Stecken Sie Ihre Nase ruhig tief rein!

Birgit Müller im Riechlabor

Die Szenerie ähnelt dem Wartezimmer einer Arztpraxis, doch wir sind im Flur vor dem Riechlabor des Studiengangs Gebäudeenergie- und –informationstechnik. Geduldig warten Studierende darauf, die Nase in gläserne Trichter stecken und Punkte vergeben zu dürfen. Wie intensiv war der Geruch, wurde er als angenehm oder unangenehm empfunden, wie akzeptabel wäre er in einem Innenraum? Beschnuppert werden Proben handelsüblicher Bodenbeläge wie PVC, Kork oder Linoleum, die Prof. Dr. Birgit Müller in ihrem Forschungsprojekt einer Prüfung unterzieht. Sie will dazu beitragen, Geruchsemissionen zu senken und die Gesundheit der Verbraucher_innen zu schützen.

Die Qualität der Raumluft beeinflusst das Wohlbefinden

„Der Mensch verbringt 90 Prozent seines Lebens in Innenräumen, da spielt die Qualität der Raumluft für das Wohlbefinden eine große Rolle“, sagt die Ingenieurwissenschaftlerin, die das Thema „Gerüche“ vor vielen Jahren für sich entdeckt hat. Es hat an Bedeutung gewonnen, denn Gebäude werden immer sorgfältiger abgedichtet, um Wärmeverluste zu vermeiden. Die natürliche Lüftung nimmt ab, zurück bleiben Gerüche und Emissionen jedweder Art.

Bodenbeläge mit "Blauem Engel" auf dem Prüfstand

Produkte, die das Umweltzertifikat „Blauer Engel“ tragen, lässt das Umweltbundesamt in dem Forschungsprojekt der HTW Berlin in punkto Geruchsemission testen, um die Vergabekriterien für das Umweltzeichen um „geruchsrelevante Aspekte“ zu ergänzen. Prof. Dr. Müller will darüber hinaus Daten für Geruchsbewertungsmethoden sammeln, um sie in bestehende Industrienormen einbringen zu können. „Die Präzisierung dieser Normen wird der Geruchsprüfung zu einer größeren Akzeptanz verhelfen“, hofft die engagierte Wissenschaftlerin.

Das Riechlabor der HTW Berlin ist perfekt ausgestattet

Das Riechlabor der HTW Berlin ist mit seiner Ausstattung wie geschaffen für die Aufgabe. In Edelstahlboxen können die Proben der Bodenbeläge für 28 Tage eingeschlossen und mit einem präzise definierten Klima belüftet werden. Über ebenfalls aus Edelstahl bestehende Schläuche gelangen die Ausdünstungen ins Innere der Versuchskammer, wo sie in gläsernen Trichtern darauf warten, dass die Proband_innen ihre Nase reinstecken. Die Intensität kann dabei von Probe zu Probe fein austariert werden. 

Wer testet, sollte eine feine Nase haben

Durchführung und Auswertung der Tests liegen in den Händen von Simone Brandt und Hannes Dahms. Gemeinsam schleusen die studierte Umweltverfahrenstechnikerin, die an ihrer Promotion arbeitet, und der Student der Gebäudeenergie- und –informationstechnik die – freiwilligen - Proband_innen durch die Kammer. Es sind meist HTW-Studierende, die ein paar Euro dazuverdienen wollen. Heute sind PVC-Proben an der Reihe, morgen Korkproben, dann Linoleumproben, alle vom Hersteller geliefert oder im Baumarkt selbst gekauft. Bewertet werden die Intensität des Geruchs sowie die Hedonik, wie es in der Fachsprache heißt, also die emotionale Einschätzung, sowie die Akzeptanz, die man dem Geruch entgegenbringt. Bei den Tests mitmachen dürfen übrigens nur Proband_innen, die zuvor in einer sogenannten Aceton-Kalibrierung unter Beweis gestellt haben, dass sie eine feine Nase haben, will sagen: in der Lage waren, die im Labor voreingestellte Geruchsintensität des Aceton genau zu bestimmen. Bei der Auswertung der Tests hilft später eine im Studiengang selbst entwickelte Software.

Bis Januar 2022 will Prof. Dr. Müller dem Umweltbundesamt Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorlegen. Kooperationspartner im Forschungsprojekt ist die Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung

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