziegel mit integrierter Photovoltaik – in seinem kleinen Büro auf dem Campus Wilhelminenhof befinden sich zwar auch Bücher, doch noch mehr interessante Produktmuster, die Nachhaltigkeit greifbar machen.

Transferpreis 2020 für besonderes Engagement

Es war diese Verbindung aus profundem Know-how, exzellenter Vernetzung mit der Praxis und großem Engagement für das Thema Nachhaltigkeit im Allgemeinen und das Entwurfsseminar „Tiny House“ im Besonderen, die Prof. Sebastian Feucht zum überzeugenden Träger des 2020 zum ersten Mal ausgelobten Transferpreises werden ließ. „Er hat dem Projekt „Haus der Transformation“ nicht nur wichtige Impulse gegeben und es maßgeblich geprägt, sondern auch wichtige Industriekooperationen aufgebaut und strategische Fundraising-Ideen entwickelt, die bei der Realisierung von Vorteil sein werden“, heißt es in der Urkunde. Und weiter: „Seine Aktivitäten im Studiengang, im Beirat des „Haus der Transformation“ und an der HTW Berlin zeichnen sich aus durch Originalität und eine klar ausformulierte Vision.“

Ressourcenleichtigkeit ist ihm schon lange ein Anliegen

Die Vision einer ressourcenleichten Gesellschaft hatte Prof. Sebastian Feucht schon beim Verfassen seiner Diplomarbeit an der Kunsthochschule Weißensee im Auge. Statt den soundsovielten Stuhl oder eine weitere Teekanne zu entwerfen, konzipierte er ein Verleihsystem für semiprofessionelle Digitalkameras und entwarf ein dazu passendes Kameramodell. Seitdem hat ihn das Thema Nachhaltigkeit nicht mehr losgelassen, und zwar beruflich wie privat.

Online-Lehre aus dem Tiny Office in Brandenburg

Auch deshalb hat es ihm große Freude bereitet, Studierende bei der Recherche der Rahmenbedingungen für ein Tiny House und in der Entwurfsphase zu betreuen. Mit der Materie ist er ohnedies vertraut, seine Online-Veranstaltungen im Sommersemester kamen direkt aus einem brandenburgischen Tiny House, wo sich Prof. Sebastian Feucht gerne aufhält. Den Schritt, in einem solchen Domizil ganz zu leben, habe er (noch) nicht gewagt, lächelt er. Mit seiner Familie lebt er heute in Niederschöneweide, in Fahrradnähe zum Campus der HTW Berlin, wo er seit 2015 im Studiengang Industrial Design mit den Schwerpunkten Sustainability, Material und Technologie lehrt und forscht.

Im Wintersemester wird weiter gearbeitet

Mit dem Siegerentwurf für das Tiny House beschäftigen sich im Wintersemester 2020/2021 erneut HTW-Studierende. In Regie von Prof. Dr. Birgit Müller und Prof. Dr. Silvia de Lima Vasconcelos planen sie in interdisziplinärer Teamarbeit die Haustechnik. Wenn alles klappt, entsteht 2021 auf dem Campus Wilhelminenhof ein Häuschen aus regionalem Holz in modularer Bauweise, das sich selbst mit Energie versorgt, über ein durchdachtes Raumkonzept verfügt und Platz bietet für Co-Working, Konzentration und Veranstaltungen. Pflanzwände werden für ein angenehmes Raumklima sorgen, nachhaltige Materialien eine Selbstverständlichkeit sein. All dies „kranbar“, wie es in der Fachsprache heißt. Sprich: Die einzelnen Module können von einem Kran wieder versetzt werden. Denn die Brache direkt an der Spree ist eigentlich für weitere Hochschulgebäude in der Ergänzung zu Gebäude H gedacht.

Warum nicht schrittweise neue Module hinzufügen?

Ginge es nach Prof. Sebastian Feucht, würde das Tiny House einfach stehen bleiben und schrittweise um weitere Module ergänzt werden. „Es gibt sehr vielversprechende Materialien und interessante Produktionstechnologien, für deren innovative Weiterentwicklung wir zahlreiche Kooperationspartner an die Hochschule holen könnten“, ist er überzeugt. Doch vorerst will er „nur“ die Realisierung des Tiny Office weiter mit seiner Expertise unterstützen. Quasi ehrenamtlich, denn in seinen Lehrveranstaltungen muss er sich den nächsten Themen widmen.